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GEMA erringt Teilsieg vor dem EuG: Weiterhin keine internationalen Musiklizenzen

von Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M.

15.04.2013

E-Gitarre

© KR MEDIA Productions - Fotolia.com

RTL wollte eine unionsweite Lizenz für eine Musiksendung im Rundfunk, scheiterte damit jedoch an der Verwertungsgesellschaft, die sich gemeinsam mit ihren europäischen Kollegen darüber verständigt hatte, Werke ihrer Mitglieder nur für eine Verwertung im Inland anzubieten. Die Kommission sah darin eine Wettbewerbsbeschränkung. Das EuG bestätigte diese Entscheidung nun, berichtet Ralf Kitzberger.

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Die Urheber von Musikwerken – also Komponisten und Texter – besitzen an ihren Werken ausschließliche Nutzungsrechte, das heißt sie können darüber bestimmen, wer und zu welchen Bedingungen diese verwerten darf. Um ihre Ansprüche besser durchzusetzen und kontrollieren zu können, haben sie teilweise ihre Nutzungsrechte Verwertungsgesellschaften – in Deutschland der GEMA – zur treuhänderischen Wahrnehmung eingeräumt.

Die Verwertungsgesellschaften erwerben die Rechte der Musikurheber entweder durch direkte vertragliche Vereinbarungen (Wahrnehmungsverträge) mit den Urhebern oder durch Übertragung seitens anderer Verwertungsgesellschaften, die die Rechte in einem anderen Staat treuhänderisch wahrnehmen und verwalten. Für letzteres wurde ein internationaler Dachverband gegründet, der bereits 1963 einen Mustervertrag für eine Gegenseitigkeitsvereinbarung zwischen seinen Mitgliedern erstellte.

Mit einer solchen Vereinbarung verpflichten sich die Verwertungsgesellschaften gegenseitig, einander ihr Repertoire zur Verwertung im jeweiligen Einzugsgebieten zur Verfügung zu stellen. Durch dieses Netz aus Gegenseitigkeitsvereinbarungen kann jede Verwertungsgesellschaft gewerblichen Nutzern – wie Rundfunkunternehmen oder Veranstaltern kultureller Ereignisse – ein globales Portfolio aus Musikwerken bieten; allerdings darf die Musik nur im Einzugsgebiet der jeweiligen Verwertungsgesellschaft genutzt werden.

Kommission reagierte auf Beschwerde von RTL

Bereits im Juli 2008 stufte die EU-Kommission u.a. auf eine Beschwerde von RTL hin diese Vereinbarung als wettbewerbswidrig ein, wobei sie nicht die Existenz der Gegenseitigkeitsvereinbarungen an sich in Frage stellte. RTL hatte sich darüber beschwert, keine unionsweite Lizenz für Musiksendungen im Rundfunk erhalten zu haben.

Der Kommission ging es dabei vor allem um zwei Klauseln: die Mitgliedschaftsklausel, die Urheber daran hindern, Mitglied bei der Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl zu werden; sowie die Ausschließlichkeitsklausel, nach der jeder Verwertungsgesellschaft in ihrem Land ein absoluter Gebietsschutz bei der Lizenzvergabe gegenüber anderen Verwertungsgesellschaften garantiert wird.

Die Kommission untersagte außerdem eine abgestimmte Verhaltensweise, die sie darin sah, dass jede Verwertungsgesellschaft in den Gegenseitigkeitsvereinbarungen das Recht, Lizenzen für ihr Repertoire zu vergeben, auf das Gebiet des Vertragspartners begrenzt, so dass jede Verwertungsgesellschaft gewerblichen Nutzern ein Portfolio aus Musikwerken anbieten kann, deren Verwertung jedoch auf das jeweilige Einzugsgebiet beschränkt ist. Verwertungsgesellschaften werden durch diese Vereinbarung daran gehindert, gewerblichen Nutzern außerhalb ihres Inlandsgebietes Lizenzen zu erteilen.

Absprache zwischen Verwertungsgesellschaften nicht belegt

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat nun diese Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt, soweit darin eine abgestimmte Verhaltensweise festgestellt wird, weil die Kommission den notwendigen Beweis dafür nicht erbracht habe (Urt. v. 12.04.2013, Az. T-410/08 u.a.).

Eine Absprache zwischen den Verwertungsgesellschaften über die territoriale Reichweite der einander übertragenen Mandate konnte nicht belegt werden. Darüber sei die Argumentation der Verwertungsgesellschaften plausibel, dass die Vorgehensweise nicht auf eine Absprache, sondern auf die Notwendigkeit zurückzuführen sei, wirksam gegen eine unerlaubte Nutzung von Musikwerken vorzugehen.

Das Gericht hat offensichtlich erkannt, dass nicht ohne weiteres von einer Absprache auszugehen ist und hat daher zu Recht den Klagen insoweit stattgegeben.

Der Autor Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M. ist Partner der Kanzlei Grub Frank Bahmann Schickhardt Englert in Ludwigsburg und Honorarprofessor an der Merz Akademie Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien in Stuttgart.

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Prof. Dr. Ralf Kitzberger, LL.M., GEMA erringt Teilsieg vor dem EuG: Weiterhin keine internationalen Musiklizenzen . In: Legal Tribune Online, 15.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8528/ (abgerufen am: 05.06.2023 )

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