Nach der Sommerpause befasst sich das Europäische Parlament mit dem Richtlinienvorschlag für die Societas Unius Personae. Ob die schon jetzt ertönenden Unkenrufe begründet sind, erläutert Carsten Laschet.
Bei grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten werfen kleinere Unternehmen angesichts bestehender bürokratischer Hürden bisher oft entnervt das Handtuch; nur zwei Prozent wagen den Schritt über die Grenze. Abhilfe verspricht die Societas Unius Personae (SUP). Leitgedanke der Idee ist es, Gründern kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu ermöglichen, überall in Europa schnell und kostengünstig mit einer Einpersonenkapitalgesellschaft aktiv zu werden. Die SUP kann dabei - eingesetzt als Konzernbaustein- den Aufbau eines europaweiten Netzes an Tochtergesellschaften ermöglichen.
Kernelement der SUP-Richtlinie ist die europaweite, formularmäßige Standardisierung der Gründung – was für grenzüberschreitende Gründer ein Wert an sich ist. Es sollen nur die in Art. 13 des Richtlinienentwurfs abschließend aufgezählten Angaben und Dokumente verlangt werden. Weiter müssen die Mitgliedstaaten eine Eintragung auf elektronischem Wege ermöglichen, die innerhalb von drei Arbeitstagen umgesetzt werden muss, ohne dass der Gründer vor einer Behörde im Eintragungsstaat erscheinen muss. Auch ein Notar ist nicht erforderlich.
Nationales Kleid mit europäischem Label
Einen ähnlichen Vorschlag gab es auf europäischer Ebene bereits im Jahr 2008. Damals ging um die Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE – sog. "Europa-GmbH"), die jedoch maßgeblich an Deutschlands Veto im Rat scheiterte. Das Nachfolgemodell ist nun die SUP.
Im Gegensatz zur SPE handelt es sich bei der SUP jedoch um keine suprannationale Rechtsform im Sinne einer Europa-GmbH oder der bereits existierenden europäischen Aktiengesellschaft Societa Europaea. Vielmehr ist es harmonisierter Subtyp der jeweiligen nationalen geschlossenen Kapitalgesellschaft; lediglich in Form von Einpersonengesellschaften. Die Idee ist, dass auf das nationale Rechtskleid der GmbH mit nur einem Gesellschafter das europäische Label SUP aufgenäht werden darf, wenn die in der Richtlinie vorgegebenen Standards erfüllt werden. Die neu geschaffenen Parameter betreffen dabei nur das Gründungs- und Haftungsregime, während das mitgliedstaatliche Recht im Übrigen unberührt bleibt.
Koalitionsvertrag sah Europa-GmbH vor
Schon im Koalitionsvertrag war die Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft im Sinne einer Europa-GmbH im Interesse mittelständischer Unternehmen vorgehen. Es muss daher hellhörig machen - und verwundert dennoch nicht-, wenn aus Deutschland nun lautstarke Bedenken gegen das Nachfolgemodell geäußert werden: So wurde kürzlich der Bundesjustizminister von Seiten der NRW-Landesregierung aufgefordert, das Vorhaben gänzlich zu Fall zu bringen. Die Begründung: Die SUP könne sich zu einer "Plattform für kriminelles Handeln" entwickeln. Der NRW-Finanzminister will die SUP gar als "Einfallstor für Steuerhinterzieher und Betrüger" sehen.
Es ist davon auszugehen, dass diese Töne seiner Parteifreunde bei Bundesjustizminister Heiko Maas Gehör finden werden. Dieser hatte zuvor den Richtlinienvorschlag nämlich als "völlig verkorkst" bezeichnet, weil die SUP im Wege der Aufspaltung von Satzungs- und Verwaltungssitz der Umgehung der deutschen Mitbestimmung Tür und Tor öffnen würde.
Weniger scharf, aber nicht minder bedenkenschwer stellt sich auch der Bundesrat dem SUP-Vorhaben entgegen: Nach seiner Auffassung sei keine Rechtsgrundlage in den Europäischen Verträgen für den Richtlinienvorschlag gegeben. Gegen die Regelungsvorschläge zur Online-Gründung einer SUP begegnet er mit "grundsätzlichen Bedenken". Bayerns Justizminister begrüßt die Ablehnung durch den Bundesrat. Es sei problematisch, dass die SUP dauerhaft ohne Mindestkapital agieren könne, zugleich aber die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Auch er sehe Identifikationsprobleme bei der Online-Gründung.
In der aktuellen Debatte unterbleibt jedoch der Hinweis, dass die Richtlinie herkömmliche Gründungen keinesfalls ausschließt. Überdies fehlt der Hinweis, dass der Weg über eine Online-Registrierung verschlossen bleibt, wenn eine Gründung mit Sacheinlagen erfolgt.
