Thema des Tages
LG Potsdam – Prozessbeginn gegen Silvio S.: Vor dem Landgericht Potsdam hat der Prozess gegen Silvio S. begonnen. Ihm werden von der Staatsanwaltschaft der Missbrauch und die Tötung zweier Jungen vorgeworfen. Er soll den sechsjährigen Elias von einem Spielplatz in Potsdam und den vierjährigen bosnischen Flüchtlingsjungen Mohamed vor dem Lageso in Berlin weggelockt, sich an ihnen vergangen und sie getötet haben.
Noch vor der Verlesung der Anklage wurde von der Verteidigung der Antrag gestellt, die Öffentlichkeit vom Prozess auszuschließen. Dieser Antrag wurde vom Gericht genauso abgelehnt wie der Antrag der Nebenklage, die Anklage ohne Publikum zu verlesen.
Über den ersten Verhandlungstag berichten unter anderem die FAZ (Julia Schaaf), focus.de (Ida Haltaufderheide) und die SZ (Verena Mayer). Die taz (Uta Eisenhardt) beschreibt das immense öffentliche Interesse und die hohen Sicherheitsmaßnahmen, von denen der Prozessauftakt begleitet wurde.
Rechtspolitik
Keine Polygamie in Deutschland: Bundesjustizminister Heiko Maas hat angekündigt, Mehrfachehen oder Ehen mit Minderjährigen einen Riegel vorzuschieben, meldet spiegel.de. Solche Ehen können zwar in Deutschland nicht geschlossen werden, bei bereits verheirateten nach Deutschland einreisenden Migranten können sie aber unter Umständen von den Behörden anerkannt werden, heißt es in dem Bericht. Maas will hier ein gesetzliches Vorgehen prüfen.
Die SZ (Ulrike Heidenreich/Wolfgang Janisch) weist darauf hin, dass die Anerkennung einer Mehrfachehe in der Regel die betroffenen Frauen schützt, indem beispielsweise Unterhalts- oder Erbansprüche entstehen. Laut taz (Daniel Bax) sind in den vergangenen Monaten einige hundert Flüchtlinge mit minderjährigen Frauen nach Deutschland gekommen. Die Justizministerkonferenz will auf Antrag von Nordrhein-Westfalen prüfen, ob nach ausländischem Recht geschlossenen Ehen die Anerkennung versagt werden soll, wenn keine Ehemündigkeit nach deutschem Recht besteht. In seinem Kommentar spricht sich Wolfgang Janisch (SZ) für ein gesetzliches Mindestalter für die Anerkennungsfähigkeit einer Ehe aus und appelliert an Maas, hier nachzubessern.
Mietpreisbremse: Berlin will im Bundesrat eine Nachbesserung der Mietpreisbremse initiieren, berichten FAZ (Mechthild Küpper) und taz (Stefan Alberti). Wohnungseigentümer sollen verpflichtet werden, neuen Mietern die Miethöhe der Vormieter zu nennen und zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Mietspiegel soll künftig sechs statt vier Jahre lang der Mietzins betrachtet werden. Stefan Alberti (taz) bewertet den Vorstoß in einem separaten Kommentar als erfolgsversprechenden Kompromiss.
Erbschaftsteuer: Nach Angaben der SZ haben sich die Koalitionspartner auf eine Erbschaftsteuerreform geeinigt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll danach die Verhandlungsführer von CSU und SPD, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, für Donnerstagvormittag in sein Büro eingeladen haben, um den Deal zu besiegeln.
Rasen soll teurer werden: Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius will, dass die Bußgelder für Vergehen im Straßenverkehr drastisch angehoben werden, heißt es in einem Bericht der SZ. Bis zu 1000 Euro soll eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h dann kosten. Für Bernd Kastner (SZ) ist es überfällig, dass der Gesetzgeber den Preis für lebensgefährliche Rücksichtslosigkeit nach oben setzt. Ihm reicht das allerdings nicht, er will auch ein grundsätzliches Tempolimit auf den Autobahnen.
Staatsangehörigkeitsrecht: In einem Interview mit der FAZ spricht sich der Direktor des Forschungszentrums für internationales und europäisches Ausländer- und Asylrecht in Konstanz, Kay Hailbronner, angesichts der großen Flüchtlingsbewegungen für Überlegungen zum Staatsangehörigkeitsrecht aus. Aufgrund des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Geburt auf deutschem Staatsgebiet werde künftig ein erheblich größerer Teil deutscher Staatsangehöriger in wesentlich anderen kulturellen und religiösen Vorstellungen verwurzelt sein, gibt er zu bedenken.
Zahlungsdiensterichtlinie: Gustav Meyer zu Schwabedissen und Barbara Dörner stellen auf lto.de die Zahlungsdiensterichtlinie II vor, die die mit der direkten Zahlungsabwicklung durch Onlinehändlier verbundenen Gefahren abwehren soll.
Ceta: Mit der Beteiligung der nationalen Parlamente an supranationalen Abkommen befasst sich Ferdinand Weber auf verfassungsblog.de. Er weist auf das bereits laufende Gutachterverfahren vor dem EuGH hin, in dem die Kommission die Luxemburger Richter befragt hat, welche Beteiligungsrechte die nationalen Parlamente im Rahmen des Freihandelsabkommens mit Singapur haben. Konkret wird allerdings eher das mit Kanada ausgehandelte Ceta-Abkommen diskutiert. Hier soll Anfang Juli die Europäische Kommission entscheiden, ob sie das Vertragswerk mit oder ohne die nationalen Parlamente beschließen lassen will, berichtet die SZ (Alexander Mühlhauer). Und was für Ceta gilt, gilt dann wohl auch für TTIP.
Justiz
EuGH zum Kindergeld: Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, als Voraussetzung für soziale Leistungen einen gültigen Aufenthaltstitel zu verlangen. Die Luxemburger Richter gaben damit Großbritannien Recht und wiesen eine Klage der EU-Kommission zurück, berichten die FAZ (Hendrik Wieduwilt), spiegel.de und SZ (Cerstin Gammelin). In Deutschland ist der Bezug von Kindergeld bislang nicht an eine Aufenthaltserlaubnis geknüpft.
BAG zu Reinigungskosten von Arbeitskleidung: Das Bundesarbeitsgericht hat einem Arbeitnehmer recht gegeben, der sich dagegen gewandt hatte, dass sein Arbeitgeber ihm regelmäßig die Kosten für die Reinigung seiner Arbeitskleidung – er arbeitete in einem Schlachthof – abzog. Das vermeldet u.a. die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de. In lebensmittelverarbeitenden Betrieben habe der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass seine Arbeitnehmer saubere und geeignete Hygienekleidung tragen und zu seinen Pflichten gehöre auch die Reinigung dieser Kleidung auf eigene Kosten, so die Erfurter Richter
BVerwG zu Stuttgart21: Die Gegner von Stuttgart21 sind vor dem Bundesverwaltungsgericht mit ihrer Forderung gescheitert, ein Bürgerbegehren gegen das Bauprojekt zuzulassen. Die Entscheidungsgründe erläutert zeit.de.
BGH zur Meinungsfreiheit im Wettbewerbsrecht: Thomas Stadler setzt sich auf internet-law.de mit einer Entscheidung des BGH auseinander und stellt dabei fest, dass Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten sind als allgemeine Meinungsäußerungen. Auch Meinungsäußerungen, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten, können, so Stadler, eine nach § 4 Nr. 7 UWG (aF) unzulässige Herabsetzung darstellen.
BVerwG zur Funktionszulage fürs Pornogucken: Wie lto.de berichtet, muss ein Finanzbeamter nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes jetzt endgültig auf seine Funktionszulage verzichten. Diese wurde ihm gestrichen, weil er versetzt wurde, nachdem er auf seinem ursprünglichen Posten täglich mindestens eine Stunde Pornos auf seinem Dienstcomputer geschaut hatte.
LAG München zu Praktikumsvertrag: Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hat entschieden, dass ein Münchener Versicherungs- und Finanzvermittler fast 50.000 Euro an eine ursprünglich als Praktikantin eingestellte Arbeitnehmerin zahlen muss, berichtet lto.de. Die Parteien hatten im September 2009 unter der Überschrift "Praktikumsvertrag" einen Vertrag geschlossen. Darin wurde eine Tätigkeit von 43 Stunden die Woche mit einer monatlichen Vergütung von 300 Euro vereinbart. Auf Grundlage des Vertrages war die junge Frau bis zum März 2015 bei dem Arbeitgeber tätig.
LG Detmold - Auschwitz-Verfahren. Am Freitag soll im Verfahren vor dem LG Detmold gegen den früheren NS-Wachmann Reinhold Hanning das Urteil gesprochen werden. Die FAZ (Reiner Burger) weist darauf hin, dass es vermutlich der letzte Auschwitz-Prozess sein könnte, der mit einem Urteil endet. Der Beitrag beleuchtet die Bedeutung, die die juristische Aufarbeitung für die Überlebenden hat, erinnert aber auch an die bisherige Entwicklung der Rechtssprechung.
Recht in der Welt
Irland - Schrems vs. Facebook: Wie die SZ meldet, will die US-Regierung an dem Rechtsstreit zwischen dem Österreicher Max Schrems und dem Unternehmen Facebook als so genannter “Amicus Curiae“ beteiligt werden. Schrems wirft Facebook vor, persönliche Daten weiterzugeben und damit europäische Gesetze zu verletzten. Es wird vermutet, dass die US-Regierung im Rahmen des Verfahrens darlegen will, dass die Arbeit der amerikanischen Geheimdienste falsch interpretiert werde.
Türkei - Anti-Terror-Gesetze: Laut spiegel.de wird die türkische Regierung die jüngst verabschiedeten Anti-Terror-Gesetze nicht ändern, auch wenn das bedeute, dass die geplanten Visa-Vereinbarungen nicht zustande kämen. Das habe Regierungschef Binali Yildirim bekräftigt.
USA – Plagiatsvorwurf gegen Led Zeppelin: Den Prozess gegen die Band Led Zeppelin, der vorgeworfen wird, mit einer Sequenz aus "Stairway to heaven" den Song einer anderen Band kopiert zu haben, beleuchtet die SZ (Thomas Steinfeld). Die Verhältnisse in der Causa um Led Zeppelin scheinen verwirrend, so der Autor - weil populäre Musik vom Nachspielen lebt, weil früher kaum einer daran dachte, es mit schützenswertem geistigen Eigentum zu tun zu haben und weil ein Akkord noch lange keine Komposition sei.
USA - Vergewaltigung in Stanford: Die Frage, warum der Richter im Vergewaltigungsfall an der Universität Stanford zu einem milden Urteil kam,versucht spiegel.de zu beantworten. Nachdem eine Jury den 21-jährigen Brock Turner der Vergewaltigung für schuldig befunden hatte, verurteilte Richter Aaron Persky den ehemaligen Leistungsschwimmer zu einer Haftstrafe von sechs Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert.
Das Letzte zum Schluss
An der langen Leine - Berliner Bello-Gesetz: Über die Schwierigkeiten, in Berlin ein Hundegesetz zu verabschieden, das unter anderem eine Leinenpflicht für Hunde einführen soll, berichtet die Welt (Mareike Kürschner). Seit mehr als drei Jahren wird bereits über die geplante Neuregelung gestritten. Sie ist damit eines der am längsten diskutierten Vorhaben der großen Koalition. Aber mal ehrlich: Was sind schon Flughäfen, Wohnungsmangel und marode Schulen gegen den sprichwörtlich besten Freund des Menschen?
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Donnerstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. Juni 2016: Prozess gegen Silvio S. / Maas gegen Mehrfachehen / EuGH zu Kindergeld . In: Legal Tribune Online, 15.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19659/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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