Die Selbstanzeige von Steuerstraftätern ist spätestens seit dem Fall von Uli Hoeneß zu einer breit diskutierten Gerechtigkeitsfrage geworden, die auch in politischen Reformbestrebungen mündete. Uwe Hellmann stellt den aktuellen Gesetzentwurf vor, der die Voraussetzungen an eine erfolgreiche Selbstanzeige verschärft – und ihre Kosten erhöht.
Das Bundesfinanzministerium hat am 27. August 2014 einen Referentenentwurf vorgelegt, der die im Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD vereinbarte "Weiterentwicklung", also die weitere Verschärfung des Rechts zur Selbstanzeige, umsetzen soll. Durch den Entwurf soll es für reuige Steuersünder in Zukunft teurer werden, die Rückfahrkarte in die Legalität zu lösen. In einer Art gestaffeltem System steigen die Anforderungen an die Nacherklärung und Nachzahlung, je nach Schwere der vorherigen Steuerhinterziehung.
Die "harmloseste" Variante, die bußgeldbefreiende Selbstanzeige wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 Abgabenordnung (AO), die bisher nur die Nacherklärung voraussetzte, wird in Zukunft auch von der Nachzahlung der verkürzten Steuer abhängig sein.
Der Betrag, bis zu dem die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO noch möglich ist, wird von bisher 50.000 Euro auf 25.000 Euro gesenkt. Zudem reicht die bloße Nachzahlung der ursprünglich geschuldeten Steuer nun nicht mehr aus. Zukünftig hängt die Straffreiheit von der zusätzlichen Zahlung der Hinterziehungs- (§ 235 AO) und der Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) ab.
Hinterziehungen von mehr als 25.000 Euro zählen – genau wie die anderen in § 370 Abs. 3 AO benannten Fälle - zu den schweren Steuerhinterziehungen. Hier kann sich der Täter bereits seit 2011 nur nach den engeren Voraussetzungen des § 398a AO selbst anzeigen. Diese Norm wird nun noch weiter verschärft: Der Täter muss über die ohnehin nachzuentrichtenden Steuern, Hinterziehungs- und Nachzahlungszinsen hinaus einen weiteren prozentualen Anteil der hinterzogenen Steuer zahlen. Bei einem Verkürzungsbetrag bis zu 100.000 Euro sind dies weitere 10 Prozent, bei 100.000 bis zu einer Million Euro sind es schon 15 Prozent und bei über einer Million Euro sogar 20 Prozent.
Verjährungsfristen werden verlängert
Vorgesehen ist zudem eine Verlängerung der strafrechtlichen Verfolgungsverjährungsfrist für die "einfache" Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre. Bisher galt die zehnjährige Verjährungsfrist nur für die Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.
Auch die Frist für die nachträgliche behördliche Festsetzung von Steuern auf Kapitalerträge, die in Nicht-EU- oder Nicht-EFTA-Staaten, die keinen automatischen Datenaustausch vornehmen, erzielt wurden, soll verlängert werden. Das bringt eine gravierende Erschwerung der Selbstanzeige bei ausländischen "Schwarzkonten" mit sich. Bisher konnten verheimlichte Auslandskonten seit Jahrzehnten existieren – nacherklärt und nachversteuert werden mussten wegen der zehnjährigen Festsetzungsverjährungsfrist die Kapitalerträge aber nur für diesen Zeitraum. Dem Steuerhinterzieher blieb also ein Teil der Kapitalerträge ungeschmälert erhalten. Zukünftig soll die Frist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, beginnen (§ 170 Abs. 6 AO des Entwurfs). Dadurch würde sich die Nachzahlungsfrist auf bis zu 20 Jahren fast verdoppeln. Dies verlängert auch die Nacherklärungsfrist: der Steuersünder muss alles aufdecken, was in diesen Zeitraum fällt und einen meist viel höheren Betrag nachzahlen als bisher.
Selbstanzeige ausgeschlossen, wenn der Täter ahnt, was auf ihn zukommt
Die Selbstanzeige soll generell in solchen Fällen ausgeschlossen sein, in denen der Täter sich nicht wirklich "freiwillig" stellt, sondern nur, weil er Kenntnis von einer möglichen Ermittlung gegen ihn erlangt hat.
Die bisherige Regelung versagte dem Täter (und nach bislang ständiger Rechtsprechung auch dem Teilnehmer) die Selbstanzeige nur, wenn ihm oder seinen (steuerlichen) Vertretern vorher bekannt war, dass die Finanzbehörden eine steuerliche Außenprüfung angeordnet oder ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet haben. Nun soll die Selbstanzeige schon dann ausgeschlossen sein, wenn "… dem Begünstigten … oder dessen Vertreter" die Prüfungsanordnung bekanntgeben worden ist. Diese Erweiterung des Personenkreises schließt eine Lücke in den Fällen, in denen ein Mitarbeiter die Steuerhinterziehung zugunsten des Unternehmens begangen hatte. Trotz Anordnung der Außenprüfung gegenüber dem Unternehmen konnten deren Mitarbeiter bisher eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung erstatten.
Die Selbstanzeige soll nach § 371 Abs. 2 Nr. 1d AO des Entwurfs auch dann ausgeschlossen werden, wenn vorher ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer unangekündigten "Nachschau" - eine Maßnahme der "Steueraufsicht in besonderen Fällen" - bei dem Steuersünder erschienen ist, sich als ein solcher auch ausgewiesen hat und derjenige dadurch Kenntnis davon erlangt hat, dass der Staat ihm "auf die Schliche" kommen könnte.
