Das soziale Netzwerk scheint einer seiner Lieblingsfeinde zu sein. Nun will der Datenschützer aus Schleswig-Holstein Thilo Weichert per Verfügung mit Zwangsgeldandrohung durchsetzen, dass Facebook den Nutzern seines Landes die Verwendung von Pseudonymen erlaubt. Ein untauglicher Versuch, der keine Rücksicht auf das Europarecht nimmt, meint Thomas Hoeren. Facebook werde vor Gericht obsiegen.
Eins muss man dem schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert lassen. Er lässt nicht locker. Er bringt seine Rechtsauffassungen immer wieder neu ins Spiel, zwingt Politik und Medien darüber zu diskutieren. Vor allem Facebook hat er auf dem Kieker.
Nachdem der Datenschützer lange gegen die "I like"-Buttons gewettert und zu Recht einen Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 13 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG) gewittert hatte, nahm sich Weichert nun die Klarnamenpflicht vor. Mit Verfügung vom 10. Dezember 2012 hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein die Facebook Inc. in den USA und die Facebook Ltd in Irland dazu verpflichtet, natürlichen Personen aus Schleswig-Holstein die Möglichkeit einzuräumen, das soziale Netzwerk auch unter einem Pseudonym zu nutzen.
Gegen diese förmlich mit internationalem Einschreiben zugstellte Verpflichtung hat Facebook Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht Schleswig beantragt, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Weichert ist nicht zuständig
Was zunächst einmal mutig wirkt, ist rechtlich nicht unproblematisch. Wieso sollte ein US-amerikanisches und ein irisches Unternehmen dem deutschen Datenschutzrecht unterliegen? Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist gar nicht erst anwendbar, wenn ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Staat in Deutschland personenbezogene Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BDSG).
Damit kann Weichert Facebook Irland nicht nach deutschem Recht in Anspruch nehmen. Zuständig sind vielmehr seine irischen Kollegen nach Maßgabe irischen Rechts. Mit den dortigen Behörden hat sich der deutsche Datenschützer schon in der Vergangenheit scharf angelegt. Schlampig würden sie Facebook kontrollieren, kritisierte Weichert öffentlich.
Wenngleich die Kritik zum Teil berechtigt ist, ändert dies doch nichts daran, dass die schleswig-holsteinische Datenschutzbehörde gegenüber irischen Unternehmen keine Kontrollrechte hat. Genauso wenig hat sie Weichert gegenüber Facebook USA. Das BDSG ist zwar anwendbar, wenn ein außereuropäisches Unternehmen personenbezogene Daten in Deutschland erhebt, verarbeitet oder nutzt. Nichts von alledem tut Facebook USA aber.
Impressumspflicht
Allenfalls ein kühner Winkelzug könnte Weicherts Kreuzzug juristisch stützen: Die Eingabe von Daten durch deutsche Nutzer müsste eine Datenerhebung in Deutschland sein. Doch auf diese These geht Weichert gar nicht ein. Er stellt die Anwendbarkeit des deutschen Datenschutzrechts vielmehr mit einem einfachen Satz fest und riskiert damit, dass seiner couragierten Initiative gleich zu Beginn die Luft ausgeht.
Wer sich unter einem Pseudonym bei dem sozialen Netzwerk anmeldet, kann außerdem sehr schnell mit anderen Vorschriften in Konflikt geraten, etwa mit der Impressumspflicht nach § 5 Abs. 1 TMG. Danach sind häufig auch natürliche Person verpflichtet, ihren realen Namen und ihre Anschrift mitzuteilen; ein Hinweis auf den allgemeinen Impressumsbutton von Facebook genügt dann nicht (Landgericht Aschaffenburg, Urt. v. 19.08.2011, Az. 2 HKO 54/11). Wie soll ein Nutzer aber seine Impressumspflicht erfüllen, wenn er gleichzeitig auf sein Recht verweisen würde, ein Pseudonym zu verwenden?
Recht auf Pseudonym ist deutscher Alleingang
Schließlich könnte Weicherts Initiative auch noch ein enormes europarechtliches Problem werden. § 13 Abs. 6 TMG ist ein deutscher Alleingang. Das europäische Datenschutzrecht kennt kein Recht auf Pseudonym. Facebook wird Weicherts Verfügung daher europarechtlich angreifen.
Das Vorgehen der schleswig-holsteinischen Datenschutzaufsicht wirkt letztlich wie ein untauglicher Versuch, die eigene Rechtsauffassung grenzüberschreitend durchzusetzen – ohne Rücksicht auf internationale und europarechtliche Vorgaben.
De facto ist die Klarnamenpflicht gar kein Problem. Viele Nutzer haben sich unter Pseudonym einen Facebook-Account zugelegt. Der Verfasser dieses Artikels zieht als bulgarische Schönheit durch die Welt des sozialen Netzwerks, ohne dass dies jemals beanstandet wurde.
Der Autor Prof. Dr. Thomas Hoeren ist Professor an der WWU Münster und Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Landeskompetenzzentrum).
Datenschützer kämpfen gegen Klarnamen: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7915 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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