2/2: Zentrales Thema: Gründungen werden erleichtert
Von der Erleichterung von Unternehmensgründungen können gerade die von der Wirtschaftskrise am meisten betroffenen südeuropäischen Staaten profitieren. Sie haben bereits eigene Anstrengungen unternommen, um die Gründungskosten bei gleichzeitiger Erhöhung der Gründungsgeschwindigkeit zu senken. Damit soll den Bedürfnissen der KMU Rechnung getragen werden und (jungen) Existenzgründern der Einstieg ins Geschäftsleben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erleichtert werden. Als Pionier gilt die spanische "empresa 24 horas"; zahlreiche Mitgliedstaaten sind diesem Modell mit eigenen "Blitz"-Gesellschaften gefolgt. Das Beispiel Portugal belegt, dass durch vermehrte Unternehmensgründungen auch die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze erhöht werden konnte.
Angesichts des gezeichneten Zerrbildes der SUP als Hort krimineller Machenschaften ist ein differenzierter Blick gefragt: Es versteht sich von selbst, dass auch bei der Online-Registrierung die Zuverlässigkeit des Handelsregisters gewährleistet sein muss. Diese Bedenken sollten mit der vorgesehenen elektronischen Identifizierung überwindbar sein. Überdies wird bereits in mehr als zehn EU-Mitgliedstaaten die Online-Registrierung bereits jetzt erfolgreich praktiziert. Die Weltbank führt Neuseeland als Spitzenreiter bei Online-Registrierungen an; dort dauert eine Gesellschaftsgründung nur einen halben Tag. Warum Deutschland als führende Wirtschaftsnation mit der Digitalisierung nicht Schritt halten sollte, erschließt sich nicht.
Kapitalanforderung und Gesellschaftssitz
Entsprechend dem allgemeinen Trend der Aufweichung der Mindestkapitalanforderung, beträgt das Mindestkapital der SUP einen Euro, also wie bei der deutschen, haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG). Anders als bei UG ist bei der SUP keine Rücklagenbildung vorgesehen. Der zwingende Gläubigerschutz basiert bei der SUP auf einer Ausschüttungskontrolle. Dazu macht der SUP-Vorschlag Gewinnausschüttungen von einem kombinierten Bilanz- und Solvenztest abhängig. Der Vorschlag ergänzt das Prinzip der bilanziellen Kapitalerhaltung somit um eine zukunftsbezogene Komponente. Auch bei der deutschen GmbH gehört ein Solvenztest zum Pflichtenprogramm des Geschäftsführers § 64 Abs. 3 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG).
Der Vorschlag sieht ferner vor, dass sich der Satzungssitz sowie entweder Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der EU befinden muss. Daher kann sich Satzungs- und Verwaltungssitz in verschiedenen Mitgliedstaaten befinden. Unter Mobilitätsgesichtspunkten ist dies zu begrüßen. Im Grundsatz ist eine Entkopplung auch für deutsche Kapitalgesellschaften auf Grundlage der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) erfolgten Änderungen der §§ 4a GmbH, 5 Aktiengesetz möglich: Es ist möglich, deutsche Kapitalgesellschaften mit faktischem Verwaltungssitz im Ausland zu betreiben; einzig der Satzungssitz muss sich in Deutschland befinden. Dies entspricht schließlich dem Geist unternehmerischer Freiheit in Europa und ist durch den EuGH nahezu vorprogrammiert.
Phantomdebatte um die Mitbestimmung
Die deutsche Mitbestimmung ist von den Standards der Richtlinie nicht betroffen; im Richtlinienvorschlag wird sie mit keiner Silbe erwähnt. Im Grundsatz gilt vielmehr, dass die SUP hierzulande als Handelsgesellschaft und damit als Formkaufmann einzuordnen ist. Abhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer ist nach den Vorgaben des Drittelbeteiligungsgesetzes bzw. Mitbestimmungsgesetz ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden. Ohnehin sind die maßgeblichen Schwellenwerte von 2000 bzw. 500 Arbeitnehmern bei den Existenzgründern und KMU, die sich der Einpersonengesellschaft SUP bedienen sollen, völlig außer Reichweite.
Abwegig ist, dass ausgerechnet diese Zielgruppe die Mitbestimmung durch das theoretisch mögliche Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz umgeht, wo sie doch gar nicht von ihr betroffen ist. Im Übrigen gilt: Wer die Mitbestimmung vermeiden will, braucht dazu die SUP nicht. Denn schon jetzt kann aus einem EU/EWR-weiten Strauß an Rechtsformen gewählt werden. So kann geschützt von der Niederlassungsfreiheit im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels ein passender Mantel ohne Mitbestimmung umgelegt werden. Ganz zu schweigen von der Einsatzmöglichkeit einer Ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG im Inland.
Die aufkommende Diskussion Richtung Brüssel zeigt: Es kommen die Unkenrufe wieder, die auch die Einführung der europäischen AG begleitet haben. Die Befürchtungen haben sich weitestgehend nicht realisiert. Auch im Unternehmensrecht muss Europa irgendwann wissen, wo es steht. Der Showdown kann beginnen.
Carsten Laschet ist Partner in der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen und Lehrbeauftragter der Rheinischen Fachhochschule.
Carsten Laschet, Einpersonengesellschaft / Societas Unius Personae: Vom europäischen Geiste beseelt oder benebelt? . In: Legal Tribune Online, 22.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15625/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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