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BGH lehnt Filesharing-Haftung von Eltern für ihre Kinder ab: Fragwürdige Erziehungsmethoden aus Karlsruhe

von Arno Lampmann und Andreas Biesterfeld-Kuhn

16.11.2012

Ein Junge mit Laptop und ein Großvater mit Zeitung diskutieren, symbolisieren moderne und traditionelle Erziehungsmethoden.

© Yuri Arcurs - Fotolia.com

Der BGH stellt die Tonträgerindustrie vor Herausforderungen. Eltern haften nicht für Urheberrechtsverstöße ihrer minderjährigen Kinder, wenn sie ihnen die Nutzung von Internettauschbörsen verboten haben. Das Unrechtsbewusstsein gerade der Jugendlichen wird die Entscheidung weiter schwächen, meinen Arno Lampmann und Andreas Biesterfeld. Dabei wird es für die Kids nun erst richtig gefährlich.

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Dem Urteil vorangegangen war ein Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG) Köln, in dem vier führende Tonträgerhersteller die Eltern von drei jeweils in ihrem Haushalt lebenden Kindern auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatten wegen des Upload von 15 Musiktiteln. Über die IP-Adresse der beklagten Eltern waren unter anderem am 28. Januar 2007 insgesamt 1.147 Audiodateien mit Musiktiteln aus dem Repertoire der Rechteinhaber unter Verwendung einer Filesharing-Software im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden.

Bei einer Durchsuchung der Wohnung der beklagten Eltern, die nun bis nach Karlsruhe durch die Instanzen gingen, war der PC ihres damals 13-jährigen Sohnes beschlagnahmt worden. Auf dessen Desktop befand sich neben dem Programmsymbol der Filesharing-Software "Bearshare" auch die Filesharing-Software "Morpheus". Der Teenager räumte die Filesharing-Aktivitäten bei einer polizeilichen Anhörung weitgehend ein. Dennoch gaben seine Eltern zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, lehnten die Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung der entstandenen Abmahnkosten aber ab.

Zu Recht, entschied nun der Bundesgerichtshof. Es reicht aus, wenn Eltern ihr normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre Erziehungsmaßnahmen respektiert,  über das Verbot belehren, Internettauschbörsen zu nutzen. Darüber hinausgehende Kontrollpflichten haben sie nicht, wenn sie keine Anhaltspunkte dafür haben, dass der Teenager über den Internetanschluss Rechtsverletzungen begeht (BGH, Urt. v. 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 – Morpheus)

BGH: Grundsatz ist das Vertrauen in die Kinder

Der I. Senat hat sich damit für das Vertrauen in die eigenen Kinder entschieden. "Es ist selbstverständlich, dass Kinder in diesem Alter über einen Computer verfügen und dass sie bei der Nutzung nicht ständig unter Aufsicht sind", sagte der Vorsitzende Joachim Bornkamm.

Eltern müssten ihre Kinder darüber belehren, dass der Tausch von Musik oder sonstigen geschützten Werken illegal sei. "Aber sie müssen ihren Kindern nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen und vermuten, dass sie trotzdem Rechtsverletzungen begehen", so Bornkamm bei der Urteilsverkündung am Donnerstag.

Das Landgericht (Urt. v. 30.03.2011, Az. 28 O 716/10) wie auch das Oberlandesgericht Köln (OLG, Urt. v. 23.03. 2012, Az. 6 U 67/11). hatten noch wesentlich strengere Anforderungen gestellt und die beklagten Eltern zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 Euro und der Abmahnkosten von weiteren 2.380,80 Euro auf der Basis eines Streitwerts von 100.000 Euro verurteilt.

Vorinstanzen: Eltern haften, wenn sie nicht kontrollieren

Die Kölner Richter hatten die elterliche Haftung für die Handlungen ihres dreizehnjährigen Sohnes mit der Begründung bejaht, dass diese ihre Aufsichtspflicht im Hinblick auf die Internetaktivitäten ihres Sohnes verletzt hätten. Sie seien zwar den an die Pflicht zu stellenden Anforderungen im Ausgangspunkt nachgekommen, hätten aber im Ergebnis nicht genug getan, um Rechtsverletzungen ihres Sohnes zu verhindern.

Die von den Eltern behauptete Firewall könne schon nicht sachgerecht aufgespielt worden sein, da ihr Sohn sie habe umgehen können, so dsa OLG in seiner Urteilsbegründung. Auch stichpunktartige monatliche Kontrollen des so genannten Internetverlaufsordners seien nicht ausreichend gewesen, da einzelne Seiten aus diesem Verlauf wieder hätten gelöscht werden können. Schließlich könne der Verlauf nur zeigen, welche Internetseiten zum Download der Tauschbörsen-Programme aufgesucht wurden.

Die auf dem Rechner installierten Programme hätten die Eltern auch über die Windows-Systemsteuerung kontrollieren können, die eine Übersicht über die auf dem Rechner vorhandene Software bietet. Schließlich hätten sie die Software schon auf dem Desktop des Rechners sehen und erkennen können.

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  • Seite 1:

    BGH: Eltern dürfen ihren Kindern trauen

  • Seite 2:

    Kinder außer Kontrolle und faktisch rechtlose Rechteinhaber

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Arno Lampmann und Andreas Biesterfeld-Kuhn, BGH lehnt Filesharing-Haftung von Eltern für ihre Kinder ab: . In: Legal Tribune Online, 16.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7570 (abgerufen am: 14.06.2025 )

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