Druckversion
Samstag, 7.06.2025, 13:58 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/gesetz-zu-auslaendischen-berufsqualifikationen-das-ende-der-taxi-fahrenden-ingenieure
Fenster schließen
Artikel drucken
2864

Gesetz zu ausländischen Berufsqualifikationen: Das Ende der Taxi fahrenden Ingenieure

von Prof. Dr. Winfried Kluth

25.03.2011

Der Fachkräftemangel zeigt Wirkung, das Bundeskabinett will die Anerkennung ausländischer Abschlüsse auch für Nicht-EU-Bürger vereinfachen. Winfried Kluth über einen richtigen Schritt, die falsche Motivation und den Teufel im Detail der "Gleichwertigkeit" der Qualifikation.

Anzeige

Die deutsche Wirtschaft hat nach 1945 mehrfach von der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte profitiert. Unmittelbar nach dem Krieg waren es die vielen tausend Vertriebenen, durch deren Zuzug die deutsche Wirtschaft in der Aufbauphase über ein überdurchschnittlich großes Potenzial qualifizierter Arbeitskräfte verfügte und so ein Wirtschaftswunder auf die Beine stellen konnte.

Mit dem Mauerbau und ein zweites Mal nach dem Fall der Mauer waren es qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Gebiet der DDR, die vor allem die wirtschaftliche Entwicklung im Südwesten der Republik unterstützten.

Mit dem am Mittwoch vom Bundeskabinett in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Anerkennungsgesetz) sollen nun vergleichbare positive Effekte im Hinblick auf den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten gezielt ausgelöst werden.

Das Ziel: Prüfung und Anerkennung binnen drei Monaten

Wer bisher in einem Drittstaat, also außerhalb der Europäischen Union, eine berufliche Qualifikation erworben hatte und damit auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktiv werden wollte, musste einen bürokratischen Spießrutenlauf absolvieren. Fehlende allgemeingültige Kriterien und Verfahren hatten nicht selten zur Folge, dass ein studierter Ingenieur letztlich als Taxifahrer seinen Lebensunterhalt verdienen musste.

Auch wenn die Fachkräfte einen dauerhaften Aufenthaltstitel erlangen wollten, der vom Nachweis einer Beschäftigung abhängt, erwiesen sich die Schwierigkeiten bei der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen als hinderlich.

Damit soll jetzt Schluss sein. Vier Jahre nach der Umsetzung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie will die Bundesregierung das in dieser Richtlinie für den Binnenmarkt etablierte vereinfachte Verfahren zur Anerkennung von Berufsqualifikationen mit gewissen Abweichungen auch auf Drittstaatsangehörige ausdehnen.

Auch Migranten aus Asien, Afrika und Russland sollen in Zukunft einen einklagbaren Anspruch darauf haben, dass ihre berufliche Qualifikation innerhalb von drei Monaten überprüft und bei Vorliegen eines gleichwertigen Abschlusses anerkannt wird. Gleichwertigkeit liegt dabei vor, wenn die nachgewiesene Qualifikation "im Wesentlichen" mit derjenigen vergleichbar ist, die das deutsche Recht für den entsprechenden Beruf verlangt.

Richtiges Ergebnis, falsche Motivation: Eigennutz statt Integration

Eigentlich sollte die Anerkennung vorhandener beruflicher Qualifikationen schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit selbstverständlich sein. Denn die dadurch ermöglichte angemessene Berufstätigkeit ist ein zentraler Bestandteil der sozialen Anerken-nung, die eine Gesellschaft auch jedem Migranten schuldet.

Es ist deshalb erfreulich, dass sich die Bundesregierung zu diesem Schritt entschlossen hat. Traurig ist allerdings, dass das in erster Linie aus Eigennutz zur Bewältigung des demografischen Wandels und der Befriedigung des Fachkräftemangels erfolgt, wie es ganz vorne in der Gesetzesbegründung heißt. Hier wäre ein höheres Maß an Selbstlosigkeit angebracht gewesen.

Zu begrüßen ist auch eine nicht unwichtige Formalität: Nach dem Gesetzentwurf sind für die Anerkennung grundsätzlich die fachlich maßgeblichen Wirtschafts- und Berufskammern zuständig. Das erspart nicht nur neue Bürokratie, sondern führt die Antragsteller auch direkt zu den Organisationen, die an ihnen besonders interessiert sind.

Der Teufel steckt im Detail: Was ist "gleichwertig"?

Abzuwarten bleibt, wie der Maßstab der Gleichwertigkeit in der Praxis gehandhabt wird. Nach der Wiedervereinigung dauerte es mehr als fünf Jahre, bis das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil die übertrieben anspruchsvolle Anerkennungspraxis der Behörden korrigierte.

Diesmal sollte früher daran gedacht werden, dass Deutschland ein Interesse an der Nutzung der beruflichen Qualifikationen besitzt. Immerhin sieht das Gesetz auch die Möglichkeit vor, gewisse Mängel in der Qualifikation durch Ausgleichsmaßnahmen zu über-winden. Auch darin lehnt sie sich an die EU-Richtlinie an.

Das Anerkennungsgesetz war längst überfällig. Es folgt einer politischen Maxime der Europäischen Union, die in Deutschland noch zu wenig unterstützt wird: die schrittweise Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen mit Unionsbürgern. Ob es zu der gewünschten win-win-Situation und einem neuen Wirtschaftswunder kommt, werden wir erst in einigen Jahren wissen.

