Wie weit darf ein Fußball-Verein gehen, um sich von unliebsamen Teilen seiner Anhängerschaft zu distanzieren? Das hatten die Verantwortlichen des 1. FC Köln nach dem sog. Platzsturm von Mönchengladbach am vergangenen Wochenende zu klären - und ergriffen drastische Maßnahmen. Warum der Club den richtigen Weg gewählt hat, obwohl am Ende womöglich juristischer Ärger droht, erklärt Johannes Arnhold.
Der vor kurzem verstorbene Udo Lattek brachte es einst auf den Punkt, als er sagte: "Im Kölner Stadion ist immer so eine super Stimmung, da stört eigentlich nur die Mannschaft". Die FC-Fans sind für ihre ausgelassene Stimmung und die Treue zum Verein bekannt - und das, obwohl der Club ihnen das Fan-Leben in der jüngsten Vergangenheit nicht immer leicht gemacht hat. Auch in der aktuellen Saison wird zumindest bei Heimauftritten eher fußballerische Magerkost geboten. Und dennoch unterstützen die Kölner ihren "Effzeh" bedingungslos und überwiegend friedlich.
Doch auch in der Domstadt gibt es eine Reihe sogenannter Problemfans. Nach den Vorfällen am vergangenen Samstag hat der Verein nun seine ursprünglich liberale Haltung gegenüber diesem Teil der Anhängerschaft aufgeben. Anlass war der sog. Platzsturm einer rund dreißigköpfigen Gruppe, die offensichtlich der FC-Ultra-Gruppierung "Boyz" zugeordnet werden kann.
Diejenigen von ihnen, welche die staatlichen Ermittlungsbehörden identifizieren können, werden sich je nach individuellem Nachweis nun strafrechtlich verawntworten müssen: neben dem Abbrennens und Werfen von Pyrotechnik und dem Überschreiten der Absperrungen voraussichtlich auch wegen gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.
"Zeitpunkt der Milde überschritten": die Reaktionen des FC
Angesichts hoher zu erwartender Strafen durch den DFB erklärte Manager Jörg Schmadtke, dass auch von Vereinsseite aus "der Zeitpunkt der Milde überschritten" sei. Die Folgen: Umgehend wurde den "Boyz" der Status als Fan-Club entzogen, sämtlichen Mitgliedern der Gruppe wurden zudem die Kündigung der Vereins-Mitgliedschaft und ein unbefristetes lokales Stadionverbot angekündigt.
Erste örtliche Stadionverbote sind bereits erteilt worden. Empfänger waren nicht nur die Mitglieder der "Boyz" selbst; die Briefe gingen auch an solche Teile der Anhängerschaft, denen man vereinsseitig eine Nähe zur Ultra-Gruppierung nachsagt. Schon macht der Begriff der "Sippenhaft" die Runde.
Große Diskussionen löste auch die Veröffentlichung einiger Fotos auf der Vereinshomepage des Clubs aus. Auf den Bildern, die unter der Überschrift "Diese Leute schaden dem FC!" auf der Webseite zu sehen sind, sieht man die vermeintlichen Beteiligten des Platzsturms noch unmaskiert im Fanblock. Sie sind erkennbar, eine Identifizierung ist damit ohne weiteres möglich. Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen aus rechtlicher Sicht, muss man konstatieren, dass die Kölner sich hier wohl sehenden Auges auf rechtlich dünnes Eis begeben haben.
Vereinsausschluss schwierig
Rechtlich unproblematisch ist der Ausschluss der Ultra-Gruppierung der "Boyz" aus dem Fanverbund. Schwerer fällt da schon die Bewertung des Mitgliederausschlusses. Eine gesetzliche Rechtsgrundlage gibt es nicht. Ein Ausschluss dient Vereinen zur Sicherung der Einhaltung des Vereinszwecks und muss daher zwingend in der Satzung geregelt sein.
Auch die FC-Satzung enthält eine entsprechende Vorschrift in § 7 Abs. 3, welche es dem Vorstand ermöglicht, nach Anhörung des Mitgliederrats Mitglieder aus wichtigem Grund auszuschließen. Als nichtabschließende Regelbeispiele nennt die Satzung u.a. grobe Verstöße gegen ihre Regelungen und Grundsätze sowie ein für den Verein nicht mehr tragbares Verhalten von Mitgliedern innerhalb oder außerhalb des Vereins.
Dass diese Voraussetzungen generalklauselartig formuliert sind und ggfs. der Auslegung bedürfen, steht einer Sanktionierung nicht per se im Wege. Allerdings stellt sich schon die Frage, ob man jeden Fan, allein ausschließen kann, weil er im weißen Overall im Stadion war, obwohl man ihm ein darüber hinaus gehendes verwerfliches Verhalten nicht nachweisen kann.
2/2: Wer wen aus welchem Stadion ausschließen darf
Gleiches gilt für die örtlichen Stadionverbote. Gemäß § 4 Abs. 2 der Stadionverbotsrichtlinie des DFB steht es dem Hausrechtsinhaber zu, ein solches zu verhängen, sofern ein Verstoß gegen die Stadionordnung vorgelegen hat.
