Druckversion
Dienstag, 13.05.2025, 21:46 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/feuilleton/f/rechtsgeschichte-usa-inseln-guano-island-acts
Fenster schließen
Artikel drucken
16615

Guano-Gesetz von 1856: So ein Mist…

von Martin Rath

16.08.2015

Guano auf den Chincha-Inseln, Peru. 21. Februar 1863

Bild: commons.wikimedia.org (CC BY-SA 3.0)

Vor 150 Jahren galt das besondere Interesse der USA den Vogelmist-Inseln. Martin Rath hat ein heute noch geltendes Gesetz entdeckt, das die wirtschaftliche Ausbeutung dieser Gebiete legitimiert. Doch warum schürften Kot-Sucher damals im Dreck?

Anzeige

Das beeindruckende Naturschauspiel, das den USA Anlass bot, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Bürger weltweit auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, lässt sich hierzulande vielerorts beobachten. Insbesondere in den Bahnhöfen und unter Eisenbahnbrücken lockern zig Abertausende von Tauben täglich mehrfach den Schließmuskel, um alle zugänglichen und weniger gut zugänglichen Flächen mit einer dicken Schicht weißlicher Exkremente zu bedecken. Meist wird daraus sogar dann kein Rechtsproblem gemacht, wenn das menschliche Transportgut der Deutsche Bahn AG betroffen ist.

Vorbildliche Aufmerksamkeit für die Hinterlassenschaften von allerlei Federvieh findet sich allerdings an den Gestaden der Rechtsgeschichte: Mit dem "Guano Islands Act" vom 18. August 1856 bekundete der US-Gesetzgeber sein Interesse, dass Flächen, die hinreichend mit Vogelmist bedeckt sind, jedenfalls zeitweise ins Herrschaftsgebiet der USA aufgenommen werden.

Die USA als vorläufige Schutzmacht der Vogelmistschürfer

Die Vorschriften des "Guano Island Acts" von 1856 sind bis heute geltendes Recht der USA. Das rechtliche Interesse am gut abgebundenen Vogelkot äußerte der US-Gesetzgeber naturgemäß nicht ganz vorbehaltlos, gleichwohl großzügig: Wann immer ein Bürger der Vereinigen Staaten eine Ablagerung von Guano auf einer Insel fände – das Gesetz spricht mit der fürs Rechtsenglische typischen Redundanz von "any island, rock, or key" – solle das maritime Stück Land nach dem Ermessen des Präsidenten für die USA in Beschlag genommen werden, sofern es noch nicht unter der Herrschaft eines fremden Staates stehe beziehungsweise von Bürgern eines anderen Staates beansprucht werde.

Neben diesen Voraussetzungen zur Landnahme auf besagten Inseln sah das Gesetz einige Verfahrensvorschriften vor, die dem Geschäftsgebaren der Zielgruppe entsprachen:

US-amerikanische Walfänger fanden damals insbesondere im Pazifik immer wieder Inseln, deren Vogelmistablagerungen wirtschaftlich bemerkenswert erschienen. Den tapferen Seefahrern und Walabschlachtern wurde angeboten, ihr Interesse samt Lagebeschreibung und eidesstattlicher Versicherung zur Entdeckung und zu den mutmaßlichen Herrschafts- und Besitzverhältnissen beim US-Innen-/Außenministerium ("Department of State") anheischig zu machen. Das Gesetz erwähnt des Öfteren auch den Rechtsstatus von Walfängerwitwen. Mitunter schlug damals noch manche Flosse dazwischen, bevor der Seemann sich beim Ministerium melden konnte.

Guano ist nicht für alle da

Weitere Vorschriften des Gesetzes zielen darauf ab, dass der wertvolle Guano vorrangig in den USA feilzubieten sei. Die Preise wurden, gleichsam als Austausch für das staatliche Privileg, unter hoheitlichem Schutz im Vogelmist zu wühlen, zudem staatlich reguliert. Noch heute findet sich im Gesetz die verbindliche Preisempfehlung von acht US-Dollar je Tonne guten Guanos. Des Weiteren legte das Guano-Gesetz fest, dass die auf den Inseln arbeitenden Menschen dem US-Strafrecht analog zu Seeleuten auf Schiffen zu unterwerfen sind.

Rund 100 Inseln wurden nach dem Gesetz beansprucht, circa 50 gerieten zu US-Hoheitsgebiet, darunter beispielsweise der aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bekannte Midway-Atoll. In einzelnen Fällen verzichtete man, wenn die wahrhaft überlegene Seemacht ihr Interesse bekundete. So ist beispielsweise eine der Vogelmist-Inseln zwar nach der berühmten US-Walfängerfamilie Starbuck benannt, wurde dann aber doch britisch.

