Wie steht es um die Kontrolle der Geheimdienste? Schlecht, meinen Parlamentarier – und fordern einen Beauftragten für Nachrichtendienste. Außerdem in der Presseschau: Am heutigen Montag hört der Bundestag Sachverständige zur Tarifeinheit an, der BGH lässt das OLG Köln die Tagesschau-App prüfen, kein Entschädigungsanspruch für Kundus-Opfer und Mordanklage gegen US-Polizisten im Fall Freddie Gray.
Thema des Tages
BND I – Kontrolle der Geheimdienste: Die Montags-taz (Martin Kaul/Christian Rath) und spiegel.de befassen sich mit Forderungen nach mehr Kontrolle der Geheimdienste. So hält etwa ein Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKGr), Armin Schuster (CSU), im Interview mit der Badischen Zeitung von Samstag (Christian Rath) die derzeitige Kontrolle für zu schwach und fordert einen Nachrichtendienstbeauftragten mit einem stärkeren Stab. Am kommenden Mittwoch schließlich muss Innenminister Thomas de Maizière dem PKGr Rede und Antwort zu den jüngsten Erkenntnissen zur Zusammenarbeit von BND und NSA stehen.
Ein Geheimdienstbeauftragter müsse sich mit seinen Erkenntnissen – zumindest in abstrakter Form – direkt an die Öffentlichkeit wenden können, meint Christian Rath (Montags-taz) in einem gesonderten Kommentar. "Wenn er nur einem geheimen Parlamentsgremium berichtet, ist für den demokratischen Diskurs wenig gewonnen."
BND II – Opposition erwägt Klage: Im Zusammenhang mit der jüngsten BND/NSA-Affäre plant die Opposition einen Gang vor Gericht, wenn nicht der NSA-Untersuchungsausschuss die Listen mit den unzulässigen Suchmerkmale (Selektoren) zur Einsicht bekommt. Das meldet unter anderem faz.net.
BND III – BAW prüft: Die für die Strafverfolgung von Spionage und Landesverrat zuständige Bundesanwaltschaft hat unterdessen einen Prüfvorgang eingeleitet, um einen Anfangsverdacht für einschlägige Delikte zu prüfen. Das berichtet der Spiegel (Maik Baumgärtner u.a. – Kurzmeldung) in seiner Titelgeschichte zur jüngsten BND-Affäre.
Rechtspolitik
Tarifeinheit: Am heutigen Montag hört der Bundestag Sachverständige und Interessenvertreter in Sachen Tarifeinheit an. Die Samstags-FAZ (Dietrich Creutzburg) stellt verschiedene Ansichten zusammen – darunter die von Gerhart Baum und Hans-Jürgen Papier, die jeweils für und gegen die Verfassungskonformität des Vorschlags sprechen. Auch die Samstags-Welt (Dorothea Siems) schreibt zum Thema.
Heike Göbel (Samstags-FAZ) fordert, das geplante Gesetz "einzustampfen". Es bedrohe die Existenz der Spartengewerkschaften. Besser sei der Vorschlag aus der CDU, einen obligatorischen Schlichtungsversuch, längere Ankündigungsfristen und höhere Abstimmungshürden für Streiks zu schaffen. Durch die Tarifeinheit werde es keinen Streik weniger geben, meint schließlich Juraprofessor Gregor Thüsing auf lto.de.
Freihandel/TTIP: Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schlägt für das geplante Handelsabkommen TTIP vor, einen europäisch-amerikanischen Handelsgerichtshof mit öffentlichen Verfahren zu installieren. Streits sollten "ausschließlich von einem ständigen bilateralen internationalen Gericht" entschieden werden. Die Samstags-SZ (Michael Bauchmüller) berichtet.
Claus Hulverscheidt (Samstags-SZ) begrüßt den Vorschlag: "Worauf es ankommt, ist, dass Streitfälle nicht im Verborgenen, sondern öffentlich verhandelt werden, dass staatlich bestellte Richter damit befasst sind, dass eine Berufung möglich ist und dass offensichtlich unbegründete, allein auf Erpressung zielende Klagen gar nicht erst zugelassen werden." Gabriels Vorschläge erfüllten diese Anforderungen. Für Jost Maurin (Montags-taz) ist Gabriels Vorschlag nur ein minimaler Fortschritt, weil ein solcher Gerichtshof "immer noch über der normalen Justiz stehen" würde.
Symbolische Gesetzgebung:Benjamin Rusteberg bezieht in einem Beitrag für juwiss.de kritisch Stellung zum Phänomen symbolischer Gesetzgebung. Exemplarisch hierfür steht das französische Burka-Verbot, das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im "Schutz des Zusammenlebens" seine Legitimation findet. Das Burka-Verbot verstoße aber als "normative Selbstvergewisserung der liberalen Gesellschaft" gegen die "regulative Idee des Allgemeinwohls", die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung für jedes staatliche Handeln ist.
Klimabeitrag: Die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante Klimaabgabe verstößt nach Meinung mehrerer Umweltrechtsexperten gegen Europarecht und die deutsche Verfassung. Der geplante "Klimabeitrag" sei nicht mit der europäischen Emissionshandelsrichtlinie und Eigentumsgarantie, Gleichheitsgebot und Berufsausübungsfreiheit vereinbar. Die WamS (Daniel Wetzel) erklärt den Beitrag und stellt ein anwaltliches Gutachten vor, das dem Blatt vorliegt.
Presserecht/Geschäftsgeheimnisschutz: Der Verband der Zeitschriftenverleger kritisiert laut einer Meldung des Spiegel (Alexander Kühn) eine geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Danach sollen Unternehmen Berichterstattung verhindern können, sofern diese auf internen Papieren beruht. Der Verband sieht die investigative Berichterstattung über Unternehmen gefährdet.
EU-Datenschutz: "Ein Landmetzger mit Online-Auftritt hat dieselben Pflichten wie Facebook", schreibt die Montags-SZ (Katharina Brunner/Hakan Tanriverdi) im Hinblick auf die geplante EU-Datengrundverordnung. Die Vorschriften könnten deshalb kleine und mittlere Firmen viel Geld kosten.
Justiz
BGH zur Tagesschau-App: Über das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Tagesschau-App vom vergangenen Donnerstag und den "Etappensieg" für die klagenden Verlage berichten die Samstags-FAZ (Joachim Jahn), taz.de (Christian Rath) und lto.de. Der BGH verwies den Fall ans Oberlandesgericht Köln zurück, weil er im Gegensatz zum OLG die zivilrechtliche Prüfbarkeit des Rundfunkauftrags bejaht. Das OLG muss nun genau prüfen, ob das Online-Angebot der Tagesschau ein "nichtsendungsbezogenes presseähnliches Angebot" ist. Beobachter rechnen damit, dass der Fall am Ende beim Bundesverfassungsgericht landen wird.
OLG Köln zur Kundus-Affäre: Das Oberlandesgericht Köln hat am vergangenen Donnerstag die Klage wegen Entschädigungsansprüchen von Hinterbliebenen des Kundus-Angriffs 2009 abgewiesen. Dem deutschen Oberst Georg Klein sei keine schuldhafte Verletzung von Amtspflichten vorzuwerfen, befand das OLG. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das Gericht zugelassen. taz.de (Christian Rath) und lto.de fassen den Fall und seine juristische Aufarbeitung zusammen.
OLG München – NSU-Prozess: Auch die Montags-SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) befasst sich mit dem Schweigen Beate Zschäpes im NSU-Prozess. Mit ihren drei Verteidigern darauf verständigt, habe sie einem Psychiater berichtet, das Schweigen kaum mehr auszuhalten. In einem gesonderten Artikel in Frage-Antwort-Form behandelt die Montags-SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) einige wichtige Fragen als Zwischenfazit zum NSU-Prozess.
Rechtsprechung zur Überstellung von Flüchtlingen: Die "verworrene Rechtslage" zur Überstellung von Flüchtlingen in andere EU-Länder nach dem Dublin-System und die Rolle des Bundesverfassungsgerichts macht die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) zum Thema. Deutsche Gerichte urteilten in dieser Frage sehr unterschiedlich.
LG Stuttgart zu Uber: Der Anbieter des Fahrdienstes Uber hat sich am vergangenen Donnerstag vor dem Landgericht Stuttgart gegenüber der Stuttgarter Taxi-Zentrale verpflichtet, mit seinem Angebot "Uber Pop" nicht in Stuttgart aktiv zu werden. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit für erledigt, schreibt die Samstags-FAZ (bee).
LG Saarbrücken – Prothesen: Wegen schadhafter Prothese des Herstellers DePuy könnte erstmals der Geschäftsführer eines Herstellers von Prothesen vor Gericht stehen, berichtet der Spiegel (Udo Ludwig/Barbara Schmid). Über die Anklagezulassung wegen des "Inverkehrbringens gesundheitsgefährdender Medizinprodukte" wird das Landgericht Saarbrücken noch entscheiden.
StA Göttingen – Geheimnisverrat Lüttig: Die in den Fällen Wulff und Edathy erhobenen Vorwürfe des Geheimnisverrats hat der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig in einer schriftlichen Stellungnahme zurückgewiesen, meldet u.a. focus.de. Man könne den Nachweis führen, dass Lüttig nicht Hinweisgeber war, heißt es über seinen Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt derzeit gegen Lüttig wegen mutmaßlicher Weitergabe von Interna in acht Fällen.
FG Köln zu eBay-Versteigerungen: Der kontinuierliche Verkauf privater Sammlergegenstände unterliegt der Umsatz- und Einkommensteuer. Das hat das Finanzgericht Köln Anfang März entschieden. Aufgrund seiner "hohen und langjährigen Verkaufsaktivitäten" stufte das FG einen Mann als Unternehmer und Gewerbetreibenden ein, der seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch den Verkauf von Bierdeckeln aus einer Privatsammlung bestritt. lto.de fasst den Fall zusammen.
VG Aachen zur Entlassung eines Polizeianwärters: Ein 22-jähriger Polizeianwärter hatte rassistische Bilder in einer privaten Whatsapp-Chat-Gruppe von Polizeischülern verbreitet. Daraufhin wurde der Anwärter entlassen. Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Entlassung wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung für rechtmäßig erklärt, berichtet lto.de.
LG Göttingen – Transplantationsskandal: Am kommenden Mittwoch wird das Landgericht Göttingen im Transplantationsskandal um den wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Transplantationsarzt Aiman O. urteilen; nun berichten auch die Samstags-taz (Reimar Paul/Heike Haarhoff) und der Focus (Jan-Philipp Hein/Kurt-Martin Mayer). Rechtlich heikel sind vor allem die Beurteilung der Kausalzusammenhänge und ob O. den Tod anderer Menschen billigend in Kauf nahm.
LG Mannheim – Heidelberger Rechtsanwalt: Der Heidelberger Rechtsanwalt Georg M. muss sich vor dem Landgericht Mannheim unter anderem wegen Betrugs, gemeinschaftlicher Erpressung und Geldwäsche verantworten. Er soll Schuld daran haben, dass in einer erfundenen Lottospielgemeinschaft "fast 300 000 Personen am Telefon belästigt und teils bedroht wurden". Die Staatsanwaltschaft fordert über sechs Jahre Haft, das Urteil wird Anfang Mai gesprochen. Der Spiegel (Julia Jüttner) berichtet.
Deutsche Dschihadisten: Über den Umgang von Justiz und Justizvollzug mit deutschen Dschihadisten und Parallelen zu RAF-Zeiten schreibt ausführlich der Spiegel (Özlem Gezer).
Recht in der Welt
USA – Mordanklage im Fall Gray: Die Staatsanwaltschaft Baltimore hat im Fall Freddie Gray Haftbefehl gegen sechs Polizisten erlassen und Anklage wegen Mordes, Totschlags und fahrlässiger Tötung erhoben. Der Schwarze Freddie Gray war im April gefangen genommen worden – rechtswidrig, wie die Staatsanwaltschaft nun festgestellt hat. Man habe ihm in den Transporter geworfen und ihm medizinische Hilfe auf dem Transport verweigert, woraufhin Gray gestorben ist. Der Spiegel (Markus Feldenkirchen – Onlinefassung), die Montags-FAZ (Andreas Ross) und die Montags-taz (Dorothea Hahn) berichten. Die WamS (Bill Keller) interviewt zu diesem Fall David Simon, Autor der Serie "The Wire".
Italien – Wahlrechtsreform: Am Montag wird das Abgeordnetenhaus in Italien wahrscheinlich ein neues Wahlrecht verabschieden. Es soll klare Mehrheiten im Parlament gewährleisten und damit der jahrzehntelangen italienischen Tradition schwacher, zersplitterter und kurzlebiger Regierungsbündnisse ein Ende setzen, schreibt die Montags-taz (Michael Braun).
Italien – Rentenreform verfassungswidrig: Das Italienische Verfassungsgericht hat die Rentenreform von 2011 zu einem Großteil für verfassungswidrig erklärt. Es sei unverhältnismäßig gewesen, das in der Verfassung verankerte Recht, die Renten zum Ausgleich der Inflation anzuheben, abzuschaffen. Der italienische Staat müsse womöglich mehrere Milliarden Euro an Rentner nachzahlen, meldet die Samstags-SZ.
Sonstiges
Massenwanderung zwischen Großkanzleien: Hochbezahlte Top-Anwälte verlassen die Großkanzlei "Clifford Chance", so häufen sich derzeit die Meldungen. Über den Strategiewechsel der Kanzlei und das Phänomen der "Massenwanderung" zwischen Großkanzleien schreibt die FAS (Corinna Budras/Joachim Jahn).
Drohnen über Gefängnissen: Über das im Justizvollzug relativ neue Phänomen des Drogenschmuggels per Drohne schreibt die WamS (Thorsten Jungholt).
Das Letzte zum Schluss
Kunst in der U-Bahn: In Hamburg haben Unbekannte die Eingangstür eines S-Bahn-Waggons zugemauert. Ist das Kunst? Mag sein, und vielleicht kommt's in die nächste Strafrechtsklausur, meint Udo Vetter (lawblog.de). Vetter zählt schon mal die denkbaren Straftatbestände auf.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. bis 4. Mai 2015: BND und die Geheimdienstkontrolle – Tarifeinheit im Bundestag – Mordanklage im Fall Freddie Gray . In: Legal Tribune Online, 04.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15428/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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