Abkürzungen zum Doktor

Promotionsvermittler und Photoshop

von Roland SchimmelLesedauer: 5 Minuten
Der Doktor ist ins Gerede gekommen. Nicht jeder, der ihn trägt, hat ihn verdient. Trotzdem gilt er unter Juristen als Zusatzqualifikation, auch außerhalb der Wissenschaft. Jährlich werden etwa 1.500 juristische Doktorgrade verliehen. Die meisten liegen am Ende eines anstrengenden Wegs. Dabei gibt es risikoarme Abkürzungen. Roland Schimmel empfiehlt die Nachahmung dennoch nicht.

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Eine Promotion kostet einige Mühe. Eine juristische Doktorarbeit nimmt nicht selten drei Jahre Lebenszeit in Anspruch, die Abbrecherquote dürfte um die 50 Prozent liegen. Da drängt sich die Frage geradezu auf: Geht das nicht auch ein bisschen bequemer? Sicher geht das, sogar auf mehreren Wegen. Einen davon hat – nicht nur – ein ehemaliger Verteidigungsminister beschritten, wenn auch letztendlich nicht erfolgreich: Ohne allzu viele eigene Gedanken kann man eine mehrhundertseitige Dissertation aus Textschnipseln collagieren, die man Copy/Paste den digital verfügbaren Texten kluger Leute entnimmt. Das spart sehr viel Arbeit, kann sich aber rächen. Ein anderer Weg ist die Delegation an einen Ghostwriter. Das ist nicht ganz billig und mit einem gewissen Erpressungspotential verbunden. Aber wenn man nicht an einen Dilettanten gerät, muss man wenigstens keine peinlichen Plagiate befürchten.

Erste Abkürzung: Der Promotionsvermittler

Wer das dafür erforderliche Kapital nach dem Ende des Studiums nicht aufbringen kann oder will, wird nach einem dritten Weg suchen. Ein Promotionsvermittler ist nicht so teuer wie ein Ghostwriter, verspricht aber meist neben der Suche nach einem geeigneten Doktorvater und dem Coaching beim Schreiben, dem Promotionswilligen den Rücken von unnötiger Verwaltungsarbeit freizuhalten. Aber auch das ist nicht ganz ohne Risiko. In der Branche gibt es nämlich Betrüger. Es kann also durchaus geschehen, dass der Doktorand seine Promotionsschrift über den Vermittler beim Betreuer einreicht, zur mündlichen Verteidigung seiner Thesen zum Kolloquium oder Rigorosum geladen wird und nach Bestehen der Prüfung eine Promotionsurkunde des Fachbereichs ausgehändigt bekommt – und trotzdem nie promoviert hat. So war es einem Kölner Kommunalpolitiker geschehen. Seine mündliche Prüfung erwies sich als von Schauspielern in den Räumen der Universität abgenommen. Der Mann stand plötzlich unpromoviert da. Dass der Vermittler wegen Betrugs verurteilt worden ist, dürfte nur ein kleiner Trost gewesen sein. Die eigene Verurteilung wegen des unbefugten Führens eines akademischen Grads nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird sich in einer solchen Situation vielleicht noch abwenden lassen. Aber die Reputation wird doch einen Kratzer abbekommen. Nur gut vernetzten Kandidaten gelingt es vielleicht, als Ausgleich für den verlorenen Doktorgrad zumindest eine Honorarprofessur zu ergattern.

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2/2: Die Abkürzung der Abkürzung

