Druckversion
Freitag, 7.11.2025, 14:34 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/feuilleton/f/rechtsgeschichte-judicial-committee-of-the-privy-council-british-empire
Fenster schließen
Artikel drucken
10138

Judicial Committee of the Privy Council: Verschwundener Glanz eines Imperialgerichts

von Martin Rath

24.11.2013

Flagge des British Empire

© Tony Baggett - Fotolia.com

In diesem Herbst wurde das "Judicial Comittee of the Privy Council" 180 Jahre alt, ein Gericht, das in den Hochzeiten des britischen Imperiums die letzte Instanz in allen überseeischen Gebieten war. Eine ähnliche Entscheidungsgewalt in der Fläche wie im juristischen Detail hat bis heute vielleicht kein anderes Gericht erhalten.

Anzeige

Ausgerechnet Richard Haldane (1856-1928), ein liberaler Anwalt, Lord und Politiker von eher linker Gesinnung, erzählte eine "Missionar-im-Kochtopf"-Geschichte von einem Reisenden, der im hinterwäldlerischen Teil Britisch-Indiens auf einen Stamm getroffen sei, der einem unbekannten Gott Dankesopfer darbrachte. Auf die Frage, was das für eine Gottheit sei, antworteten die Eingeborenen: "Wir wissen es nicht, außer dass es ein sehr mächtiger Gott ist, denn er griff in unsere Auseinandersetzung mit der indischen Regierung ein und gab uns unser Land zurück, das uns die Regierung genommen hatte. Und was wir sonst von ihm wissen ist, dass der Name des Gottes 'Judicial Committee of the Privy Council' lautet."

In seiner Funktion als Lordkanzler war Haldane selbst Mitglied dieses Komitees, was der etwas chauvinistischen Anekdote auch noch den Beigeschmack der Selbstbeweihräucherung gibt.

"Letzte Instanz" für "indische Götter und afrikanische Häuptlinge"

Zwischen seiner Gründung 1833 und dem Ende des britischen Weltreichs nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Judicial Committee of the Privy Council (JCPC) eine Kompetenz, die durchaus heute noch Eindruck macht.

Jedem Angehörigen des britischen Weltreichs, so die stolze Formel, stehe das Recht zu, sich gegen ein Urteil der örtlich zuständigen Gerichtsbarkeit mittels Appellation an die Königin oder den König "in Council" zu wenden, abgesehen nur von den Untertanen im Mutterland, für die im Wesentlichen die Law-Lords des Oberhauses die "letzte Instanz" bildeten.

Durch königlichen Erlass von 1865 wurde außerdem etwa ein Supreme Court for China mit regulärem Sitz in Shanghai etabliert, in dessen Zuständigkeit Rechtssachen britischer Staatsangehöriger im chinesischen Kaiserreich fielen. Über dem Supreme Court for China fungierte das JCPC als Appellationsgericht.

In seinem juristischen Fachbuch "The Practice of The Privy Council in Judcial Matters", das man heute wie einen Rudyard-Kipling-Roman lesen kann, bekennt Norman Bentwitch (1883-1971) stolz, dass es die Appellationsmacht in jedem Winkel des britischen Reichs etabliert habe und berufen sei "jedes denkbare Rechtssystem" zu handhaben. Es sei einzigartig "in der Bandbreite seiner Prozessparteien, zu denen nicht nur Untertanen aus jedem Teil des Imperiums zählen, sondern auch indische Götter, afrikanische Häuptlinge und Prinzen aus Vasallenstaaten".

Appellationsinstanz für ein Weltreich

Bentwitch freute sich, dass aus dem feudalen Institut für prozessuale Sonderprobleme der einst normannischen Kanalinseln die Appellationsinstanz für das britische Weltreich geworden war. Und er sah, zwei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg optimistisch, in einem "föderal organisierten Imperium" große Aufgaben für die Zukunft der juristischen Privy-Council-Abteilung.

