2/2: Straflose Teilselbstanzeige bei der Steuervoranmeldung
Das neue Gesetz erkennt nun jedoch für eine Konstellation – wieder – die "Teilselbstanzeige" an, und zwar bei Steuerhinterziehung durch eine verspätete oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen oder Lohnsteueranmeldung. Damit soll die Rechtsgrundlage für eine bisher gesetzeswidrige Praxis geschaffen werden, wonach die Steuerbehörde trotz gesetzlicher Verpflichtung im Fall einer Teilselbstanzeige auf die Überprüfung aller anderen offenen Anmeldungen verzichtet hatte.
Gibt ein Steuersünder zu, eine falsche oder unvollständige Anmeldung der Umsatzsteuer oder Lohnsteuer abgegeben zu haben und korrigiert er diese Angaben später, so greift nun der neue Abs. 2a des § 371 AO und derjenige wird straffrei. Anders als bisher verzichtet das Gesetz auf die Pflicht zu einer umfassenden Nacherklärung anderer Anmeldungen. Das gilt allerdings nicht für Jahresanmeldungen; sie erfordern nach wie vor eine umfassende Nacherklärung für in der Vergangenheit liegende Anmeldungen, nicht dagegen eine Nachholung oder Berichtigung der auf das Kalenderjahr nachfolgenden Anmeldungen.
Diese unübersichtliche und komplizierte Regelung ist nur verständlich, wenn man sich deren eigentlichen Zweck - der in der Begründung im Übrigen nicht dargelegt wird - vor Augen führt. Die Berichtigung einer Umsatzsteueranmeldung ist in der Praxis häufig notwendig. Wenn nun aber jede Korrektur dazu führen würde, dass die Behörde sämtliche Anmeldungen aus nichtverjährter Zeit (zehn Jahre) auf ihre Richtigkeit überprüfen müsste - dies könnten allein für die Vergangenheit bis zu 120 monatliche Voranmeldungen und zehn Jahresanmeldungen sein – wäre die Verfolgung von Steuerstraftaten durch die Strafsachenstellen auf einen Schlag blockiert.
Die Finanzverwaltungen hatten schon vor der Gesetzesänderung einen Ausweg aus diesem Dilemma geschaffen. Ein Erlass wies die Strafsachenstellen an, die Selbstanzeige ohne weitere Prüfung als vollständig zu betrachten, wenn keine Anhaltspunkte für Steuerhinterziehungen in anderen Anmeldungszeiträumen bestehen. Diese – bislang eigentlich gesetzeswidrige – Praxis soll nun legalisiert werden.
Erfüllt die Gesetzesänderung ihren Zweck?
Einige der vorgeschlagenen Regelungen erscheinen durchaus sachgerecht. Das gilt für die Ausdehnung der Zahlungspflicht auf die Zinsen, die Ausweitung der Ausschlussgründe und – mit Einschränkungen – für die Erhöhung des Zuschlags im Rahmen der schweren Steuerhinterziehung.
Die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist für die einfache Steuerhinterziehung auf zehn Jahre, um einen "Gleichklang" mit der steuerlichen zehnjährigen Festsetzungsfrist herzustellen, überzeugt dagegen nicht. Zum einen erreicht die Neuregelung dieses Ziel für die praktisch wichtige Konstellation der Hinterziehung von Steuern auf im Ausland erzielte Kapitalerträge nicht immer, da die Festsetzung nach der vorgeschlagenen Fristverlängerung unter Umständen länger als zehn Jahre möglich ist. Zum anderen erscheint es nicht angemessen, die strafrechtliche Verjährung aus steuerlichen Gründen von der für Eigentums- und Vermögensdelikte mit vergleichbarem Unrechts- und Schuldgehalt, wie Diebstahl, Betrug oder Untreue, zu entkoppeln und zu verdoppeln.
Ob sich die Verlängerung der steuerlichen Festsetzungsverjährungsfrist als praktikabel erweisen wird, ist zumindest zweifelhaft. Die Ermittlung der Kapitalerträge, die vor 20 Jahren erwirtschaftet wurden, dürfte sich nicht selten sowohl für den Täter als auch für Steuer- und Strafverfolgungsbehörden als schwierig erweisen, da häufig keine Aufzeichnungen und Belege mehr vorhanden sein werden.
Die Anerkennung einer "Teilselbstanzeige" bei Steuerhinterziehung durch eine verspätete oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen oder Lohnsteueranmeldung widerspricht zwar dem sonstigen Konzept der Selbstanzeige, verschafft der bisherigen gesetzeswidrigen Praxis aber eine Rechtsgrundlage.
Das Strafverfolgungshindernis stellt jedoch nach wie vor einen "Fremdkörper" im Selbstanzeigerecht dar. Der Gesetzgeber versteht die Vorschrift als eine – § 153a StPO vergleichbare – Regelung der Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH, nach der bei einer Hinterziehungssumme von mehr als einer Million Euro in der Regel keine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in Betracht kommt, erscheint das Absehen von Strafe – selbst bei einem Zuschlag von 20 Prozent – nicht angemessen.
Der Autor Prof. Dr. Uwe Hellmann ist Lehrstuhlinhaber des Instituts für Strafrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Potsdam.
Geplante Reform im Steuerrecht : . In: Legal Tribune Online, 12.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13166 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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