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Pechsteins Klage: Ganz ein­fach: unzu­lässig wegen Schied­s­ein­rede

von Prof. Dr. Jens Adolphsen

07.06.2016

Pechstein auf dem Eis

CHRISTOF STACHE / AFP

Der BGH hat Claudia Pechsteins Klage als unzulässig abgewiesen, die Einrede der Schiedsvereinbarung steht ihr entgegen. Eine bittere Niederlage. Aber eine richtige Entscheidung, kommentiert Jens Adolphsen. 

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Claudia Pechstein verlangte von der International Skating Union (ISU) Schadensersatz, weil sie aus ihrer Sicht  zu Unrecht für zwei Jahre wegen Dopings gesperrt worden war. Bei den Weltmeisterschaften 2009 in Norwegen waren erhöhte Retikulozytenwerte nachgewiesen worden, die ISU verhängte allein auf dieser Grundlage gegen Pechstein eine zweijährige Sperre.

Pechstein rief daraufhin vorbehaltlos das internationale Sportschiedsgericht  Court of Arbitration for Sport (CAS) an und scheiterte dort. Zwei Verfahren vor dem schweizerischen Bundesgericht blieben erfolglos, der Schiedsspruch war damit rechtskräftig.

Aber die 44-Jährige gab nicht auf. Sie erhob Klage zum Landgericht (LG) München I und verlangte Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das LG wies im Jahr 2014 die Klage ab.

Eine kleine Sensation vor dem OLG München

Das Oberlandesgericht (OLG) München aber sorgte im vergangenen Jahr für eine kleine Sensation: Es erließ in der Berufung ein Teilurteil und war der Ansicht, dass die Klage der Sportlerin zulässig sei:  Die Schiedsvereinbarung verstoße gegen Kartellrecht und sei deshalb nichtig. 

Schon das OLG betonte aber, dass das Verlangen einer Schiedsvereinbarung durch den Ausrichter von internationalen Sportwettkämpfen nicht per se einen Missbrauch von Marktmacht darstelle. So verhindere die Gewährleistung einheitlicher Zuständigkeit und Verfahrensgestaltung, dass in gleichen Fällen unterschiedliche Entscheidungen ergehen.

Mit dem Verlangen einer Schiedsvereinbarung konkret zugunsten des Court of Arbitration for Sport (CAS) habe die ISU aber ihre Marktmacht gegenüber der Klägerin missbräuchlich ausgenutzt. Denn den Sportverbänden komme durch die einseitige Ausgestaltung der Schiedsrichterbestellung ein strukturelles Übergewicht bei der Zusammensetzung des konkreten Schiedsgerichts zu.

Der Bundesgerichtshof (BGH) ist dem zu Recht nicht gefolgt. Der Kartellsenat konnte keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung erblicken, die Einrede der Schiedsvereinbarung steht damit der Zulässigkeit von Pechsteins Klage entgegen (BGH, Urt. v. 07.06.2016, Az. KZR 6/15). 

BGH: Der CAS als echtes Schiedsgericht

"Der Internationale Sportgerichtshof CAS  ist ein echtes Schiedsgericht", begründete die Vorsitzende Bettina Limperg am Dienstagmorgen in Karlsruhe die Entscheidung des Kartellsenats. 

Vergleichbare Entscheidungen hatten schon schweizerische, aber u.a. auch australische Gerichte erlassen.

Trotzdem war in Deutschland gelegentlich das Gegenteil behauptet worden, z.T. aus prozesstaktischen Gründen, z.T. auch aus schlichter Unwissenheit. Diese Feststellung wird in der Zukunft wichtig werden, um vielen verunsicherten Athleten das Vertrauen in schiedsrichterliche Entscheidungszuständigkeit zurück zu geben.

Die ISU ist nach Ansicht des BGH zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben marktbeherrschend. Aber in ihrem Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, welche die ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, erkennt der Kartellsenat kein missbräuchliches Verhalten des Verbands.

Trotz der Liste für die Schiedsrichter-Auswahl

Der Einordnung als echtem,  unabhängigen Schiedsgericht steht nicht entgegen, dass Schiedsrichter vor dem CAS von einer dort geführten Liste ausgewählt werden müssen, die Beteiligten also ihren Schiedsrichter nicht frei wählen können. Aus dieser Liste wählen sowohl der jeweilige Sportverband, hier der ISU, als auch der betroffene Athlet je einen Schiedsrichter aus, den Vorsitzenden bestimmt der Präsident der Beschwerdekammer. Die Liste umfasst aktuell ca. 300 Personen und soll vor allem die Qualität der Schiedssprüche sichern.

Dem Kartellsenat reicht das – auch wenn eine so umfassende Liste dieses Ziel wohl kaum erreichen kann, weshalb in Deutschland das Deutsche Sportschiedsgericht gerade seine Verfahrensregeln geändert hat.D ie dortige Schiedsrichterliste ist seit dem 1. April 2016 ein reiner Vorschlag.

Auch die Zusammensetzung des Gremiums, das für die Aufstellung der Schiedsrichterliste verantwortlich ist, des International Council of Arbitration for Sport (ICAS), führt laut den BGH-Richtern nicht zu einer anderen Einschätzung. Die Sportverbände hätten gerade kein strukturelles Übergewicht bei der Besetzung des konkreten Schiedsgerichts.

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  • Seite 1:

    Der lange Weg der Claudia Pechstein

  • Seite 2:

    Eine Entscheidung für den globalen Sport

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Pechsteins Klage: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19575 (abgerufen am: 22.05.2025 )

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