Tatsächlich zeichnet sich ein buntscheckiges Bild ab, das dem romantisch-optimistischen Zukunftsglauben Nahrung bot. Wenn sich beispielsweise zwischen dem 4. März und dem 7. April 1897 Sri Raja Viravara Thodhramal Rajya Lakhsmi Devi Garu mit Sri Raja Viravara Thodhramal Surya Narayana Dahtrazu Bahadur Garu vor dem JPC zu London darüber stritt, wem das Recht an einem hindurechtlichen Vermögensgegenstand namens "Zemindari" zustehe (offenbar eine Art Steuerpachtinstitut, das einem gemeinsamen Vorfahren 1803 von der Familie zugewiesen worden war), lässt sich eine internationalere Legitimation durch Verfahren kaum vorstellen.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Einer Gottheit gleich

  • Seite 2:

    Integrative Wirkung

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, Judicial Committee of the Privy Council: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10138 (abgerufen am: 09.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Gerichte
    • Rechtsgeschichte
Schuhe binden 09.11.2025
Rechtsgeschichte

Rechtsgeschichte:

Der Schnür­senkel vor Gericht

Wer früher Schnürsenkel verkaufen musste, war nicht sehr angesehen und zählte zur Unterschicht. Doch nicht einmal Schnürsenkel sind so unwichtig, dass sie nicht die Aufmerksamkeit der Justiz fänden – national wie international.

Artikel lesen
Reichsbanner-Veranstaltung 1929 02.11.2025
Rechtsgeschichte

Das "Reichsbanner":

Vom Wehr­ver­band zum Muse­ums­ve­rein

Der Name "Reichsbanner" wirkt heute etwas obskur, doch gehörten diesem stärksten Wehrverband der 1920er Jahre viele wichtige Köpfe der jungen Bundesrepublik an. Nach 1945 ging es um "Wiedergutmachung" und die Furcht vor neuer Polarisierung.

Artikel lesen
Kartoffeln werden aus der Erde geholt 12.10.2025
Lebensmittel

Rechtsgeschichte:

Was die Kar­toffel mit Jura zu tun hat

"Die Kartoffel hat dem deutschen Volke von jeher über schwierige Zeiten hinweggeholfen": Wer es gesagt hat, wie es gemeint war und warum die Knolle oft vor Gericht gelandet ist, erklärt Martin Rath. Dumme Bauern sind dabei auch ein Thema.

Artikel lesen
Der multimedial ausgestattete Commercial Court am OLG NRW 06.10.2025
Justiz

Internationalisierung der Justiz:

Die Gerichts­sprache ist deutsch – oder doch nicht?

Trotz Bedarfs auch an Amtsgerichten werden Gesetzesvorhaben zur Internationalisierung der Justiz stets auf höhere Instanzen beschränkt. Doch auch die untere Instanz hat schon viele Möglichkeiten, meint Maximilian von Möllendorff.

Artikel lesen
Beratungsstelle Blaues Kreuz in München 05.10.2025
Rechtsgeschichte

Zum Umgang der Religionen mit Alkohol:

Soziale Spal­tung passt ins kleinste Wirts­haus

Die Versäulung, das "verzuiling", der niederländischen Gesellschaft war lange legendär. In Deutschland ließ ausgerechnet der Kampf gegen den Alkohol alle edlen Menschen getrennt marschieren – seit 1885 unter anderem mit dem "Blauen Kreuz".

Artikel lesen
Helmut-Kohl-Ufer in Speyer 03.10.2025
Deutsche Einheit

Zum Tag der Einheit:

Helmut Kohl, ein Idol, ein Idol

Acht Jahre nach seinem Tod wird vielerorts gestritten, ob und wie der frühere Bundeskanzler zu ehren sei. Juristen könnten sich dank des schönen Kürzels "BKHKohlStErrGArtG" aber an ein besonderes Staatskunstwerk Kohls erinnert fühlen.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Straf­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Rechts­an­walt (m/w/d) Er­b­recht und Nach­lass­ver­wal­tung

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ber­lin

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) für Ar­beits­recht Schwer­punkt be­trieb­li­che...

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Mün­chen

Logo von Deutscher Landkreistag
Voll­ju­rist/in (m/w/d)

Deutscher Landkreistag , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Bau­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB
Rechts­an­wäl­tin­nen / Rechts­an­wäl­te (m/w/d) mit Schwer­punkt IT-Recht oder...

HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB , Ber­lin

Logo von Latham & Watkins LLP
Rechts­an­wält*in­nen Kar­tell- und In­ves­ti­ti­ons­kon­troll­recht (m/w/d)

Latham & Watkins LLP , Frank­furt am Main

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­­te (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te / Ven­tu­re Ca­pi­tal –...

CMS Deutschland , Ber­lin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH