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Kontroverse um Demonstrationsverbote: Ham­burger Sip­pen­haft

von Martin W. Huff

05.07.2017

Anwalt bei der Arbeit

© grafikplusfoto - stock.adobe.com

Die Hamburger Polizei hat einen Antrag gegen Demonstrationsverbote um den G20-Gipfel u.a. deshalb abgelehnt, weil die Antragsteller mit dem Republikanischen Anwaltverein verbunden sind. Das ist im Ansatz und im Ergebnis absurd, meint Martin Huff.

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Nach Medienveröffentlichungen sowie einer Mitteilung des Republikanischen Anwaltvereins (RAV) bewertet die Hamburger Polizei potentielle Demonstranten rund um das G-20-Treffen u.a. dann als "gefährlich", wenn sie von Rechtsanwälten des RAV vertreten werden. Konkret betroffen sind vier ehemalige Jurastudenten, die, vertreten durch Anwälte des RAV, Eilanträge beim Verwaltungsgericht Hamburg gegen die von der Polizei verfügten Versammlungsverbote rund um den G20-Gipfel gestellt haben. In einem Schriftsatz fügt die Stadt Hamburg, die für die Polizei die zuständige Behörde ist, Auszüge aus der Tätigkeit des RAV bei und vertritt die Auffassung, dass sich aus der Vereinsmitgliedschaft der Anwälte und ihrer Verbundenheit zu den Antragstellern eine besondere Gefährdungslage ergebe. Dieses Verhalten einer staatlichen Behörde ist so ungewöhnlich wie unverständlich.

Denn der RAV gehört zu den renommierten Anwaltsorganisationen. Er verzeichnet zwar deutlich weniger Mitglieder als der große Deutsche Anwaltverein (DAV), ist aber seit seiner Gründung 1979 anerkannt und wird auch zum Beispiel vom Gesetzgeber und vom Bundestag bei Anhörungen und Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren immer wieder berücksichtigt. Auch gehörten renommierte Professoren, Rechtsanwälte und Politiker, wie etwa der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, zu denjenigen, die den Gründungsaufruf im Jahre 1979 unterschrieben hatten.

Schlussfolgerung weder sinnvoll noch zulässig

Die Mitgliedschaft in diesem Anwaltverein als problematisch anzusehen und daraus Rückschlüsse auf die Mandantschaft des Anwalts abzuleiten ist ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang. Denn jeder Rechtsanwalt darf die Mandanten vertreten, die er vertreten möchte. Aus der Mitgliedschaft in einer anerkannten Berufsorganisation auf das Interesse des Anwalts und die Einstellung seiner Mandanten zu schließen, darf in einem freien Rechtsstaat nicht geschehen. Die Äußerungen der Hamburger Polizei haben bereits zu Recht massive Kritik erfahren. So sagte etwa der Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin, Dr. Marcus Mollnau, in dessen Bezirk der RAV seinen Vereinssitz hat: "Die freie Anwaltswahl gehört zu den unantastbaren Fundamenten des Rechtsstaats. Wer den Versuch unternimmt, aus der Mitgliedschaft eines anwaltlichen Vertreters in einer bundesweit anerkannten Anwaltsorganisation Nachteile für die Mandanten zu konstruieren, zeigt nicht nur, dass er mit seinem juristischen Latein am Ende ist, sondern offenbart auch bedauerliche Defizite im rechtsstaatlichen Denken."

Zudem hat eine staatliche Behörde nicht das Recht, aus der Vereinsmitgliedschaft eines anwaltlichen Vertreters darauf zu schließen, welche inhaltliche Ausrichtung die von ihm vertretenen Mandanten haben. Dies stellt eine unerlaubte Verknüpfung der anwaltlichen Tätigkeit mit der wie auch immer gearteten Mitgliedschaft in einem anerkannten Verein dar. Jeder Rechtsanwalt ist frei, ein Mandat zu übernehmen, jeder Mandant hat das Recht, sich frei einen Rechtsanwalt auszuwählen. Die Schlussfolgerung, dass ein vermeintlich zu linker – was immer das heißen mag – Anwaltsverein stets linke bzw. linksextreme Mandanten vertreten würde, ist krude und verletzt die notwendige Objektivität, die der Staat in einem rechtsstaatlichen Verfahren, hier vor den Verwaltungsgerichten, einzunehmen hat.

Ausrutscher oder Offenbarungseid?

Eigentlich ist dies ein klassischer Fall der "Befangenheit", auch wenn es eine solche Vorschrift für eine Behörde als Ganzes nicht gibt. Derjenige, der jedoch einen solchen Schriftsatz im Namen einer Behörde unterschreibt, hat sich eigentlich für die Vertretung der Behörde gegenüber dem Verwaltungsgericht disqualifiziert. Angesichts dessen wäre es vielleicht keine schlechte Idee, wenn der Regierende Bürgermeister dafür sorgen würde, dass die Hamburger Polizei sich nicht mehr selber vertritt, sondern dies ebenfalls durch Rechtsanwälte geschieht.

Es ist zu hoffen, dass die Äußerungen der Hamburger Polizei ein der Hektik im Vorfeld des G20-Gipfels geschuldeter Ausrutscher sind und kein Ausdruck einer grundsätzlichen Geisteshaltung, die von Freund-Feind-Schemata und Prinzipien der Sippenhaft geprägt ist. Eine Entschuldigung gegenüber den Rechtsanwälten wäre aber das mindeste, was eine liberale Stadt wie Hamburg den betroffenen Rechtsanwälten schuldet.

Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln sowie Rechtsanwalt bei Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln.

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Martin W. Huff, Kontroverse um Demonstrationsverbote: Hamburger Sippenhaft . In: Legal Tribune Online, 05.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23373/ (abgerufen am: 24.09.2023 )

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