Das Problem dabei ist, dass der Hausrechtsinhaber bei dem Platzsturm beim Auswärtsspiel die Borussia Mönchengladbach. Und ein überörtliches Stadionverbot soll nach § 4 Abs. 3 insbesondere dann verhängt werden, wenn anlässlich einer Fußballveranstaltung ein Ermittlungs- oder sonstiges Verfahren nach staatlichem Strafrecht gegen eine Person eingeleitet worden ist.
Es dürfte aber schwierig werden, den Teil der weißgekleideten Anhängerschaft zu sanktionieren, dem weder ein Verstoß gegen die Stadionordnung noch ein strafrechtliches Vergehen nachzuweisen ist. Das gilt erst recht für Sympathisanten der Ultra-Gruppierung, die möglicherweise noch nicht mal im Stadion waren.
Bilder vom Platzsturm auf der Webseite: kann man das rechtfertigen?
Bleibt die Frage, ob die Veröffentlichung der Fotos auf der Vereinsseite des FC rechtlich zulässig ist. Der Club begründet seine Maßnahme mit dem Hinweis, dadurch zum einen die Täter ermitteln und - und das war besonders herausgestellt - auch bewusst dokumentieren zu wollen.
Die Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen von Borussia Mönchengladbach bzw. dem 1. FC Köln, welche - abhängig davon, ob es sich um eine Tages- oder eine Auswärtsdauerkarte handelt - regelmäßig eine Einwilligung in die unentgeltliche Verwendung von Bild—und Tonaufnahmen für eine Vielzahl von Medien beinhalten, helfen dabei nicht. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind immer an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden. Eine öffentliche Anprangerung des Fan-Verhaltens durch die Veröffentlichung der Bilder im Zusammenhang mit dem Platzsturm dürfte dieser kaum umfassen.
Eine Rechtfertigung bietet wohl aber das Kunsturhebergesetz (KUG). Zwar dürfen Bildnisse gemäß § 22 Abs. 1 nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG normiert als mögliche Ausnahme aber Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Bereits das Reichsgericht definierte, dass zur Zeitgeschichte alle Erscheinungen im Leben der Gegenwart gehören, die von der Öffentlichkeit "beachtet werden, bei (ihr) Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier weiter Kreise sind".
Dies dürfte mit Blick auf die mediale Tragweite der Ereignisse des letzten Wochenendes zu bejahen sein. Allerdings sind unter Geltung des abgestuften Schutzkonzepts des BGH zeitgeschichtliche Ereignisse, welche die Abbildung der an ihnen Beteiligten rechtfertigen, vom Informationswert der Berichterstattung her zu ermitteln. Schließlich müssen die betroffenen Rechtspositionen gegeneinander abgewogen werden.
Manchmal ist Recht nicht alles
Das macht eine Differenzierung nötig: Dient die Veröffentlichung lediglich der Identifizierung der abgebildeten Personen oder kommt ihr auch ein bestimmter Informationswert zu? Im ersten Fall sind die Hürden vergleichsweise hoch. Das zeigt sich bereits an § 131 Abs. 3 StPO, der selbst für eine Öffentlichkeitsfahndung durch staatliche Ermittlungsbehörden erhebliche Anforderungen stellt. Immerhin muss hierbei auch die strafrechtliche Unschuldsvermutung berücksichtigt werden.
Soll mit der Veröffentlichung jedoch auch ein Informationswert für die Allgemeinheit erzielt werden, kann man zumindest auf der Grundlage der Medienfreiheit argumentierten, deren Schutz sich wohl auch der 1. FC Köln durch das Betreiben verschiedener medialer Inhalte sicher sein kann.
Aber eine juristische Unsicherheit bleibt. Beim FC nimmt man diese wohl bewusst in Kauf. Und dieser Weg ist richtig. Immerhin setzt man so ein deutliches Zeichen gegen die unliebsamen Fans. Das ist umso sinnvoller, als deren Verhalten den Club auch wegen der noch immer unglücklichen und rechtlich zweifelhaften verschuldensunabhängigen Haftung der Vereine für das Verhalten ihrer Anhänger teuer zu stehen kommen wird.
Da Regressmöglichkeiten gegenüber den überführten Fans ebenfalls umstritten sind, dürfte das auch den Druck auf DFB und DFL erhöhen, diesen vermeintlichen Teufelskreis durch eine Regeländerung zu durchbrechen. Zumindest darf und sollte darüber diskutiert werden.
Der Autor Johannes Arnhold ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Sportrecht und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtswissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau sowie Lehrbeauftragter für Sportrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist Mitautor eines Lehrbuchs zum Sportrecht.
Johannes Arnhold, Der FC Köln nach dem Platzsturm: "Den Zeitpunkt der Milde überschritten" . In: Legal Tribune Online, 20.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14761/ (abgerufen am: 24.09.2023 )
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