Druckversion
Donnerstag, 6.11.2025, 08:32 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/alkoholverbote-in-bus-und-bahn-endstation-fuer-die-mobilen-party-meilen
Fenster schließen
Artikel drucken
5324

Alkoholverbote in Bus und Bahn: End­sta­tion für die mobilen Party-Meilen

von Ass. jur. Florian Albrecht, M. A.

23.01.2012

Alkohol in Bahn

© Annelie Salo

Nachdem Straßen und Plätze in vielen Gemeinden mittlerweile alkoholfreie Zonen sind, wird der Konsum von Hochprozentigem zunehmend auch im Nahverkehr unterbunden. Aktionen wie das jüngst via Facebook organisierte Gelage von 2.000 Fahrgästen in einer Münchener S-Bahn könnten so bald passé sein. Verfassungsrechtlich sind solche Verbote bedenklich, meint Florian Albrecht.

Anzeige

Nicht nur in Hamburg werden trinkfreudige S-Bahn-Fahrer seit kurzem kräftig zur Kasse gebeten. Auch die Nahverkehrsbetriebe vieler anderer Städte ahnden Verstöße gegen Alkoholverbote mehr und mehr mit empfindlichen Strafgeldern, die die Feierlaune ganz schnell beenden können. Rechtlich ergehen derartige Verbote regelmäßig auf Grundlage der einschlägigen Haus- und Nutzungsordnungen der Bahnhöfe oder der Beförderungsbedingungen der Betreibergesellschaften.

Auch wenn die Verkehrsunternehmen in der Regel privatrechtlich organisiert sind, und auch die Beförderungsverträge einen privatrechtlichen Charakter haben, bedeutet das nicht, dass die Grundrechte der betroffenen Personen vernachlässigbar sind. Jedenfalls Unternehmen mit staatlicher Beteiligung müssen berücksichtigen, dass sich die staatliche Gewalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) durch die Nutzung zivilrechtlicher Formen nicht von ihrer bestehenden Grundrechtsbindung lösen kann, wie sie nach Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz (GG) besteht. Die Karlsruher Richter sprechen hier davon, dass dem Staat die "Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht" wegen seiner "treuhänderischen Aufgabenwahrnehmung für die Bürger" sowie der bestehenden Rechenschaftspflicht verwehrt ist (Urt. v. 22.02.2011, Az. 1 BvR 699/96).

Bürger stehen unter unangemessenem Generalverdacht

Aus diesem Grund gilt für Alkoholverbote im ÖPNV zumindest bei der Beteiligung staatlicher Stellen an der jeweiligen Betreibergesellschaft der Maßstab der Verfassung. Danach beschränken solche Verbote zunächst einmal die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Fahrgäste und Bahnhofsbesucher. Denn im Bereich der Alkoholkonsumverbote müssen ganz andere Verhältnisse berücksichtigt werden, als dies etwa bei Rauchverboten der Fall ist. Trinken verursacht im Gegensatz zum Rauchen nämlich keine Gefahr für die Umwelt.

Irrelevant ist auch der von Befürwortern der Verbote angeführte Verweis, man bräuchte die Maßnahme zur Abwehr von Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit. Ein Einschreiten aus Sicherheitsaspekten ist nämlich nur dann erlaubt, wenn eine Verhaltensweise oder ein Zustand festgestellt werden kann, der nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schaden für Rechtsgüter Dritter nach sich zieht.

Gerade das verneinen die Oberverwaltungsgerichte in ihrer ständigen Rechtsprechung im Fall des Alkoholkonsums auf öffentlichen Straßen und Plätzen: Nicht das Trinken von Bier, Schnaps oder Wein an sich führt zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, sondern vielmehr weitere Handlungen der Konsumenten. Gegen diese könnte aber im Einzelfall vorgegangen werden, ohne dass gleich ein generelles Alkoholverbot erlassen werden müsste.

Die im Rahmen des Hausrechts oder der Beförderungsbedingungen ausgesprochenen Verbote im ÖPNV stellen den friedlichen Bürger unter einen unangemessenen Generalverdacht, der verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist. Bislang ist nämlich kein ein Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Verletzung fremder Rechtsgüter nachweisbar. Wäre dies der Fall, müsste nahezu jeder Konsument von alkoholischen Getränken auffällig werden. Die Erfahrungen der Praxis belegen das Gegenteil.

Steigerung gefühlter Sicherheit mit absurden Ergebnissen

Weiter geraten die Alkoholverbote mit dem Gleichheitsgrundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt. Mutet es doch reichlich seltsam an, dass der kostengünstige Verzehr mitgebrachter Spirituosen untersagt ist, deren Bezug im Bereich konzessionierter Flächen und Wirtshäuser aber gestattet wird. Die Art und Weise der Beschaffung des Rauschmittels entscheidet schließlich nicht über die Intensität der Rauschzustände.

Was Bus und Bahn angeht, so können Alkoholverbote im ÖPNV nicht verhindern, dass bereits betrunkene Fahrgäste zusteigen. Auch wenn man, wie nun manche Betreibergesellschaften verlauten lassen, "Normalbürger" und Personen, die lediglich ihr Feierabendbier trinken wollen, vom Adressatenkreis des Verbots ausnehmen will, ist dies offenbar nicht mit der Verfassung vereinbar: Eine solche "zielgruppenorientierte" Durchsetzung der Verbote ist ganz klar diskriminierend – wobei sich die Unternehmen relativ sicher sein können, dass von den betroffenen, meist jugendlichen oder am Rande der Gesellschaft zu verortenden Personen selten juristische Gegenwehr droht.

Schließlich berufen sich die Befürworter der Alkoholverbote noch auf eine angeblich messbare Steigerung des Sicherheitsgefühls der Fahrgäste. Mit rechtstaatlichen Erwägungen sind Eingriffe in Freiheitsrechte aber nur dann vereinbar, wenn sie aus objektiver Sicht zu einer Steigerung der Sicherheit beitragen. Die Alkoholverbote müssten folglich zu einem wissenschaftlich nachweisbaren Sicherheitsgewinn führen – was nicht der Fall ist.

Zudem ist eine Berufung auf das bloße Sicherheitsgefühl der Fahrgäste auch gefährlich: Mit einer solchen Argumentation könnten sich die Unternehmen letztendlich auch legitimieren lassen, soziale Randgruppen wie Obdachlose, Drogenabhängige und Punks oder auch einfach nur Hundebesitzer und dunkelhäutige Menschen von der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auszuschließen. Die Absurdität der Entwicklung liegt damit auf der Hand.

Um das Problem der mobilen Party-Meilen in den Griff zu bekommen, muss den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs klar werden, dass sich wirksame Konzepte im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch und dessen Folgen nicht auf Verbote erschöpfen dürfen. Wenn der Bereich der rechtspolitischen Stimmungsmache verlassen und Positives bewirkt werden soll, braucht man ein koordiniertes Vorgehen in Abstimmung mit Jugendverwaltung, Bildungseinrichtungen, Jugendorganisationen und Familien. Im Gegensatz zur Änderung einer Hausordnung ist das aber nicht zum Nulltarif zu haben.

Der Autor Florian Albrecht, M.A., ist Akademischer Rat a.Z. am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau. Er ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Landshut und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Florian Albrecht, Alkoholverbote in Bus und Bahn: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5324 (abgerufen am: 08.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Polizei- und Ordnungsrecht
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Alkohol
    • Bahn
Unternehmer Ole Wittmann präsentiert seine Liköre einem Kameramann 28.10.2025
Lebensmittel

LG Kiel: Likör ohne Ei darf auch so heißen:

"Weil es eben nicht Eier­likör ist"

Eierlikör enthält Ei, ein Likör ohne Ei nicht. Ein Spirituosen-Verband zog ein kleines Unternehmen vor Gericht – ohne Erfolg. Das LG Kiel ließ sich nicht davon überzeugen, dass eine “gedankliche Verbindung” zu Eierlikör hergestellt werde.

Artikel lesen
Beratungsstelle Blaues Kreuz in München 05.10.2025
Rechtsgeschichte

Zum Umgang der Religionen mit Alkohol:

Soziale Spal­tung passt ins kleinste Wirts­haus

Die Versäulung, das "verzuiling", der niederländischen Gesellschaft war lange legendär. In Deutschland ließ ausgerechnet der Kampf gegen den Alkohol alle edlen Menschen getrennt marschieren – seit 1885 unter anderem mit dem "Blauen Kreuz".

Artikel lesen
Plenum des Bundesrats, 1057. Sitzung 26.09.2025
Bundesrat

Beschlüsse des Bundesrats:

Deut­sch­landti­cket, Rauch­verbot und Son­der­ver­mögen

Über Stunden arbeiteten die Länder am Freitag eine beachtliche Tagesordnung ab. Das Ergebnis sind zahlreiche Beschlüsse – über den Bundeshaushalt, Änderungen im Grundgesetz und das Ende des begleiteten Trinkens.

Artikel lesen
Festival 'Jamel rockt den Förster' (2024) 13.08.2025
Versammlungen

OVG Mecklenburg-Vorpommern:

Alkohol beim Jamel-Fes­tival erlaubt

Das Demokratie-Festival "Jamel rockt den Förster" beschäftigt die Gerichte. Jetzt hat das OVG Greifswald entschieden: Der Alkoholkonsum bleibt erlaubt. In anderen Punkten konnte sich aber die Versammlungsbehörde durchsetzen. 

Artikel lesen
Jahr 2021: Manuela Schwesig (l, SPD), die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, steht mit den Organisatoren des Festivals, Horst Lohmeyer und Birgit Lohmeyer, beim Konzert "Jamel rockt den Förster" in dem kleinen Dorf Jamel bei Wismar. 08.08.2025
Versammlungen

OVG muss entscheiden:

Wird es Bier bei "Jamel rockt den Förster" geben?

Kann das Demokratiefestival "Jamel rockt den Förster" wie in den Vorjahren stattfinden? Vor dem VG Schwerin erzielten die Veranstalter jetzt einen Etappensieg. In welcher Form das Festival stattfinden darf, muss nun das OVG entscheiden.  

Artikel lesen
Bauarbeiter im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof im April 2025 05.08.2025
Stuttgart 21

VGH Baden-Württemberg:

Bahn muss Mehr­kosten von Stutt­gart 21 allein tragen

Über sechs Milliarden Euro mehr als geplant hat das vielfach kritisierte Verkehrsprojekt "Stuttgart 21" gekostet. Auf diesen Mehrkosten bleibt die Deutsche Bahn nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs des Bundeslandes wohl sitzen.

Artikel lesen
lto karriere logo

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Herbert Smith Freehills Kramer LLP
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Cor­po­ra­te/M&A mit dem Schwer­punkt ESG...

Herbert Smith Freehills Kramer LLP , Frank­furt am Main

Logo von Bird & Bird LLP
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht (Ver­ga­be­recht)

Bird & Bird LLP , Mün­chen

Logo von ENERTRAG SE
Rechts­re­fe­ren­dar (m/w/d) - Ber­lin/Dau­er­thal

ENERTRAG SE , Ber­lin

Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Logo von Deutscher Landkreistag
Voll­ju­rist/in (m/w/d)

Deutscher Landkreistag , Ber­lin

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Dentons
Re­fe­ren­dar (m/w/d) Li­ti­ga­ti­on & Dis­pu­te Re­so­lu­ti­on

Dentons , Frank­furt am Main

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Wirt­schafts­ver­wal­tungs­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH