In sechs Bundesländern feiern Katholiken an diesem Donnerstag Fronleichnam. Das sorgte natürlich schon gelegentlich für Ärger – auch mit den Protestanten. Wer was hinnehmen muss, erklärt Marius Möller.
Als „Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi“ wird Fronleichnam jedes Jahr am zweiten Donnerstag nach Pfingsten - 60 Tage nach Ostern - von Millionen Katholikinnen und Katholiken gefeiert. In sechs Bundesländern (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) ist der Fronleichnamstag ein gesetzlicher Feiertag und somit für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitsfrei.
Eine differenzierte Regelung besteht demgegenüber in den Freistaaten Thüringen und Sachsen: Während in Thüringen der Fronleichnamstag nur in denjenigen Teilen Thüringens als gesetzlicher Feiertag gilt, in denen er im Jahre 1994 als solcher begangen wurde (§ 10 Abs. 1 Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz), regelt der Freistaat Sachsen dies durch eine Fronleichnamsverordnung. Darin sind explizit die Gemeinden aufgezählt, in welchen dieser Tag als gesetzlicher Feiertag begangen wird.
Öffentliche Bekundung des Glaubens und der Eucharistie
Auch wenn in diesem Jahr die Feierlichkeiten an Fronleichnam coronabedingt erneut in einem kleineren Rahmen ausfallen müssen, lohnt ein Blick auf den Kern des Fronleichnamsfestes – die Fronleichnamsprozession mit der öffentlichen Aussetzung und Verehrung der Eucharistie, der gewandelten Hostie als „Leib Christi.“ Nach der katholischen Lehre verwandeln sich Brot (Oblaten) und Wein während der Eucharistiefeier in der Heiligen Messe tatsächlich in den Leib und das Blut Jesu Christi. Die protestantische Lehre geht hingegen davon aus, dass Jesus Christus zwar bei der Feier des Abendmahls leibhaftig gegenwärtig ist, jedoch nicht in Brot und Wein übergeht bzw. in Gestalt dieser Substanzen fortbesteht.
Bei der Fronleichnamsprozession, die im Anschluss an den Gottesdienst stattfindet, wird der „Leib Christi“ (gewandelte Hostie), mithilfe einer Monstranz (kostbares Schaugefäß, in dem die Hostie eingefasst wird) von einem Priester durch die öffentlichen Straßen und Flure getragen. Dies erfolgt in der Regel unter musikalischer Begleitung und dem Gesang der Gläubigen. Je nach örtlichem Brauch hält der Prozessionszug bei zuvor vorbereiteten Stationen mit geschmückten Altären an. Neben dem gemeinsamen Gebet, wird dort das Evangelium verkündet, Fürbitte gehalten und der eucharistische Segen gespendet.
Fronleichnam im Lichte des Kirchenrechts
Die Bedeutung des Fronleichnamsfestes in der katholischen Lehre erschließt sich schon bei einer näheren Betrachtung der Regelungen im Codex des Kanonischen Rechtes (CIC), dem Gesetzbuch des römisch-katholischen Kirchenrechts. So ist Fronleichnam in den meisten Bistümern ein kirchlich gebotener Feiertag, was die Gläubigen zum Besuch des Gottesdienstes verpflichtet (cc. 1246, 1247 CIC). Selbst der Diözesanbischof als Vorsteher des Bistums darf an Fronleichnam nur aus einem schwerwiegenden und dringenden Grund von seiner Diözese abwesend sein (c. 395 § 3 CIC). Darüber hinaus soll, sofern es nach dem Urteil des Diözesanbischofs möglich ist, zum öffentlichen Zeugnis der Verehrung gegenüber der heiligsten Eucharistie, eine Prozession stattfinden, die durch die öffentlichen Straßen führt (c. 941 § 1 CIC).
Nach der Rituale Romanum (De sacra communione et de cultu mysterii eucharistici extra Missam, Nr. 101 ff.), einer Sammlung von Riten und Vorschriften für die Spendung der Sakramente, ragt die jährliche Fronleichnamsprozession unter den eucharistischen Prozessionen im geistlichen Leben einer Pfarrei oder einer Stadt besonders hervor. Denn mit ihr bekunde das christliche Volk öffentlich seinen Glauben und seine Verehrung gegenüber dem Sakrament der Eucharistie.
Konfliktpotenzial mit weltlichem Recht
Dabei ist dem Kirchenrecht durchaus bewusst, dass hierbei Kollisionen mit weltlichem Recht nicht ausgeschlossen sind. So sollen die Prozessionen „nach dem geltenden Recht stattfinden“ (Rituale Romanum) oder, sofern dies nicht möglich ist, gemäß den heutigen Umständen zum Beispiel an Wallfahrtsorten, auf Grundstücken, die der Kirche gehören, oder, mit Zustimmung der zivilen Autorität, in öffentlichen Gärten durchgeführt werden (vgl. Instructio Redemptionis sacramentum, Nr. 144).
Dass kirchliche Prozessionen gerade auch innerhalb des Osterfestkreises Konfliktpotential beinhalten können, zeigt bereits ein Fall aus dem Jahr 1892, mit dem sich das Preußische Oberverwaltungsgericht (PrOVG) zu befassen hatte (PrOVGE 23, 409 ff.). Darin ging es um eine katholische Prozession, die nach alter Tradition am ersten Osterfeiertag nach der Beendigung des Hauptgottesdienstes von der katholischen Kirche um den Marktplatz zog und dabei die evangelische Nikolaikirche passierte, währenddessen dort noch das Abendmahl gefeiert wurde.
Dies führte naturgemäß zu einem Konflikt mit der evangelischen Gemeinde, was die Polizeiverwaltung dazu veranlasste, eine Verfügung gegen den katholischen Pfarrer zu erlassen. Ihm wurde aufgegeben, dass die am ersten Osterfeiertag stattfindende Prozession nicht die „Grenzen des Hergebrachten“ überschreiten dürfe und während des Gottesdienstes in der Nikolaikirche in nahegelegenen Straßen und Plätzen auf Gesang und Klingeln zu verzichten sei. Die daraufhin gegen die Verfügung eingelegte Beschwerde vor dem Regierungspräsidenten und dem Oberpräsidenten blieb im Wesentlichen erfolglos, sodass schließlich Klage vor dem PrOVG erhoben wurde.
Wer stört?
Dadurch bot sich dem PrOVG nach seiner Schießstand-Entscheidung (PrOVGE 21, 411 ff.) erneut die Gelegenheit, zur Störerauswahl bei der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Stellung zu nehmen: So hat die Polizei bei zwei Handlungen, von denen keine für sich allein, sondern erst deren Zusammentreffen einen unzulässigen Zustand verursacht, in der Regel die Wahl, gegen welche von beiden Handlungen sie einschreiten will.
Allerdings bleibe der Polizei, da sie nicht befugt sei auf die Zeiten für den evangelischen Gottesdienst einzuwirken, im vorliegenden Fall nur die Möglichkeit, gegen die sich auf der Straße vollziehende und ihrer Einwirkung unterliegende gottesdienstliche Handlung (katholische Prozession mit Klingeln und Gesang) einzuschreiten, soweit dies im Interesse der öffentlichen Ordnung als erforderlich erachtet werde. Im Ergebnis wurde die Klage daher abgewiesen, sodass die katholische Prozession weiterhin ohne Klingeln und Gesang im Bereich der evangelischen Nikolaikirche auskommen musste.
„Hoch, legt an, feuern“
Doch auch in der Gegenwart sorgen kirchliche Prozessionen mitunter im wahrsten Sinne des Wortes für Zündstoff. So begehrte eine Klägerin im Jahr 2003 vor dem Amtsgericht (AG) Überlingen am Bodensee von der beklagten Gemeinde S. Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht bei einer Fronleichnamsprozession (AG Überlingen, Urt. v. 26.05.2004, Az. 6 C 129/04).
Bei der streitgegenständlichen Prozession suchten die Gläubigen vier Stationen mit vorbereiteten Altären auf, wo nach dem Abschluss der Gebete Salutschüsse durch eine die Prozession begleitende Bürgermiliz abgegeben wurden. Die Abgabe des Schusses erfolgte an jeder der Stationen erst auf Grund eines Kommandos des Hauptmanns der Bürgermiliz. Zwischen dem Kommando und der Schussabgabe lag ein Zeitraum von 15 bis 20 Sekunden. Die Klägerin, die selbst an der Prozession teilgenommen hatte, gab an, durch die Schallwelle der Salutschüsse ein schweres Knalltrauma im linken Gehörorgan erlitten zu haben.
Das AG Überlingen wies die Klage jedoch ab und befand, dass der Veranstalter einer Fronleichnamsprozession nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen müsse. Vielmehr seien nur die Maßnahmen zu ergreifen, die der jeweiligen Situation und der aktuellen Schadenswahrscheinlichkeit angemessen sind.
Den Teilnehmenden obliege es selbst, erkennbare Besonderheiten (hier: die Salutschüsse) auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen, wenn es ihm möglich sei, sich entsprechend darauf einzustellen. Durch den sich wiederholenden Ablauf an den Stationen, das Kommando und den sich daran anschließenden Ladevorgang seien die Prozessionsteilnehmer in der Lage gewesen, sich auf die durch die Salutschüsse bedingte Geräuschentwicklung einzustellen und dieser mit dem Zuhalten ihrer Ohren entsprechend zu begegnen. Die Tatsache, dass die Klägerin von dieser Möglichkeit des Selbstschutzes keinen Gebrauch machte, falle nicht in den Verantwortungsbereich des Veranstalters.
Versammlung oder Veranstaltung?
Die beiden angeführten Entscheidungen zeigen freilich, dass kirchlichen Prozessionen regelmäßig mit Beeinträchtigungen für die Öffentlichkeit und sogar für die Teilnehmenden verbunden sind. Es stellt sich daher die Frage, ob kirchliche Prozessionen, wie z. B. Fronleichnamsprozessionen, grundsätzlich einer Erlaubnispflicht unterfallen, um diesen Beeinträchtigungen zu begegnen.
Denkbar wäre, dass kirchliche Prozessionen wie andere Versammlungen unter freiem Himmel nach dem Versammlungsgesetz (VersammlG) anzumelden sind. Nach § 17 VersammlG sind jedoch unter anderem Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge, Wallfahrten und gewöhnliche Leichenbegängnisse von der Anmeldepflicht und den weiteren Regelungen über Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausgenommen.
Allerdings werden bei der Durchführung der Prozessionen, sofern sie nicht ausschließlich auf Privatgelände stattfinden, öffentliche Straßen benutzt, sodass eine Erlaubnispflicht nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) bestehen könnte. Nach § 29 Abs. 2 StVO bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis. Von einer mehr als verkehrsüblichen Inanspruchnahme ist auszugehen, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird. Straßenrechtlich wird in diesem Zusammenhang von einer Sondernutzung gesprochen (vgl. § 8 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz). Aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), welche als ermessenslenkende Norm die StVO konkretisiert, ergibt sich jedoch, dass eine Erlaubnispflicht bei ortsüblichen Prozessionen und anderen ortsüblichen kirchlichen Veranstaltungen entfällt (VwV-StVO zu § 29 Abs. 2, Ziff. I, Nr. 2 d).
Gleichwohl müssen sich die Teilnehmenden einer Prozession an die geltenden Verhaltensregeln im Straßenverkehr nach der StVO halten. Zudem muss nach § 27 Abs. 2 StVO eine Prozession, wenn ihre Länge dies erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen.
Polizei als Freund und Helfer
In der Praxis wird dennoch eine Begleitung durch die Polizei oder die (freiwillige) Feuerwehr die Regel sein, um sowohl für die Teilnehmenden der Prozession als auch die übrigen Verkehrsteilnehmer einen sicheren Ablauf zu gewährleisten.
Während die Möglichkeit der Polizeibegleitung in der VwV-StVO zu § 27 Abs. 2 explizit vorgesehen ist („soweit erforderlich, [ist] polizeiliche Begleitung zu gewähren“), begegnet eine Begleitung durch die Feuerwehr zunächst rechtlichen Bedenken. Denn nach §§ 44, 45 StVO obliegt die Verkehrsregelungspflicht grundsätzlich der Straßenverkehrsbehörde. Sie entscheidet, wo und welche Verkehrszeichen anzubringen oder zu entfernen sind. Im Übrigen ist nur die Polizei befugt, den Verkehr durch Zeichen und Weisungen zu regeln und bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung und Lenkung des Verkehrs zu treffen.
Auch die Feuerwehr darf mancherorts mit
Der Feuerwehr stehen allenfalls im Einsatzfall Befugnisse zur Verkehrsregelung in begrenztem Umfang zu. Diese ergeben sich jedoch nicht aus der StVO, sondern aus landesrechtlichen Gesetzen über den Brand- und Katastrophenschutz (z. B. Hessisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz).Um dieser Problematik zu begegnen und den Feuerwehrangehörigen dennoch eine Unterstützung kirchlicher Prozessionen zu gestatten, kann, beispielsweise wie in Hessen, eine einheitliche Vorgehensweise durch einen Erlass des zuständigen Ministerium des Innern geregelt werden (Erlass v. 19.05.2015, Az.: V 31-65b 02.07.00-02-14/001). Demnach sollen, bei entsprechendem Bedarf, die Feuerwehrführungskräfte durch die Gemeindevorstände bzw. Magistrate gebeten werden, Kontakt mit den zuständigen Ordnungsbehörden aufzunehmen und mit ihnen die Absicherung im Verkehrsraum durch Feuerwehrkräfte abzustimmen.
Zwar dürfen Feuerwehrkräfte nach wie vor weder Sperrungen anordnen noch den Verkehr umleiten oder sonst Verwaltungsakte erlassen. Sie können jedoch durch ihre Anwesenheit zur Sicherung der Prozessionsteilnehmer beitragen, potenzielle Störer auf die Rechtslage hinweisen und Verstöße an die zuständigen Gefahrenabwehrbehörden melden. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass tatsächlich nur Unterstützungsleistungen stattfinden und keine hoheitlichen Befugnisse ausgeübt werden.
Der Autor Marius Möller ist Beamter im gehobenen Dienst einer kommunalen Straßenverkehrsbehörde. Zuletzt war er außerdem nebenamtlicher Lehrbeauftragter an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) im Bereich Straßen- und Verkehrsrecht.
Fronleichnam - das katholische Straßenfest: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45110 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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