Obwohl die Schlussvorschrift des "Guano Islands Act" vorgibt, dass die US-Herrschaft auch nach dem Ende des Guano-Abbaus nicht zwingend fortgelten müsse, das Gesetz eigentlich nicht in diesem Sinne verstanden werden solle, sind etliche der Inseln – oft menschenfeindliche Landflecken ohne Trinkwasser – bis heute Hoheitsgebiet der ehemals im Vogelexkrement schürfenden Nation geblieben.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Kotreiche Inseln wurden zu US-Gebiet

  • Seite 2:

    Guano als Sprengstoff und Düngemittel

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, Guano-Gesetz von 1856: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16615 (abgerufen am: 13.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Rechtsgeschichte
    • USA
Museum Berlin-Karlshorst 08.05.2025
Rechtsgeschichte

Der 8. Mai 1945:

Bedin­gungs­lose Kapi­tu­la­tion und Unter­gang des Deut­schen Rei­ches?

Über die Bedeutung des 8. Mai 1945 ist in Deutschland viel gestritten worden: Befreiung oder Niederlage? Auch die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit diskutierte. Sebastian Felz erinnert an die Positionen von Hans Kelsen und Günter Dürig.

Artikel lesen
Die Statue verkörpert Gerechtigkeit mit Schwert und Waage, symbolisiert das Streben nach Gleichbehandlung vor Gericht und im Rechtsstaat. 06.05.2025
Nachrichten

Studie der Arag zum Vertrauen in den Rechtsstaat:

Hälfte der Deut­schen glaubt an Gleich­be­hand­lung vor Gericht

Wie viel Vertrauen bringen Menschen ihrer Justiz und ihrem Rechtsstaat entgegen? Dieser Frage ist der Rechtsschutzversicherer Arag in einer internationalen Studie nachgegangen. Bei der Effizienz der Gerichte sind die Deutschen skeptisch.

Artikel lesen
Albert Kesselring (1953) 01.05.2025
Rechtsgeschichte

Protest gegen den "Stahlhelm" in Betriebsversammlung:

Legitime Ein­mi­schung oder Störung des Betriebs­frie­dens?

Am 4. Mai 1955 bestätigte das Bundesarbeitsgericht den Ausschluss von drei Betriebsratsmitgliedern einer Bremer Werft. Vorgeworfen wurde ihnen, durch eine politische Resolution unzulässig Unruhe in den Betrieb getragen zu haben.

Artikel lesen
Donald Trump signiert eine Executive Order (Symbolbild) 28.04.2025
USA

Trump vs. Big Law:

Plötz­lich Gegen­wehr statt Deals?

US-Präsident Trump hat mit großen Kanzleien umstrittene Deals abgeschlossen. Einige haben sich eingelassen, aber es gibt auch Widerstand. Rückendeckung kommt derweil von Gerichten. Und nun haben sich auch zwei Kongress-Mitglieder eingeschaltet.

Artikel lesen
Polizisten eskortieren Do Kwon in Montenegro 21.04.2025
Kryptowährungen

Der Krypto-König Do Kwon:

Ein Aus­lie­fe­rungs­thriller auf dem Balkan

Als Terraform Labs zusammenbrach, bebte die Welt der Kryptowährungen: 45 Milliarden Dollar einfach weg. Die Ereignisse um das Start-up und seinen Gründer Do Kwon wären Futter für einen Wirtschaftskrimi, zeigt Sebastian Brill.

Artikel lesen
Gedenktafel an die Opfer, die aus religiösen Gründen in das KZ Buchenwald kamen 20.04.2025
Rechtsgeschichte

Verfolgung der Zeugen Jehovas durch das NS-Regime:

Wenn es nach der Hin­rich­tung auf ein "nur" ankommt

Im öffentlichen Ansehen rangieren sie heute harmlos in der Nähe von Freikirchen oder Scientology. Von der NS-Justiz wurden die Zeugen Jehovas scharf verfolgt, eine Entschädigung nach dem Krieg hing oft an einem seidenen Argumentationsfaden.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Hogan Lovells International LLP
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (w/m/d) Li­ti­ga­ti­on

Hogan Lovells International LLP , Ber­lin

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Ar­beits­recht | Mün­chen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Mün­chen

Logo von Bird & Bird LLP
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Com­mer­cial Con­tracts/Dis­pu­te...

Bird & Bird LLP , Ham­burg

Logo von VirchowBund
Ver­bands­ju­rist / Ver­bands­ju­ris­tin (m/w/d)

VirchowBund , Ber­lin

Logo von Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum
Re­fe­rats­lei­tung (w/m/d) für das Re­fe­rat III 7 „Bör­sen­auf­sich­t“

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum , Wies­ba­den

Logo von Hogan Lovells International LLP
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (w/m/d) Li­ti­ga­ti­on

Hogan Lovells International LLP , Mün­chen

Logo von Hengeler Mueller
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) im Be­reich In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie­recht und Le­gal...

Hengeler Mueller , Mün­chen

Logo von LAFP NRW (Polizei)
Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Köln

22.05.2025, Köln

Rechnungslegung in der Non-Profit-Organisation

20.05.2025

Online Info Session Jurastudium (LL.B., EjP)

21.05.2025

25. Düsseldorfer Insolvenztage 2025

22.05.2025, Düsseldorf

Nivalion Legal Finance Summit 2025

22.05.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH