Die Deutsche Bahn ist erstinstanzlich einem ungewöhnlichen privaten Konkurrenten unterlegen. Das studentische Start-up-Unternehmen YourBus darf weiterhin günstige Busreisen auch parallel zu Bahnstrecken anbieten. Und der Gesetzgeber arbeitet schon an einer weiteren Öffnung des Marktes. Urs Kramer über die Niederlage eines Ex-Monopolisten, der selbst sein größter Konkurrent ist.
Der Streit, der erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt hat, ist einer der Art David gegen Goliath Drei ehemalige Studenten bieten im Internet unter der Adresse www.deinbus.de ein Portal an, unter dem sich Reisewillige für eine bestimmte Verbindung melden können. Finden sich genügend Interessierte für eine Tour, so wird ein Bus bestellt, der die Reisenden zu deutlich günstigeren Konditionen als der Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) AG befördert. So kostet beispielsweise die Fahrt in diesem Bus der "Mitfahrzentrale" auf der Strecke von Köln nach Frankfurt am Main 12,50 Euro statt 21 beziehungsweise sogar 32 Euro im IC oder ICE mit BahnCard 50. Bisher fanden die angebotenen Touren vor allem an Freitag- und Sonntagnachmittagen regelmäßig statt; zu Ausfällen kam es praktisch nie.
Das in Offenbach am Main ansässige Unternehmen verfügt dabei über eine Genehmigung des Landratsamtes Friedrichshafen für den so genannten Gelegenheitsverkehr nach §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 13 Abs. 1, 46 Personenbeförderungsgesetz (PBefG).
Die Fernverkehrstochter der DB, die an dem Genehmigungsverfahren nicht beteiligt worden war, sieht in dem Angebot wegen seiner Regelmäßigkeit jedoch einen nur unter strengeren Voraussetzungen der §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 PBefG genehmigungsfähigen Linienverkehr. Als eine Abmahnung nicht zum gewünschten Erfolg führte, erhob sie daher eine auf § 8 Abs. 1 des Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützte Klage und verlangte die künftige Unterlassung des wettbewerbswidrigen, weil ihrer Ansicht nach nicht genehmigungsfähigen Angebotes.
LG Frankfurt a.M.: Kein Wettbewerbsverstoß bei wirksamer Genehmigung
Die in der Sache zuständige 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main hat jedoch die Klage der DB AG nach langer und erfolglos verstrichener Frist für eine gütliche Einigung als unbegründet zurückgewiesen (Urt. v. 20.04.2011, Az. 3-11 O 83/10).
Die Frankfurter Richter sahen kein unlauteres, das heißt wettbewerbswidriges Verhalten der Unternehmer nach §§ 3, 4 UWG. Die Studenten verfügten über eine PBefG-Genehmigung, die nicht an einem offensichtlichen Mangel leide, also auch nicht nichtig sei.
Deren Rechtmäßigkeit im Einzelnen zu überprüfen, sei dagegen keine Aufgabe des für das Wettbewerbsrecht zuständigen Gerichts, so die Kammer für Handelssachen. So sei zwar möglicherweise eine nach § 14 PBefG nötige Anhörung der DB im Genehmigungsverfahren zu Unrecht unterblieben. Ein solcher Fehler sei aber ebenso wenig gravierend wie eine eventuell falsche "Einstufung" des konkreten Angebotes als bloßer Gelegenheitsverkehr.
Das Zivilgericht verweist dabei zur Begründung für seine nur zurückhaltende Prüfung auf eine seiner Kontrolle entzogene Ermessensentscheidung der Behörde nach § 2 Abs. 6 PBefG. Richtiger dürfte es aber sein, von keiner offensichtlich falschen Auslegung des Begriffs "Gelegenheitsverkehr" und der Subsumtion von "MeinBus.de" darunter durch die Behörde auszugehen, zumal diese rein verwaltungsrechtliche Frage mangels Wettbewerbsrelevanz im Sinn des UWG nicht vom "Wettbewerbsgericht" zu klären ist.
Weitere Konkurrenz droht: Gesetzgeber will den Wettbewerb ausweiten
Die DB äußerte sich zunächst nicht dazu, ob sie Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung der hessischen Richter einlegen wird. Sollte das Urteil des LG rechtskräftig werden und "MeinBus.de" deshalb seine Tätigkeit fortsetzen können, ist das Konkurrenzproblem für die Eisenbahn beileibe noch nicht ausgestanden.
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (v. 24.06.2010, Az.3 C 14.09) hat der Gesetzgeber nämlich angekündigt, das Verbot schienenparalleler Busfernverkehre aufheben zu wollen. Schon das oberste deutsche Verwaltungsgericht hatte, ebenfalls für die Strecke Köln – Frankfurt, entschieden, dass das Verbot von Bus-Linienverkehren bei ausreichender Verkehrsbedienung durch die Eisenbahn nicht eingreift, wenn der Fahrpreis für den Bus deutlich günstiger als der für den Zug ist. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP steht sogar, dass dieses Verbot komplett wegfallen soll. Derzeit wird an dem entsprechenden Gesetzentwurf gearbeitet.
Der größte Anbieter von Busfernverkehr in Deutschland ist übrigens der DB-Konzern. Dem Vernehmen nach werden dort schon zahlreiche Konkurrenzangebote zu den eigenen Zügen entworfen. Ob es allerdings letztlich dem Fahrgast, dem öffentlichen Verkehrsangebot und vor allem der Umwelt nützt, wenn Zug und Bus sich künftig vermehrt gegenseitig im Wettbewerb gegenübertreten, statt durch attraktive und aufeinander abgestimmte Angebote gemeinsam bisherige Autofahrer als Fahrgäste zu gewinnen, ist die große Frage.
Der Autor Prof. Dr. Urs Kramer ist Inhaber der Lehrprofessur für Öffentliches Recht an der Universität Passau. Er ist seit Jahren forschend und mit Veröffentlichungen im Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts und insbesondere des Eisenbahnrechts tätig.
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Urs Kramer, DeinBus siegt vor dem LG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3094 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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