Radio und TV auf dem Hotelzimmer sind heute Standard. Warum die Sendeunternehmen dafür von den Hotelbetreibern aber keine Gebühren verlangen können, erklären Nils Rauer und Eva Vonau anhand der aktuellen EuGH-Entscheidung.
Das Angebot von Fernsehen und Radio in Hotelzimmern hat in der Vergangenheit bereits des Öfteren zu Rechtsstreitigkeiten geführt. Dabei ging und geht es letzten Endes immer wieder um die Frage, ob der Hotelbetreiber Gebühren an die zuständige Verwertungsgesellschaft, in Deutschland etwa die GEMA, abführen muss, und wenn ja, in welcher Höhe dies erfolgen muss.
Mit der konkreten Frage, ob auch Sendeunternehmen einen Obolus verlangen können, wenn ein Hotel auf den Zimmern Radio und Fernsehen anbietet, durfte sich jüngst der Europäische Gerichtshof (EuGH) befassen. Nachdem Generalanwalt Szpunar seine Schlussanträge Ende Oktober 2016 unterbreitet hat, folgte am Donnerstag das Urteil der Luxemburger Richter (v. 16.02.2017, Az. C-641/15).
Preis für eine Übernachtung – Eintritt oder nicht?
Seinen Ausgang hat das Verfahren in Österreich genommen. Die dortige Verwertungsgesellschaft Rundfunk machte Auskunftsansprüche betreffend die Anzahl der Zimmer, in denen Gäste Radio und Fernsehen empfangen könnten, gegenüber einem Hotel im Skiort Großarl im Bundesland Salzburg geltend.
Das Hotel verweigerte die Auskunft unter Verweis auf eine Norm des österreichischen Urheberrechts. Die besagte Norm setzt im Nachbarland Deutschlands Art. 8 Abs. 3 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie 2006/115/EG um. Dort heißt es: "Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten." Findet die Wiedergabe also nicht an einem Ort statt, der gegen Eintrittsgeld zugänglich ist, besteht auch kein Anspruch.
Das Hotel argumentierte, dass der Preis, den ein Gast für sein Hotelzimmer zahlt, gerade kein "Eintrittsgeld" sei, welches sich auf die öffentliche Wiedergabe des Radio- oder Fernsehprogramms beziehe. Vielmehr handele es sich um die Gegenleistung für das Beherbergungspaket insgesamt.
Das mit dem Rechtsstreit befasste Handelsgericht Wien setzte schlussendlich das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, wie der Begriff "Eintrittsgeld" zu verstehen sei.
"Öffentliche Wiedergabe" muss gleich ausgelegt werden
Die Luxemburger Richter sehen in dem Preis, den der Gast für sein Hotelzimmer bezahlt, kein Eintrittsgeld im Sinne der Vermiet- und Verleih-Richtlinie. Sie folgen damit im Kern dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts vom Oktober 2016. Ausgangspunkt ist dabei zunächst der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe". Denn an diesem knüpft sich an, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk überhaupt genutzt wird. Erst wenn dies geklärt ist, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, wer gegebenenfalls Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die besagte Nutzung hat.
Unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung betont der Gerichtshof, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe einheitlich auszulegen ist und daher in Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 3 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie dasselbe bedeuten muss (vgl. Urt. v. 07.12.2006, Az. C-306/05 u. Urt. v. 15.03.2012, Az. C-162/10). Das Radio- und Fernsehangebot in Hotelzimmern ist danach als eine öffentliche Widergabe zu qualifizieren.
2/2: Für Sendeunternehmen gelten andere Regeln
Allerdings knüpft Art. 8 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie die Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern an andere Voraussetzungen als das Recht des Sendeunternehmens. Der EuGH spricht insofern von einer "Beschränkung", welche das Recht der Sendeunternehmen durch die Bezugnahme auf eine Wiedergabe "gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes" erfahren habe. Mit anderen Worten: Auch bei grundsätzlicher Bejahung einer öffentlichen Wiedergabe muss zwischen den einzelnen Rechteinhabern differenziert werden, was die Gewährung einer angemessenen Vergütung anbelangt.
Im Zuge der Auslegung, was unter einem Eintrittsgeld zu verstehen ist, greift der EuGH maßgeblich auf das Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961 ("Rom-Abkommen") zurück. Intention des Unionsgesetzgebers sei gewesen, sich mit der Vermiet- und Verleih-Richtlinie im Einklang mit den völkerrechtlichen Vorgaben des Rom-Abkommens zu bewegen.
Aus Art. 13 lit. d) dieses Abkommens leiten sodann die Richter – wie auch schon der Generalanwalt – ab, dass es sich um eine Zahlung handeln muss, die speziell als Gegenleistung für die öffentliche Wiedergabe verlangt wird. Dies sei bei einem für ein Hotelzimmer gezahlten Preis aber gerade nicht der Fall. Auch die Tatsache, dass das Radio- und Fernsehangebot auf dem Zimmer Teil der Gesamtleistung des Hotels sei, ändere hieran nichts.
Differenzierung bei Rechteinhabern noch zeitgemäß?
Es ist zunächst zu begrüßen, dass der EuGH nochmals die Einheitlichkeit des unionsrechtlichen Begriffs der öffentlichen Wiedergabe betont. Nur wenn dieselbe Wortwahl in unterschiedlichen Richtlinien auch dasselbe bedeutet, kann Rechtssicherheit entstehen.
Als misslich mag man hingegen bewerten, dass ein und dieselbe Nutzungshandlung zu unterschiedlichen Ergebnissen für die einzelnen Rechteinhaber führt. Dies ist jedoch nicht Folge der Entscheidung des EuGH, sondern der differenzierenden Formulierung des Art. 8 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie geschuldet. Hier sollte man überlegen, ob die abweichende Behandlung von Sendeunternehmen heutzutage noch sinnvoll ist.
Was die Ausführungen der Richter zur Definition des "Eintrittsgeldes" anbelangt, so verdienen diese durchaus Zustimmung. Das Radio- und Fernsehangebot auf dem Zimmer ist nicht Kern der mit dem Zimmerpreis vergüteten Beherbergungsleistung des Hotels.
In anderen Konstellationen mag dies aber weniger eindeutig sein. So wäre beispielsweise die musikalische Untermalung in einem Fitness-Kurs wohl anders zu bewerten. Dass es sich auch hier dem Grunde nach um eine gebührenpflichtige öffentliche Wiedergabe handelt, hat der EuGH unlängst bejaht (vgl. Urt. v. 31.05.2016, Rs. C-117/15). Die vorliegend entschiedene Konstellation kann damit nicht ungeprüft auf anders gelagerte Sachverhalte übertragen werden.
Dr. Nils Rauer, Rechtsanwalt und Partner bei Hogan Lovells, berät zu Fragen des digitalen Urheberrechts wie auch zum Wettbewerbsrecht.
Dr. Eva Vonau, Rechtsanwältin bei Hogan Lovells, berät im Urheber- und Verwertungsgesellschaftenrecht
Dr. Nils Rauer und Dr. Eva Vonau, EuGH zu TV und Radio in Hotelzimmern: Übernachtungspreis ist kein Eintrittsgeld . In: Legal Tribune Online, 16.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22125/ (abgerufen am: 31.05.2023 )
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