Man könnte aber auch auf den Gedanken kommen, es sich noch ein wenig einfacher zu machen: Man schreibt erst gar keine Arbeit, sondern fertigt nur eine gefälschte Promotionsurkunde an, so dass die Bewerbungsunterlagen ein wenig zusätzlichen Glanz erhalten. Der Vorteil: Man behält die volle Kontrolle über das Thema, die erzielte Note und den Namen des Doktorvaters – bei minimalen Kosten. Stellt sich später heraus, dass mit der angeblichen Promotion etwas nicht stimmt, etwa weil die Arbeit selbst nach zehn Jahren unveröffentlicht geblieben ist, erklärt man Folgendes: Ich bin einem Betrüger aufgesessen. Mir ist genau das Gleiche passiert wie dem oben erwähnten Politiker, über den die Presse berichtet hatte. Identifizieren kann ich den Betrüger nicht mehr, da ich seinen Namen vergessen und die Bankbelege über die Überweisung vernichtet habe. Meine Doktorarbeit habe ich in genau einem Exemplar hergestellt; dieses habe ich über den Vermittler an der Universität eingereicht. Alte Datenträger habe ich nicht mehr, die Ordner mit den Fotokopien sind längst beim Altpapier. Dass ich die Arbeit hätte veröffentlichen sollen, wusste ich nicht. Überhaupt hatte ich keine Kenntnis von der Promotionsordnung. Ich habe nie selbst mit meinem Doktorvater korrespondiert und deshalb auch nicht bemerkt, dass er inhaltlich für mein Thema eigentlich nicht zuständig war. Vielleicht war ich ein wenig zu gutgläubig – aber ich habe nebenberuflich promoviert, war also anderweitig ausgelastet und habe einfach meinem Coach vertraut. Heute ist mir das alles schrecklich unangenehm, aber wenigstens habe ich in den letzten Jahren gezeigt, dass ich erfolgreich in meinem Beruf arbeite.

Strafrechtliche Risiken gering

Die strafrechtlichen Risiken sind dabei überschaubar. Die Vorschrift über das unbefugte Führen akademischer Grade ist nicht eben der Kern des Kernstrafrechts. Wer keine anderweitigen Vorstrafen aufweist, wird mit einer milden Verurteilung rechnen dürfen. Mit etwas Geschick dürfte sich das Geschehen so darstellen lassen, dass der "Doktorand" selbst Opfer eines cleveren Betrugs geworden ist und noch nicht einmal einen Vorsatz hinsichtlich einer eigenen Straftat hatte: "Herr Vorsitzender, all die Jahre habe ich selbst geglaubt, erfolgreich promoviert zu haben!" Wer die Promotionsurkunde selbst anfertigt – ein Kinderspiel mit einer anständigen Vorlage, einem hochauflösenden Scanner und einer qualifizierten Bildbearbeitungssoftware –, riskiert natürlich eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB). Mit etwas Glück ist die aber verjährt, wenn die Angelegenheit auffliegt. Allerdings beginnt die fünfjährige Frist mit jeder weiteren Vorlage der Urkunde etwa bei der Bewerbung neu. Eine Verurteilung wegen eines Eingehungsbetrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) ist nur in den Fällen zu erwarten, in denen der "promovierte" Bewerber die Stelle genau deshalb bekommen hat, weil er promoviert wirkte. Jenseits des Wissenschaftsbetriebs wird das die Ausnahme sein. Die Bundeskanzlerin etwa stellt keine wissenschaftlichen Assistenten ein, sondern Minister. Im Einzelfall mag der Kandidat in der Privatwirtschaft ein höheres Einstiegsgehalt erzielt haben. Das muss aber ebenso beweisbar sein wie der Umstand, dass er anderen Bewerbern promotionshalber vorgezogen wurde. Steht also der zufriedene Arbeitgeber nach mehrjähriger Dauer des Beschäftigungsverhältnisses hinter dem scheinpromovierten Arbeitnehmer, ist strafrechtlich nicht viel zu befürchten. Andernfalls dürfte allerdings auch der Arbeitsvertrag nicht mehr allzu lange Bestand haben. Neben einer außerordentlichen Kündigung kommt auch eine arbeitgeberseitige Anfechtung des Vertrags in Betracht. Gelingt die Darlegung der arglistigen Täuschung, beträgt die Frist hierfür nach § 124 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Jahr ab Kenntnis.

Und warum macht das dann nicht jeder?

Weil es verboten ist. Weil es sich nicht gehört. Weil Juristen eine Straftat auch dann noch missbilligen, wenn sie verjährt ist. Aber Juristen sind auch skrupulös und prinzipiell rechstreu. Interessant wäre es zu fragen, ob derlei anderswo vorkommt, in Berufsfeldern, in denen ein bisschen Blenderei manchmal nötig ist, etwa in der Öffentlichkeitsarbeit. An der oben skizzierten Verteidigung versucht sich beispielsweise aktuell die PR-Leiterin der Deutschen Bahn. Wer Spaß daran hat, kann es ausprobieren. Und wenn es aus irgendeinem Grund nicht klappen sollte: Sagen Sie nicht, dass ich das empfohlen hätte! Der Autor Roland Schimmel ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der FH Frankfurt am Main.

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