Vergangene Woche hat das LG Berlin mit klaren Worten zentrale Regeln der Facebook-Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen für unwirksam erklärt. Verbraucherschützer feiern das Urteil als "Meilenstein" für den Datenschutz. Tatsächlich sind die Mitglieder von sozialen Netzwerken mehr als eine Handelsware. Warum das Geschäftsmodell von Facebook dennoch nicht wackeln wird, weiß Thomas Schwenke.
Im Datenschutzstreit mit Facebook hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen vor dem Berliner Landgericht (LG) einen juristischen Sieg eingefahren. Dabei ist der erste Teil des Urteils und der eigentliche Aufhänger der Entscheidung eigentlich von geringer Bedeutung. Darin kritisieren die Richter die mittlerweile von Facebook geänderte "Freundefinder"-Funktion (Urt. v. 06.03.2012, Az. 16 O 551/190).
Mit ihr erlauben Mitglieder dem sozialen Netzwerk, auf Adressbücher von E-Mail Konten zuzugreifen und Einladungen an die gespeicherten E-Mail-Adressen zu versenden. Dazu wird das gesamte Adressbuch von Facebook importiert. Wenig überraschend entschied das LG, dass es sich bei solchen Einladungen um Werbung handelt, die grundsätzlich nur versendet werden darf, wenn der Empfänger zustimmt. Damit steht das Urteil im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zu vergleichbaren "Tell-a-Friend"-Funktionen.
Rechtseinräumung per Mausklick
Seine Bedeutung entfaltet das Urteil erst im zweiten Teil, der den Kernbereich des Geschäftsmodells von Facebook betrifft. Dieses besteht darin, aus Nutzern optimale Werbeempfänger zu gestalten. Dazu muss das Unternehmen aber möglichst viel über seine Mitglieder wissen. Deshalb bietet Facebook vielfältige Möglichkeiten, Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos auf der Plattform einzustellen sowie mit anderen Nutzern und deren Inhalten zu interagieren.
Aus den Dingen, die Facebook so über die Mitglieder erfährt, können Nutzerprofile mit Informationen über soziale Verbindungen, Interessen oder gar regelmäßige Aufenthaltsorte erstellt werden. Für die Werbewirtschaft sind diese Profile hochinteressant. Sie können für so genanntes Targeted Advertising verwendet werden, also zielgerichtete und auf bestimmte Konsumenten zugeschnittene Werbung.
Zum Beispiel ist es möglich, einem Facebook-Nutzer, der sich für Ökoenergie interessiert und weite Strecken zurücklegt, die Werbung für ein Elektroauto anzuzeigen. Um den Werbeeffekt noch zu erhöhen, können unter der Anzeige Profilbilder und Namen von Facebook-Freunden des Mitglieds auftauchen, die bereits über den "Like-Button" Interesse an dem Fahrzeug bekundet haben.
Diese Art von Werbung setzt allerdings zwingend voraus, dass die Inhalte und Informationen der Nutzer verwendet und ausgewertet werden dürfen. Dazu lässt sich Facebook in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zunächst einfache Nutzungsrechte an den Inhalten einräumen, die auf den Profilen eingestellt werden. Weitere Klauseln erlauben es dem sozialen Netzwerk, die Daten für zielgerichtete Werbung zu verwenden sowie mit Daten der werbenden Unternehmen zwecks Effizienzanalyse zu verknüpfen. Facebook meint, es sei ausreichend, dass diese Rechteeinräumung stattfindet, indem die Nutzer bei der Registrierung den bloßen Hinweis "Wenn du auf ‚Registrieren‘ klickst, akzeptierst Du unsere Nutzungsbedingungen und erklärst unsere Datenverwendungsrichtlinien gelesen und verstanden zu haben" erhalten.
Nutzer müssen deutlich informiert werden
Das LG Berlin hält diese Art der Zustimmung für unwirksam: Die Klausel, die regelt, wie Profildaten für die Werbung genutzt werden, verstößt nach Meinung der Richter gegen das Transparenzgebot, das gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für alle AGB gilt. Die Verbraucher würden nicht ausreichend über Art und Weise der Nutzung der Daten informiert.
Außerdem widerspreche die Klausel zur Übertragung der Rechte an Nutzerinhalten wesentlichen gesetzlichen Anforderungen an AGB. Zum einem erfüllt sie nicht die Voraussetzungen an eine wirksame datenschutzrechtliche Einwilligung. Diese muss gemäß § 4a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ausdrücklich erfolgen, zum Beispiel per Anhaken eines Kontrollkästchens. Der Hinweis bei der Registrierung genügt nicht. Zudem müssen die relevanten Klauseln aus dem übrigen Text hervorgehoben sein.
Das Gericht sieht darüber hinaus einen Verstoß gegen den "Zweckübertragungsgrundsatz" aus § 31 Abs.5 Urhebergesetz (UrhG). Die Richter führen aus, dass dieser Grundsatz zwar eine Auslegungsregel ist, die Unklarheiten über den Umfang der Rechtseinräumung lässt. Trotzdem müsse näher bestimmt werden, welche urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse nach dem Willen der Vertragspartner übertragen werden sollen. Facebook lässt sich jedoch nur pauschal die "Nutzung aller IP-Inhalte" einräumen.
An dieser Stelle enttäuscht das Urteil leider. Die Ausführungen des LG zum § 31 Abs.5 UrhG basieren weder auf gefestigter Rechtsprechung, noch auf einheitlicher Literaturmeinung. Deshalb hätte näher erläutert werden müssen, warum die weitgehende Übertragung in den Facebook-AGB dem Kern des Zweckübertragungsgedankens widerspricht.
Geschäftspartner auf Augenhöhe
Im Ergebnis ist die Entscheidung jedoch zu begrüßen. Sie dient dem Schutz der Verbraucher, ohne dabei das Geschäftsmodell von Facebook generell in Frage zu stellen. Artikel 1 des Grundgesetzes, insbesondere in seiner Ausprägung als ein Recht auf informationelle Selbstsbestimmung, legt dem Staat die Pflicht auf, dafür zu sorgen, dass Menschen nicht zu bloßen Geschäftsobjekten degradiert werden. Mit der Würde des Menschen ist es schließlich unvereinbar, diesen als "Handelsware" zu behandeln. Um diesen Schutz zu gewährleisten, müssen Verbraucher aufgeklärt und informiert entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Verträge abschließen und welche Informationen sie über sich preisgeben.
Die große Gefahr des "Targeted Advertising" liegt aber darin, dass die Nutzer von sozialen Netzwerken in bloße und unwissende Werbeobjekten verwandelt werden. Auf der anderen Seite bietet diese Werbeform auch Vorteile, weil Nutzer zum Beispiel weniger mit irrelevanter Werbung belästigt werden. Das LG Berlin hat der personalisierten Werbung daher keine grundsätzliche Absage erteilt. Es verlangt jedoch, dass die Nutzer deutlich über ihre Rolle in diesem Geschäft informiert werden. Sie sollen wissen, dass sie die Facebook-Plattform zwar ohne Entgelt, aber nicht ohne Gegenleistung nutzen. Die Nutzer sollen also weniger als "Ware" behandelt werden, sondern als Geschäftspartner auf Augenhöhe agieren können.
Der Autor Thomas Schwenke, Dipl.FinWirt(FH), LL.M. (Auckland), ist als Rechtsanwalt auf das Recht sozialer Medien spezialisiert und Autor des Buchs "Social Media Marketing & Recht".
Geschäftsbedingungen von Facebook: . In: Legal Tribune Online, 12.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5755 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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