2/2: Straflose Teilselbstanzeige bei der Steuervoranmeldung
Das neue Gesetz erkennt nun jedoch für eine Konstellation – wieder – die "Teilselbstanzeige" an, und zwar bei Steuerhinterziehung durch eine verspätete oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen oder Lohnsteueranmeldung. Damit soll die Rechtsgrundlage für eine bisher gesetzeswidrige Praxis geschaffen werden, wonach die Steuerbehörde trotz gesetzlicher Verpflichtung im Fall einer Teilselbstanzeige auf die Überprüfung aller anderen offenen Anmeldungen verzichtet hatte.
Gibt ein Steuersünder zu, eine falsche oder unvollständige Anmeldung der Umsatzsteuer oder Lohnsteuer abgegeben zu haben und korrigiert er diese Angaben später, so greift nun der neue Abs. 2a des § 371 AO und derjenige wird straffrei. Anders als bisher verzichtet das Gesetz auf die Pflicht zu einer umfassenden Nacherklärung anderer Anmeldungen. Das gilt allerdings nicht für Jahresanmeldungen; sie erfordern nach wie vor eine umfassende Nacherklärung für in der Vergangenheit liegende Anmeldungen, nicht dagegen eine Nachholung oder Berichtigung der auf das Kalenderjahr nachfolgenden Anmeldungen.
Diese unübersichtliche und komplizierte Regelung ist nur verständlich, wenn man sich deren eigentlichen Zweck - der in der Begründung im Übrigen nicht dargelegt wird - vor Augen führt. Die Berichtigung einer Umsatzsteueranmeldung ist in der Praxis häufig notwendig. Wenn nun aber jede Korrektur dazu führen würde, dass die Behörde sämtliche Anmeldungen aus nichtverjährter Zeit (zehn Jahre) auf ihre Richtigkeit überprüfen müsste - dies könnten allein für die Vergangenheit bis zu 120 monatliche Voranmeldungen und zehn Jahresanmeldungen sein – wäre die Verfolgung von Steuerstraftaten durch die Strafsachenstellen auf einen Schlag blockiert.
Die Finanzverwaltungen hatten schon vor der Gesetzesänderung einen Ausweg aus diesem Dilemma geschaffen. Ein Erlass wies die Strafsachenstellen an, die Selbstanzeige ohne weitere Prüfung als vollständig zu betrachten, wenn keine Anhaltspunkte für Steuerhinterziehungen in anderen Anmeldungszeiträumen bestehen. Diese – bislang eigentlich gesetzeswidrige – Praxis soll nun legalisiert werden.
Erfüllt die Gesetzesänderung ihren Zweck?
Einige der vorgeschlagenen Regelungen erscheinen durchaus sachgerecht. Das gilt für die Ausdehnung der Zahlungspflicht auf die Zinsen, die Ausweitung der Ausschlussgründe und – mit Einschränkungen – für die Erhöhung des Zuschlags im Rahmen der schweren Steuerhinterziehung.
Die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist für die einfache Steuerhinterziehung auf zehn Jahre, um einen "Gleichklang" mit der steuerlichen zehnjährigen Festsetzungsfrist herzustellen, überzeugt dagegen nicht. Zum einen erreicht die Neuregelung dieses Ziel für die praktisch wichtige Konstellation der Hinterziehung von Steuern auf im Ausland erzielte Kapitalerträge nicht immer, da die Festsetzung nach der vorgeschlagenen Fristverlängerung unter Umständen länger als zehn Jahre möglich ist. Zum anderen erscheint es nicht angemessen, die strafrechtliche Verjährung aus steuerlichen Gründen von der für Eigentums- und Vermögensdelikte mit vergleichbarem Unrechts- und Schuldgehalt, wie Diebstahl, Betrug oder Untreue, zu entkoppeln und zu verdoppeln.
Ob sich die Verlängerung der steuerlichen Festsetzungsverjährungsfrist als praktikabel erweisen wird, ist zumindest zweifelhaft. Die Ermittlung der Kapitalerträge, die vor 20 Jahren erwirtschaftet wurden, dürfte sich nicht selten sowohl für den Täter als auch für Steuer- und Strafverfolgungsbehörden als schwierig erweisen, da häufig keine Aufzeichnungen und Belege mehr vorhanden sein werden.
Die Anerkennung einer "Teilselbstanzeige" bei Steuerhinterziehung durch eine verspätete oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen oder Lohnsteueranmeldung widerspricht zwar dem sonstigen Konzept der Selbstanzeige, verschafft der bisherigen gesetzeswidrigen Praxis aber eine Rechtsgrundlage.
Das Strafverfolgungshindernis stellt jedoch nach wie vor einen "Fremdkörper" im Selbstanzeigerecht dar. Der Gesetzgeber versteht die Vorschrift als eine – § 153a StPO vergleichbare – Regelung der Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH, nach der bei einer Hinterziehungssumme von mehr als einer Million Euro in der Regel keine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in Betracht kommt, erscheint das Absehen von Strafe – selbst bei einem Zuschlag von 20 Prozent – nicht angemessen.
Der Autor Prof. Dr. Uwe Hellmann ist Lehrstuhlinhaber des Instituts für Strafrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Potsdam.
Prof. Dr. Uwe Hellmann, Geplante Reform im Steuerrecht : Die Selbstanzeige wird teuer . In: Legal Tribune Online, 12.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13166/ (abgerufen am: 28.05.2023 )
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