Vergangene Woche kassierte der BGH den Ausschluss der Tierhaltung in Formularmietverträgen. Die juristischen Blogs jubelten, als hätte das Verfassungsgericht mal wieder ein neues Grundrecht erfunden. Dabei sind Hund und Katze der deutschen Justiz schon seit Längerem ein Herzensanliegen. Vor allem die Berliner Justizbehörden sollten dem Haustier nun endlich ein Denkmal setzen, meint Martin Rath.
Adler, Löwen, Bären oder auch ein Gaul, der gewiss ein Polizeipferd ist, – überall ziert imperiales Viehzeug die Landeswappen und damit auch die Insignien der Justizbehörden. Ist das eigentlich noch zeitgemäß? Sollten sich dereinst die Heraldiker aufmachen, einem demokratisch korrekteren Tier aufs Wappen der Justiz zu verhelfen, käme wohl ein schmerbäuchiger Dackel in Betracht. Eines dieser übergewichtigen Tiere, die von sentimentalen, aber unbarmherzigen Frau- oder Herrchen durch die Nachbarschaft gezerrt werden.
Das hätten sich Hund – und vielleicht auch Katze – nicht allein deshalb verdient, weil ihre Haltung segensreichen Einfluss auf das Honorarwesen der deutschen Anwaltschaft hat. Es wurde ja doch sehr oft über die Frage gestritten, ob es Vermietern erlaubt sei, ihren Vertragspartnern die tierischen Lebensgefährten von Rechts wegen aus der Wohnung zu holen.
Nein, vor bald 60 Jahren verkörperte ein Hund den Widerstandswillen der deutschen Justiz, sich vom Totalitarismus nicht bei der Arbeit stören zu lassen. Aber bleiben wir erst einmal etwas seriös. Auf den Hund kommen wir gleich.
Cockerspaniel in der bayerischen Rechtsgeschichte
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20. März 2013 (Az. VIII ZR 168/12) die Formularklausel, die die Haltung von Hunden und Katzen in Mietwohnungen generell untersagt, aus den Mietverträgen verbannt. Die Klausel benachteilige Mieter nämlich unangemessen und verletze "wesentliche Grundgedanken der in § 535 Abs. 1 BGB geregelten Gebrauchsgewährleistungspflicht des Vermieters", so die bisher vorliegende Exegese des Urteils durch die Presseerklärung des BGH.
Das sah man in den ersten Jahrzehnten der Republik durchaus anders.
In seiner Entscheidung vom 11. März 1949 (Az. Vf. 68-VI-48) setzte sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof beispielsweise mit der Beschwerde eines Ehepaars auseinander, dem im Jahr 1947 ein "Spaniel-Hund" zugelaufen war: "Im Mietvertrag v. 24. 8. 1943 ist vereinbart, daß Hunde, Katzen und andere Tiere nur mit jederzeit widerruflicher Genehmigung des Vermieters gehalten werden dürfen. Eine solche Genehmigung wurde den Mietern nicht erteilt."
Das Amtsgericht hatte im Sinn des Vermieters entschieden und den Eheleuten aufgegeben, den "gehaltenen Hund zu entfernen und bei Meidung einer Geldstrafe in unbeschränkter Höhe oder Haftstrafe bis zu 6 Monaten das Halten eines Hundes in dieser Wohnung künftig zu unterlassen".
Dagegen wehrten sich die Spaniel-Besitzer mit einer Landesverfassungsbeschwerde, die unter anderem rügte, dass das Amtsgericht dem willkürlichen Verhalten des Vermieters – einer nach § 226 BGB verbotenen Schikane – den Segen der Staatsgewalt verliehen habe.
Der Verfassungsgerichtshof stellte allerdings fest, dass die Verfassung des Freistaats "für den Bereich des bürgerlichen Rechts keine über den Rahmen der §§ 226 und 242 BGB hinausgehenden Ansprüche" gewähre – dem Hund wurde nicht geholfen, um die Landesgrundrechte wurde es recht still.
Schikaneverbot in der Kleintierhaltung
Als vorbildlich für die ersten Jahre der Bundesrepublik darf wohl ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe gelten, das am 8. Juli 1957 (Az. 4 O 74/57) entschied, dass ein Vermieter, der sich im Mietvertrag das Recht einräumen ließ, "die Haltung von Hunden oder anderen Tieren in den Mieträumen zu untersagen", sich bei Ausübung dieses Rechts keinen Verstoß gegen das Schikaneverbot entgegenhalten lassen musste: "Vielmehr besteht ein schutzwürdiges Interesse des Vermieters, um Ordnung und Sauberkeit im Hause besorgt zu sein, auch wenn noch keine Störung in dieser Hinsicht eingetreten ist."
Obwohl der "formularmäßige Mietvertrag" schon seit den 1930er-Jahren stark im Kommen gewesen war – die im NS-Staat gleichgeschalteten Vermieter- und Mietervereine hatten sich unter Beteiligung des Reichsjustizministeriums am 4. März 1934 auf den "Deutschen Einheitsmietvertrag" verständigt – waren die Gerichte in den ersten Nachkriegsjahrzehnten offenbar zurückhaltend bei der Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Das Karlsruher Urteil von 1957 benennt als Beispiel für einen Vermieter, der sich schikanös auf das mietvertragliche Tierverbot beruft, den Fall des blinden Mieters mit Blindenhund. Das war zwar sicherlich kein kleines Anwendungsgebiet, den Zweiten Weltkrieg hatten viele Menschen nur verkrüppelt überlebt. Dem Mieter mit rechtschutzversichertem Luxustierinhaber half das aber kaum weiter.
Martin Rath, Wohnen mit Hund und Katz: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8394 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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