Sebastian Edathy muss 5.000 Euro bezahlen. Doch an wen? Jetzt hat das LG Verden eine Lösung gefunden. Außerdem in der Presseschau: Alternative zu CETA-Schiedsgerichten, Bürger demonstrieren gegen Justizwillkür in Siegen, Helmut Kohl vor neuem Gerichtserfolg, in Irland ist Ecstasy einen Tag lang straffrei erhältlich - und warum ein Erfolg in der Wiesbadener Spielbank zu Verkehrstoten führte.
Thema des Tages
LG Verden zu Edathy-Geldauflage: Vorige Woche hatte das Landgericht Verden das Kinderpornografie-Verfahren gegen den Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy bei Zahlung einer Geldauflage von 5.000 Euro eingestellt. Eigentlich sollte das Geld an den Kinderschutzbund fließen, der die Annahme jedoch verweigerte. Das LG bestimmte deshalb in einem neuen Beschluss den Jugend- und Kinderfeuerwehrverband Niedersachsen, der das Geld tatsächlich annehmen wird, wie spiegel.de meldet.
Die FAZ (Reinhard Bingener) berichtet, dass die Geldverweigerung für den Kinderschutzbund unter dem Strich lukrativ war, da der Verband zugleich 40.000 Euro Spenden erhielt. Außerdem beschreibt der Artikel die zu verteilenden Summen, den Entscheidungsmechanismus, das Bußgeldmarketing mancher Verbände und den Ruf nach mehr Kontrolle.
Rechtspolitik
Ersatzausweise für Terrorverdächtige: Andrea Voßhoff, die Bundesdatenschutzbeauftragte, hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung kritisiert, mit dem Ersatzausweise für Terrorverdächtige eingeführt werden, um so deren Ausreise in Kampfgebiete zu verhindern. Die Ersatzausweise hätten stigmatisierende Wirkung, so Voßhoff, weil sie anders aussehen als normale Ausweise. Außerdem seien die Voraussetzungen für den Ausweisentzug im Gesetz zu ungenau definiert. Über Voßhoffs Kritik berichtet die FAZ (Johannes Leithäuser).
CETA - Investorenschutz: In einem Interview mit der taz (Christian Rath) kritisiert Katarina Barley, die Justiziarin der SPD-Fraktion, die geplante Schiedsgerichtsbarkeit im EU-kanadischen Freihandelsvertrag CETA. Nach ihrem Vorschlag sollen Investoren, die sich benachteiligt fühlen, beim Europäischen Gerichtshof und beim Supreme Court von Kanada klagen können. Der von SPD-Chef Sigmar Gabriel angeregte Internationale Handelsgerichtshof komme für CETA wohl zu spät.
Cannabiskontrollgesetz: Der Strafrechtsprofessor Kai Ambos stellt in einem SZ-Gastbeitrag einen Gesetzentwurf der Grünen vor. "Praktisch würde dies bedeuten, dass jeder Erwachsene bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen und konsumieren darf". Die Abgabe von Cannabis an Jugendliche bliebe aber strafbar. Ambos kritisiert die vorgeschlagene Cannabissteuer; wenn der legale Preis zu hoch sei, könne der illegale Schwarzmarkt nicht trockengelegt werden.
Justiz
Demo gegen Justiz in Siegen: In Siegen demonstrierten 600 Bürger gegen Justizwillkür, berichtet Bild (Frank Schneider). Anlass war der Freispruch für einen Richter, den zwei Polizisten angezeigt hatten, weil er mit seinem Auto bei Rot über eine Ampel gefahren sein soll. Nach dem Freispruch erhob die Polizei Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen den freisprechenden Richter. Das Verfahren wurde aber eingestellt, was ebenfalls die Proteste befeuerte.
BSG zu Teilhabepaket: Der Bund hat den Ländern im Jahr 2012 rund 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit diese ein Teilhabepaket für sozial schwache Kinder (z.B. für Nachhilfekosten und die Mitgliedschaft in Sportvereinen) finanzieren können. Da 284 Millionen Euro von den Ländern nicht abgerufen wurden, verrechnete die Bundesregierung dies im nächsten Jahr. Gegen die Verrechnung klagten die Länder NRW, Niedersachsen und Brandenburg erfolgreich beim Bundessozialgericht, melden die FAZ (Joachim Jahn) und lto.de.
OLG Köln - Helmut Kohl: Der Ex-Kanzler wird mit seiner Klage gegen das Buch "das Vermächtnis" vermutlich auch beim Oberlandesgericht Köln Erfolg haben. Das prognostiziert die SZ (Bernd Dörries) nach der mündlichen Verhandlung. Kohl-Biograf Heribert Schwan habe mit der Verwertung alter Tonbänder wohl Vertragsbruch begangen. Möglicherweise dürfen alle 115 von Kohl beanstandeten Zitate nicht mehr verbreitet werden. Das OLG würde damit sogar über das Urteil des Landgerichts Köln hinausgehen, das immerhin ein Dutzend Zitate für zeitgeschichtlich relevant hielt.