Der Autor Prof. Dr. Winfried Kluth ist Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Richter des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt. Er forscht unter anderem zum deutschen und europäischen Migrations- und Berufsrecht.

 

Mehr auf LTO.de:

Gesetzgebung: Ausländische Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden

Fachkräftemangel: Das Zuwanderungsrecht als wirtschaftlicher Bremsklotz

Neue Bleiberechtsregelung: Perspektiven für geduldete Jugendliche

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Gesetz zu ausländischen Berufsqualifikationen: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2864 (abgerufen am: 13.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Berufs- und Standesrecht
    • Verwaltungsrecht
    • Ausbildung
    • Integration
    • Migration
Bundesministerin der Justiz Stefanie Hubig (SPD) während einer Pressekonferenz anlässlich der Justizministerkonferenz. 13.06.2025
Asyl

Justizministerin Hubig zu Zurückweisungen an der Grenze:

"Dobrindt muss Begrün­dung sch­nell nach­lie­fern"

Zurückweisungen an der Grenze waren rechtswidrig, so das VG Berlin. Dazu müsse sich Innenminister Dobrindt endlich verhalten, findet Ministerkollegin Hubig. Dass man die Zurückweisungen noch irgendwie rechtfertigen kann, bezweifelt sie.

Artikel lesen
Stefan von Raumer beim Deutschen Anwaltstag in Berlin 11.06.2025
DAV

DAV-Präsident zu Deutschlands Position bei Zurückweisungen:

"Das ist der Beginn von Anar­chie"

Andere Staaten halten sich bei Zurückweisungen nicht an das EU-Recht, deshalb muss Deutschland das auch nicht tun – so hatte die Bundesregierung argumentiert. Dies sendet eine fatale Botschaft, findet DAV-Präsident Stefan von Raumer.

Artikel lesen
Aufmarsch der Nationalgarde 10.06.2025
USA

Proteste in Los Angeles:

Was hat es mit der Natio­nal­garde auf sich?

In Kalifornien wird gegen die harte Migrationspolitik der US-Regierung heftig protestiert. Trump hat die dortige Nationalgarde eingesetzt – ohne Zustimmung des Gouverneurs. Auch reguläre Soldaten wurden entsandt. Darf der US-Präsident das?

Artikel lesen
Ein Redner diskutiert die aktuellen Herausforderungen für die Anwaltschaft und Justiz beim Deutschen Anwaltstag 2025. 07.06.2025
Podcast

LTO-Rechtslage-Sonderfolge zum Deutschen Anwaltstag:

Es beginnt mit dem Angriff auf Anwalt­schaft und Justiz

Welche Folgen hat der Beschluss zu Grenz-Zurückweisungen? Wie soll Justiz und Anwaltschaft auf Angriffe reagieren? US-Großkanzlei-Anwältin erzählt über ihren Ausstieg wegen des Systems Trump. All dies in Folge 34 des Rechtslage-Podcasts. 

Artikel lesen
Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze 06.06.2025
Asyl

"Vorläufig", "politisch motiviert", "unzuständig":

Die Mythen über die Zurück­wei­sungs­be­schlüsse des VG Berlin

Fake News und Halbwahrheiten sind der Nährboden für Hetze. Das bekommen die Richter des VG Berlin zu spüren, die Zurückweisungen von Asylsuchenden für rechtswidrig erklärt hatten. Anlass genug, die Fakten noch einmal geradezurücken.

Artikel lesen
Alexander Dobrindt, Lars Klingbeil, Friedrich Merz 04.06.2025
Abschiebung

Kabinett will Abschiebungen erleichtern:

Sichere Her­kunfts­länder per Ver­ord­nung?

Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, um sichere Herkunftsländer künftig ohne Zustimmung des Bundesrates festlegen zu können. Ob das Manöver zulässig ist, bezweifelt ein verfassungsrechtliches Gutachten.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Frank­furt (Oder)

Logo von Stadt Wilhelmshaven
Voll­ju­rist*in (m/w/d) für die Lei­tung des Recht­sam­tes

Stadt Wilhelmshaven , Wil­helms­ha­ven

Logo von Landtag Brandenburg
Par­la­ments­rä­tin/Par­la­ments­rat (B 2) als Re­fe­rent/in (m/w/d)

Landtag Brandenburg , Pots­dam

Logo von Universität Stuttgart
Voll­ju­ris­tin / Voll­ju­rist (w/m/d) in der Gra­du­ier­ten-Aka­de­mie

Universität Stuttgart , Stutt­gart

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von European Patent Office (EPO)
Al­ter­na­te Chair of the Di­s­ci­p­li­na­ry Com­mit­tee of the Eu­ro­pe­an Pa­tent...

European Patent Office (EPO) , Mün­chen

Logo von Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Freie und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in Grund­satz­be­reich Hoch­schul­recht

Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Freie und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
LinkedIn-Lunch: Die wichtigsten 2025er LinkedIn-Updates für ambitionierte Juristinnen

20.06.2025

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Gewerblicher Rechtsschutz im Fernstudium/ online

20.06.2025

Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Frankfurt/Main

25.06.2025, Frankfurt am Main

Logo von Noerr
Rheinkirmes Special 2025

17.07.2025, Düsseldorf

ADR als Kostenfaktor – oder Wettbewerbsvorteil? Der ökonomische Blick auf Konfliktlösung

23.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH