Seinen Eltern ist man zum Unterhalt verpflichtet, doch derjenige an die eigene Ehefrau geht vor. Unverheiratete Paare können sich darauf jedoch nicht berufen; dabei bleibt es nach einer Entscheidung des BGH. Von Herbert Grziwotz.
Pflegebedürftige alte Menschen, deren Rente und Vermögen nicht zur Deckung der anfallenden Kosten ausreicht, benötigen Sozialhilfeleistungen – das Pflegegeld allein reicht selten aus. Diese Sozialleistungen sind gemäß § 11 Sozialgesetzbuch (SGB) XII jedoch nachrangig, Unterhaltsansprüche gegen gesetzlich unterhaltspflichtige Personen gehen vor. Verwandte in gerader Linie, also auch Eltern und Kinder, sind sich wechselseitig ein Leben lang zum Unterhalt verpflichtet, § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wird der Unterhaltsanspruch von den Eltern nicht geltend gemacht, geht er gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Rechtstreit wird deshalb regelmäßig nicht zwischen den Eltern und dem Kind, sondern zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Kind geführt.
So auch in einem Fall, über den der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch zu entscheiden hatte. Der Sozialhilfeträger verlangte von einem Mann ab Januar 2012 Elternunterhaltszahlungen für die Versorgung seines Vaters. Der Sohn selbst lebt mit seiner Partnerin und einem gemeinsamen Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft; außerdem leben auch zwei Kinder aus einer früheren Ehe seiner Partnerin bei ihnen. Da er bereits für diese Familie aufkomme, könne er nicht bzw. nur eingeschränkt auch noch Unterhaltszahlungen an seinen Vater leisten, so der Mann.
Wer mehr tut, als er muss, steht dumm da
Tatsächlich steht Eheleuten ein erhöhtes Selbstbehaltsrecht zu. Das gelte aber nicht für Personen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, erklärte der BGH, denn der Selbstbehalt diene ja gerade dazu, die vorrangigen Unterhaltspflichten gegenüber der eigenen Frau erfüllen zu können; diese bestünden bei nichtehelichen Beziehungen aber nicht im gleichen Ausmaß. Wer also "nur" aus einer moralischen Verpflichtung heraus mehr Unterhalt an seine Partnerin leistet, als er müsste, wird insoweit benachteiligt.
Zwar sind Partner einander stets zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, wenn der andere wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinsamen Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sein kann (§ 1615l Abs. 1 Satz 2 BGB). Neben diesem Anspruch bestehen in nichtehelichen Beziehungen aber keine weiteren gesetzlichen Unterhaltspflichten.
Dabei bleibt es auch nach der Entscheidung des BGH, was nichteheliche Paare als ungerecht empfinden könnten. Dies umso mehr, als beispielsweise im Sozialhilferecht (§ 20 Satz 1 SGB XII) Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden dürfen als Ehegatten. Auch im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft bei Hartz IV wird das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt durch eine Leistungskürzung berücksichtigt (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II). Werden im Hinblick auf das Zusammenleben in "wilder Ehe" die öffentlichen Mittel gekürzt, werden dafür bei der Einkommensteuer Unterhaltsleistungen, obwohl keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, als außergewöhnliche Belastung anerkannt (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG). Insofern ist der Lebensgefährte einer gesetzlich unterhaltspflichtigen Person zumindest im Einkommensteuerrecht gleichgestellt. Diese Wertung hätte man auch beim Elternunterhalt berücksichtigen können.
Ausweg über den Betreuungsunterhalt
Stattdessen kam der BGH dem Mann auf anderem Wege zur Hilfe: Denn die Leistung von Betreuungsunterhalt ist sehr wohl berücksichtigungsfähig. Die Vorinstanzen hatten angenommen, dass ein Anspruch der Partnerin auf Betreuungsunterhalt nicht mehr bestünde; für die Betreuung von Kindern, die älter als drei Jahre sind, besteht der Anspruch nur, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB). Das tue es aber im vorliegenden Fall, so der BGH: Es stünde den Partnern frei, ihre Situation so zu gestalten, dass der Mann arbeiten geht und seine Partnerin sich um die Kinder kümmert; sie hätten dies auch nicht bewusst nur deshalb so gewählt, um die Unterhaltspflicht des Mannes gegenüber seinem Vater zu umgehen.
Der Fall entspricht allerdings auch einem Trend: Rechtstreitigkeiten, in denen Kinder auf Elternunterhalt wegen Altersarmut ihrer Eltern in Anspruch genommen werden, kommen immer häufiger vor. Dies belegt auch die Beratungspraxis, wo im Rahmen der Vermögensübertragung auf die nächste Generation die Absicherung der Übergeber aus Angst vor einer etwaigen Sozialhilfebedürftigkeit oft unterbleibt. Hintergrund ist, dass es in Deutschland, anders als in anderen Ländern, offenbar nicht möglich ist, für den Normalverdiener bezahlbare Pflegeplätze zu schaffen. Dies ist allerdings ein Problem der Politik, die trotz des schon lange bekannten demographischen Wandels untätig geblieben ist.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Autor mehrerer Bücher zum nichtehelichen Zusammenleben.
Herbert Grziwotz, BGH zum Elternunterhalt: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18734 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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