LG Köln - Werbeblocker: Der Axel-Springer-Verlag klagt gegen den Hersteller der Werbeblock-Software Adblock plus, die Werbung auf Webseiten erkennt und ausblendet. Bei der Verhandlung vor dem Landgericht Köln, über die die SZ (Jannis Brühl) berichtet, zeichnet sich eine Niederlage für Springer ab. Das Gericht werde wohl nicht generell verbieten, Werbung auf Springer-Webseiten zu blockieren. Allerdings hielten es die Richter "in hohem Maße wettbewerbsrechtlich für bedenklich", ausgewählte Werbung von extra zahlenden Werbekunden doch zuzulassen.
ArbG Braunschweig - befristete Arbeitsverträge: Das Arbeitsgericht Braunschweig hat schon vor einem Jahr dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 14 Absatz 2 Satz 2 des "Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge" gegen das Grundgesetz verstößt. Darauf weist blog.beck.de (Christian Rolfs) hin. Nach der angegriffenen Vorschrift ist die Befristung eines Arbeitsvertrags bis zu zwei Jahren möglich, außer es gab "zuvor" schon einmal einen befristeten Vertrag mit diesem Arbeitgeber. Das BAG hatte 2011 entschieden, dass "zuvor" nur die letzten drei Jahre meine, das ArbG Braunschweig teilt diese einschränkende Auslegung aber nicht und hält die Vorschrift deshalb für verfassungswidrig.
Rechnungshof und Wulff-Ermittlungen: Der niedersächsische Landesrechnungshof hat die Anregung eines Bonner Anwalts abgelehnt, die angeblich "exzessiven" Ermittlungen im Korruptionsverfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff zu untersuchen, meldet lto.de. Der Rechnungshof will aber überlegen, ob eine generelle Überprüfung der Arbeitsweise und Ressourcenplanung der Staatsanwaltschaften angebracht ist.
Recht in der Welt
Italien - Berlusconi: Das Kassationsgericht in Rom bestätigte in letzter Instanz den Freispruch von Ex-Regierungsschef Silvio Berlusconi vom Vorwurf, er habe Sex mit einer minderjährigen Prostitituierten gehabt und in ihrem Interesse Amtsmissbrauch begangen, meldet zeit.de.
EGMR - Transsexuelle in der Türkei: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine gesetzliche Bestimmung in der Türkei beanstandet, wonach als Frauen geborene Transsexuelle sich nur dann zum Mann umoperieren dürfen, wenn sie unfruchtbar sind. Das meldet zeit.de.
Irland - straffreie Drogen: Ein Berufungsgericht in Dublin hat eine Verordnung für nichtig erklärt, mit der vor vier Jahren rund 100 Drogen, darunter bestimmte Ecstasy-Arten, für strafbar erklärt wurden. Die Regierung hatte mit dem Urteil gerechnet und eine Gesetzesvorlage vorbereitet, die das irische Parlament binnen 24 Stunden beschließen wollte, um die Straflücke sofort wieder zu schließen, berichtet spiegel.de.
Niederlande - Justizminister zurückgetreten: Der niederländische Justizminister Ivo Opstelten und sein Staatssekretär Fred Teeven (beide rechtsliberal) sind zurückgetreten. Hintergrund ist ein Deal den Teeven als Staatsanwalt im Jahr 2000 mit einem Drogenhändler geschlossen hatte, um einen noch größeren Drogenboss verfolgen zu können. Dem Drogenhändler wurden damals umgerechnet 2,1 Millionen Euro zurückgegeben. Opstelten musste zurücktreten, weil er das Parlament über den Vorgang falsch informiert hatte, berichtet die FAZ (Michael Stabenow).
Sonstiges
Mindestlohn: Der Anwalt Christian Oberwetter befasst sich auf lto.de mit der Berechnung des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde. Er kommt zum Schluss: "Der Großteil der Zulagen und Sonderzahlungen hat keine Auswirkung auf den nach dem Mindestlohngesetz geschuldeten Stundenlohn."
Torpedoklagen: Die Anwältin Ulrike Gantenberg stellt in der FAZ die seit Januar geltende EU-Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von staatlichen Gerichtsurteilen (EuGVVO) vor. Sie soll verhindern, dass Gerichtsstandsvereinbarungen von einer Seite durch Anrufung eines unzulässigen Gerichts torpediert werden können. Bisher war das Verfahren am zulässigen Gericht blockiert, künftig soll das Verfahren am unzulässigen Gericht ausgesetzt werden.
Leutheusser-Schnarrenberger im Interview: Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht im Interview mit juwiss.de (Hannes Rathke/Thomas Wierny) über den europäischen Verfassungsgerichtsverbund, innere Sicherheit und muslimische Friedensrichter.
Das Letzte zum Schluss
Glückspiel ist gefährlich: Ein 51-jähriger Mann gewann in der Wiesbadener Spielbank 514.000 Euro. Anschließend feierte er mit der Familie und Freunden, nahm Alkohol und Drogen zu sich, statt zu schlafen. Auf der Autobahn wendete er und tötete bei einer Kollision einen Autofahrer. Derzeit verhandelt das Landgericht Wiesbaden gegen den Geisterfahrer wegen fahrlässiger Tötung. spiegel.de und bild.de berichten.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. März 2015: Edathy und die Kinderfeuerwehr – Demo gegen Justiz in Siegen – ein Tag straffreie Drogen in Irland . In: Legal Tribune Online, 11.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14905/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
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