Erste bundesweite Referendariatsversammlung

Wie kann man das Refe­ren­da­riat ver­bes­sern?

Lesedauer: 4 Minuten

Im Referendariat läuft vieles schief, findet die Referendariatskommission und will das ändern. Bei der ersten Versammlung ging es etwa um psychischen Druck im Referendariat und die Unterschiede zwischen den Ländern.

Am 27. und 28. April 2024 fand in Hamburg die erste bundesweite Referendariatsversammlung (RefV) statt. Rechtsreferendare aus ganz Deutschland kamen erstmals zusammen, um Positionen und Forderungen zum juristischen Vorbereitungsdienst und zur zweiten Staatsprüfung zu entwickeln.

Organisiert wurde die RefV von der Referendariatskommission (RefKo) beim Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF). Die RefKo wurde im vergangenen Sommer gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessenvertretungen der Rechtsreferendare bundesweit zu bündeln und gezielt auf Verbesserungen im Referendariat und im zweiten Staatsexamen hinzuwirken. Denn auf Bundesebene gab es bislang praktisch keine Interessenvertretung für Referendare.

Anne Kuckert, Vorsitzende der RefKo, erzählte im November gegenüber LTO, man wolle "mit belastbaren Daten aufzeigen, was im Referendariat schief läuft". In Anlehnung an die regelmäßige Absolvent:innenbefragung des BRF zur ersten Prüfung will die RefKo Daten zu Verbesserungswünschen für das Referendariat gewinnen. Länderübergreifende Themen werden etwa die dürftige Unterhaltsbeihilfe, die Streichung der Ruhetage oder die unterschiedliche Qualität in den Arbeitsgemeinschaften sein, die sehr von der Motivation der Dozentin oder des Dozenten abhängen, sagte Kuckert.

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Psychische Belastungen und Unterschiede zwischen den Bundesländern

Im ersten Teil beschäftigte sich die Versammlung mit dem psychischen Druck im juristischen Vorbereitungsdienst. Die neue RefV hat deshalb unter anderem über 400 Erfahrungsberichte von Referendaren ausgewertet. Eines der Ergebnisse: Die ausbildungsbedingten psychischen Belastungen während des juristischen Vorbereitungsdienstes würden derzeit seitens der Ausbildungsstellen nicht hinreichend als Problem wahrgenommen. In einer von der RefKo initiierten Umfrage gaben rund 90 Prozent der Befragten an, dass sie durch den juristischen Vorbreitungsdienst psychischen Druck empfinden. Diese Ergebnisse hätten die Versammlung alamiert, teilte Kuckert gegenüber LTO mit.

Außerdem ging es in der Versammlung um die Harmonisierung des juristischen Vorbereitungsdienstes. Denn der Ablauf des Referendariats unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland teilweise erheblich: Die Anzahl, Art und Dauer der Stationen variiert. Auch Art und Umfang der Arbeitsgemeinschaften sind nicht gleichwertig ausgestaltet. Angebote zur Prüfungsvorbereitung, etwa Klausurenkurse, sind in einigen Bundesländern mehr, in anderen weniger vorhanden. Und auch die Antwort auf die Frage, ob und wieviel man sich bei der spärlichen Unterhaltsbeihilfe hinzuverdienen darf, kommt darauf an, in welchem Bundesland man sein Referendariat absolviert. Der Koordinierungsausschuss Juristenausbildung der Justizministerkonferenz hat sich laut der RefV hiermit das letzte Mal im Jahr 2014 beschäftigt und befunden, die zweite Staatsprüfung sei im Ländervergleich "ausreichend harmonisiert". Deshalb hat sich die Versammlung mit dem zehn Jahre alten Bericht auseinandergesetzt und fordert dringend eine Aktualisierung. 

Einen dritten Themenschwerpunkt legte die Versammlung schließlich auf die Unterschiede bei den Anforderungen und beim Ablauf der Examensprüfungen. Eine aktuelle Studie zur Objektivität juristischer Klausurbewertungen habe beispielsweise aufgezeigt, dass das Zustandekommen von Prüfungsnoten nicht ausschließlich von der inhaltlichen Vorbereitung des Prüfling abhänge. Die RefKo will Maßstäbe für gute Prüfungen formulieren.

Auch Nachfrage von LTO erläutert Kuckert: Es bedürfe insbesondere einer stärkeren Harmonisierung der Prüfungsbedingungen und der zu verwendenden Hilfsmittel. Auf keinen Fall dürfe aber eine Harmonisierung "nach unten" erfolgen. Außerdem sollen flächendeckend Personalvertretungen eingerichtet und mit gesetzlichen Beteiligungsrechten ausgestattet werden. Und schließlich müsse die Qualität des juristischen Vorbereitungsdienstes auf ein so hinreichendes Niveau angehoben werden, dass sich Referendare nicht mehr gezwungen sehen, private Repetitorien zu besuchen. Hierfür benötige es Aus- und Fortbildung von Lehrenden. "Die Ausbildung ist Aufgabe der Länder, dieser Aufgabe müssen sie ausreichend nachkommen", so Kuckert.

Abschließend hat die RefV auch über Fragen der Vergütung und über statusrechtliche Fragen diskutiert. Denn auch die Unterhaltsbeihilfe variiert zwischen den Bundesländern. Außerdem sind die meisten Referendare "nur" in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis angestellt. Referendare in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen haben dagegen die Möglichkeit, zu Beamten auf Widerruf ernannt zu werden.

Versammlung soll nun jährlich stattfinden

Der BRF als Dachverband der RefKo vertritt die hochschulpolitischen Interessen von rund 120.000 Studierenden bundesweit gegenüber regionalen und überregionalen Institutionen. Dabei steht der BRF im regelmäßigen Austausch mit anderen Organisationen wie dem Deutschen Juristen-Fakultätentag, veröffentlicht Stellungnahmen und wird bei Gesetzgebungsprozessen rund um die juristische Ausbildung angehört. In der Vergangenheit hat sich der BRF unter anderem für den Erhalt des Schwerpunktbereichsstudiums eingesetzt, auf die Erhöhung der Regelstudienzeit auf zehn Semester hingewirkt sowie wiederholt die Einführung eines integrierten Bachelors (LL.B.) gefordert.

Die RefV soll von nun an jährlich stattfinden, um einen regelmäßigen Austausch mit und zwischen den Referendaren zu gewährleisten. Es sollen vor allem inhaltliche Positionen erarbeitet werden.

"Die erste Referendariatsversammlung war aus unserer Sicht ein voller Erfolg. Wir haben wertvolle Ergebnisse erzielt und gezeigt, dass nicht nur die Jurastudierenden, sondern auch die Rechtsreferendar:innen Deutschlands in der Lage und gewillt sind, sich aktiv für eine gute juristische Ausbildung der Zukunft einzusetzen. Der Grundstein ist gelegt, so Kuckert.

Frederik Jahnsen, Vorsitzender des BRF, ergänzt: "Die Referendariatsversammlung hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, dass auch die Interessen der Rechtsreferendar:innen über die Ländergrenzen hinaus vertreten werden. Denn gerade wenn man die Ausbildungsbedingungen im Bundesgebiet harmonisieren möchte, braucht es auch eine zentrale Interessenvertretung."

cho/LTO-Redaktion

Wer Fragen oder Interesse hat, sich bei der RefKo zu engagieren, kann eine E-Mail an refko@bundesfachschaft.de schreiben. Zum 1. Juni 2024 werden zwei Studierende und zwei Referendare für die RefKo gewählt. Kandidaturen werden noch bis zum 26. Mai 2024 angenommen.

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