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Gutachten von Möllers und Waldhoff: Kein gesetz­li­cher Aus­schluss der AfD-nahen Stif­tung

von Dr. Christian Rath

14.09.2023

Eine Demonstration gegen die Finanzierung der DES

"Kein Geld für Verfassungsfeinde!" fordern Demonstranten nach dem BVerfG-Urteil im März. Foto: picture alliance/dpa | Uli Deck

Die Ampel-Fraktionen verhandeln gerade über ein Gesetz zur Finanzierung parteinaher Stiftungen. Ein Gutachten im Auftrag des Innenministeriums schlägt Kriterien und Verfahren vor. Christian Rath weiß, was drin steht.

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Die politischen Stiftungen der Parteien erhalten pro Jahr insgesamt rund 700 Millionen Euro für politische Bildung, Forschung, Stipendien und Auslandsprojekte. Derzeit bekommen sechs parteinahe Stiftungen Geld aus dem Bundeshaushalt: die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), die Heinrich Böll-Stiftung (grün-nah), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (links-nah) und die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah).

Die AfD beantragte ab 2019, dass auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) staatliche Zuschüsse erhalten solle. Die AfD hatte die DES als parteinah anerkannt. Vorsitzende ist Erika Steinbach, die zuvor fast 30 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß und seit 2022 AfD-Mitglied ist.

Der Bundestag verweigerte der AfD-nahen Stiftung jedoch Jahr für Jahr die Zuschüsse. Anfangs hieß es zur Begründung, dass die AfD erst noch zeigen müsse, dass sie eine dauerhafte Kraft ist. Nach dem zweiten Einzug in den Bundestag 2021 beschlossen die anderen Fraktionen dann einen Vermerk zum Bundeshaushalt 2022, wonach parteinahe Stiftungen nur dann finanziert werden, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Wieder ging die DES leer aus.

Wegweisendes BVerfG-Urteil

Auf Klage der AfD entschied das Bundesverfassungsgericht Anfang dieses Jahres (Urt. v. 22.03.2023, Az. 2 BvE 3/19), dass die Finanzierung der parteinahen Stiftungen durch ein spezielles Bundesgesetz geregelt werden muss. Ein Vermerk im Haushaltsgesetz genüge nicht. Der Ausschluss parteinaher Stiftungen von der Förderung sei zwar grundsätzlich möglich, ein derartiger Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien müsse aber zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter erfolgen. Als einziges Beispiel nennen die Verfassungsrichter:innen den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Nach dem Karlsruher Urteil waren die Stellungnahmen der Vertreter der etablierten Parteien eindeutig: "Kein Geld für Verfassungsfeinde - nach diesem Grundsatz werden wir nun schnell ein Stiftungsgesetz im Deutschen Bundestag erarbeiten und verabschieden", sagte etwa Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion. "Es ist Ausdruck der wehrhaften Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, dass der freiheitliche Staat nicht die Feinde der Freiheit alimentieren muss", betonte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle, "jeder Euro Steuergeld für die AfD-Stiftung wäre ein Euro zu viel". Für die Grünen wies Konstantin von Notz darauf hin, dass die Fraktion schon in der vergangenen Wahlperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte.

Das BMI hilft dem Bundestag mit einem Gutachten

Der Gesetzentwurf für das Stiftungsgesetz soll aus der Mitte des Bundestags entstehen. Doch als Hilfe für die Abgeordneten hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ein Gutachten in Auftrag gegeben. Unter dem Titel "Verfassungsrechtliche Maßgaben für den Ausschluss parteinaher Stiftungen von der staatlichen Förderung" wurde es von den renommierten Berliner Rechtsprofessoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff verfasst. Die beiden haben zusammen auch schon den Bundesrat im NPD-Verbotsverfahren vertreten.

Das Gutachten stellt klar, dass die Entscheidung über den Ausschluss einer Stiftung von der staatlichen Finanzieurng nicht schon im Gesetz erfolgen kann; hierfür sei diese Entscheidung viel zu komplex. So müsse eine "Gesamtschau" der Stiftungsaktivitäten vorgenommen werden, punktuelle Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben genügten nicht. Im Verfahren müsse auch die Stiftung angehört werden. 

Das BVerwG soll die Entscheidung treffen

Doch wer soll dann entscheiden, wenn nicht der Bundestag? Möllers und Waldhoff empfehlen eine gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Bundesverfassungsgericht komme nicht in Frage, da es sich hier - anders als beim Parteiverbot bzw. dem Ausschluss aus der Parteienfinanzierung, beide in Art. 21 Grundgesetz (GG) geregelt - um kein grundgesetzlich vorgesehenes Verfahren handele.

Den Antrag für den Ausschluss einer parteinahen Stiftung aus der staatlichen Finanzierung soll eine Bundesbehörde stellen. Möller und Waldhoff schlagen hierfür die Bundestagspräsidentin vor (derzeit Bärbel Bas, SPD), weil sie ohnehin schon den Status der politischen Stiftungen prüft, etwa die Parteinähe. Außerdem ist die Bundestagsverwaltung für die Zuweisung der staatlichen Zuschüsse an die Parteien zuständig.

Alternativ könnte zwar auch eine Bundesbehörde selbst entscheiden, etwa das Bundesinnenministerium, das auch für Vereinsverbote zuständig ist, oder eben auch die Bundestagsverwaltung. Damit sei jedoch kein Zeitgewinn verbunden, so das Gutachten, denn eine Stiftung, die von der Finanzierung ausgeschlossen wird, werde vermutlich die Gerichte anrufen - und bis zur rechtskräftigen Klärung sei eine Auszahlung der finanziellen Förderung kaum zu verhindern.

Falls sich der Bundestag dennoch für eine administrative Lösung entscheiden sollte, schlagen Möllers und Waldhoff vor, dass dann das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte gerichtliche Instanz zur Überprüfung berufen wird.

Stiftung und Partei

Die Gutachter warnen: Bei der Entscheidung über die Finanzierung der parteinahen Stiftung müsse strikt zwischen Stiftung und Partei unterschieden werden. Solange die AfD nicht verboten ist, komme es für den Förderungsausschluss der Stiftung nur auf das Wesen der Stiftung selbst an, also auf deren Programm, Personal und Aktivitäten. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei AfD als Verdachtsfall für extremistische Bestrebungen einstuft, genüge sicher nicht.

Nur nach einem Verbot der AfD durch das Bundesverfassungsgericht solle die Desiderius-Erasmus-Stiftung automatisch ihren Förderanspruch verlieren. Eine entsprechende gesetzliche Klarstellung wird empfohlen.

Kriterien für den Ausschluss

Als Grund für das Finanzierungsverbot könnte - wie beim Parteiverbot - darauf abgestellt werden, ob sich die Stiftung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, also gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Diese Kriterien sind nach dem BVerfG-Urteil von März auf jeden Fall zulässig. 

Möllers und Waldhoff verweisen aber auch auf die Kriterien für ein Vereinsverbot gemäß Art. 9 GG. Soweit es um den Schutz der "verfassungsmäßigen Ordnung" geht, werde dies von der Rechtsprechung mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gleichgesetzt, wobei hier auch die "Wesensverwandschaft zum Nationalsozialismus" als eigenständiges Verbotskriterium akzeptiert ist. 

Auch die Ausrichtung einer Stiftung gegen die "Völkerverständigung" könne in Anlehnung an Art. 9 GG als Ausschlusskriterium eingeführt werden. Gemeint ist damit, dass in internationalen Beziehungen Gewalt befürwortet wird.

Die Professoren glauben sogar, dass eine Pflicht zu "verfassungsfreundlichen" Aktivitäten als Voraussetzung für eine Förderung eingeführt werden könnte. Sie halten dies für möglich, weil es keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Finanzierung parteinaher Stiftungen gebe. Eine verfassungsrechtliche Bindung ergebe sich nur aus der Pflicht zur Gleichbehandlung.

Es fragt sich allerdings schon, was mit dieser Verfassungsfreundlichkeit konkret gemeint ist. Die Gutachter werden hier nicht sehr konkret. Das Kriterium scheint daher in seiner Vagheit stark missbrauchsanfällig zu sein.

Zeitdruck

In diesen Tagen verhandeln die Ampel-Fraktionen unter Hochdruck über das neue Stiftungsgesetz. Der Bundeshaushalt für 2024 soll am 1. Dezember beschlossen werden. Bis dahin muss das Stiftungsgesetz in Kraft sein.

Da der Gesetzentwurf dazu gemeinsam mit den Fraktionen von CDU/CSU und der Linken eingebracht werden soll, sind weitere Verhandlungen erforderlich. Es besteht also bereits erheblicher Zeitdruck. Ob der letztlich dazu führt, dass die Vorgaben des Möller/Waldhoff-Gutachtens weitgehend übernommen werden, wird sich vermutlich schon nächste Woche zeigen.

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Gutachten von Möllers und Waldhoff: Kein gesetzlicher Ausschluss der AfD-nahen Stiftung . In: Legal Tribune Online, 14.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52708/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

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