Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte sollen künftig mit Mindestfreiheitsstrafe bedroht sein. Außerdem in der Presseschau: Der Bundestag muss Dokumente über Parteispenden herausgeben und EuGH verhandelt über Urheberrechtsschutz im Netz.
Thema des Tages
Tätlichkeiten gegen Amtsträger: Tätlichkeiten gegenüber Polizeibeamten sollen zukünftig härter bestraft werden als Übergriffe gegen andere Menschen. Das Bundeskabinett beschloss am gestrigen Mittwoch, den neuen Straftatbestand § 114 Strafgesetzbuch für "Tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte" einführen zu wollen. Für solche Taten soll dann stets Freiheitsstrafe vorgesehen sein – bislang konnten auch Geldstrafen verhängt werden. Es berichten unter anderem die SZ (Ronen Steinke) und lto.de.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert, Wertschätzung für Polizisten sehe anders aus. Der Strafrahmen sei "kein Orden, den man bestimmten Berufsgruppen umhängt". Jost Müller-Neuhof (Tsp) schlägt hierzu vor, "die Polizei mit reichlich qualifiziertem Personal und zeitgemäßem Material auszustatten, um derlei Gesetze zu erübrigen", was ebenso Reinhard Müller (FAZ) fordert. Christian Rath (taz) weist darauf hin, dass entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs Polizisten "im Gegenteil eher weniger schutzbedürftig als normale Bürger" seien. Schließlich seien sie für den Dienst gerüstet und auf Konfrontationen vorbereitet.
Rechtspolitik
Elektronische Fußfessel: Wie angekündigt hat das Bundeskabinett beschlossen, die elektronische Fußfessel für haftentlassene Straftäter auszuweiten. Unter anderem sollen als Anlasstaten, bei denen die elektronische Fußfessel angeordnet werden kann, künftig weitere aufgenommen werden, die typischerweise islamistischen Extremisten zugeschrieben werden, berichtet lto.de.
Asylrecht und Rückführungen: Auf dem Bund-Länder-Treffen der Ministerpräsidenten am heutigen Donnerstag soll ein 16-Punkte-Plan zur Erleichterung von Abschiebungen verabschiedet werden. Vorgesehen sind unter anderem ein gemeinsames Rückkehrzentrum für Sammelabschiebungen und Dokumentenbeschaffung sowie Abschiebungshaft bei erheblichen Sicherheitsgefahren. Es berichten spiegel.de, die Welt (Manuel Bewarder/Marcel Leubecher) und die FAZ (Julian Staib).
Entschädigungsansprüche bei seelischen Schäden: Wenn etwa durch Straßenverkehrsunfälle, Arztfehler oder vorsätzliche Taten Menschen ums Leben kommen, sollen nahestehende Personen zukünftig auch dann eine Entschädigung erhalten, wenn sie nur einen seelischen Schaden davongetragen haben. Das Bundeskabinett hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Bislang war ein Ersatz nur möglich, wenn sich der seelische Schaden auch körperlich auswirkte, etwa bei einem Schock, erläutert die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Europäische Staatsanwaltschaft: 17 der 28 EU-Staaten wollen nach jahrelanger Planung gemeinsam die Europäische Staatsanwaltschaft einrichten. Aufgabe der Behörde wird sein, Betrugstaten zu Lasten des europäischen Haushalts zu verfolgen, wobei sie weitreichende eigenständige Eingriffsbefugnisse hat, berichtet die FAZ (Michael Stabenow).
Social Media und Regierungs-PR: Vor dem Hintergrund, dass auf Plattformen der Sozialen Medien die Grenzen zwischen journalistischen Informationen und Privatmeldungen immer weiter verschwämmen, kritisiert der wissenschaftliche Mitarbeiter Matthias Friehe auf juwiss.de auch das Veröffentlichungsverhalten der Bundesregierung. Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung zwischen Information und Wahlwerbung würden unterlaufen; auch die Löschung von Kommentaren sei hier grundrechtsrelevant.
Justiz
BVerwG – Elbvertiefung: Am heutigen Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Elbvertiefung vor dem Hamburger Hafen. Seit etwa zehn Jahren klagen Umweltverbände gegen den weiteren Fahrrinnenausbau, berichtet die SZ (Thomas Hahn/Angelika Slavik).
EuGH – Filesharing und Netzsperren: Der Europäische Gerichtshof muss darüber entscheiden, wann Netzsperren im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet zulässig sein sollen. Die Rechtsanwälte Ulrike Grübler und Michael Schidler stellen auf lto.de die Schlussanträge des Generalanwalts und die Rechtslage in Deutschland vor.
EuGH zu vergleichender Werbung: Wenn ein Supermarkt damit wirbt, günstiger als seine Konkurrenten zu sein, muss der Vergleich verschiedene Preise in verschiedenen Märkten des Konkurrenten berücksichtigen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof und setzte damit seine Rechtsprechung zu Werbeauflagen für Discountermärkte fort, schreibt Rechtsanwalt Ingo Jung auf lto.de.
VG Berlin zu Parteispenden: Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Bundestag verurteilt, interne Unterlagen zu Parteispenden offenzulegen. Die klagende Organisation Abgeordnetenwatch hatte unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) argumentiert, dass die jährlichen Rechenschaftsberichte nicht genügten, um die Zahlungen transparent zu machen, berichtet spiegel.de (Christian Teevs).
BGH zu Durchsuchung wegen Cum-Ex-Deals: Der BGH hat eine Bürodurchsuchung in der Großkanzlei Freshfields abgelehnt. Diese hatte der zuständige Untersuchungsausschuss des Bundestags beantragt, um die Hintergründe der "Cum Ex"-Deals aufklären zu helfen, schreibt die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
OLG München zu HIV-Infektion: Weil er seine frühere Lebensgefährtin mit HIV ansteckte, verurteilte das Oberlandesgericht München einen Mann zu einer Schmerzensgeldzahlung von 71.000 Euro. Er hatte ihr auf Nachfrage versichert, einen Test zu machen, dies dann aber unterlassen und dennoch versichert, er sei gesund, meldet die FAZ.
OLG Düsseldorf – Bestpreisklausel: Im Verfahren um die sogenannte Bestpreisklausel des Online-Hotelvermittlers Booking.com hat das Oberlandesgericht Düsseldorf überraschend angekündigt, Chancen für das Portal zu sehen. Booking.com hatte den Hotels, die über die Seite buchbar sein wollten, vertraglich günstigere Konditionen auf anderen Buchungswegen verboten. Das Bundeskartellamt beanstandete dies, eine einstweilige Anordnung beim OLG Düsseldorf scheiterte, berichten die SZ (Caspar Busse) und die FAZ (Marcus Jung).
LG Berlin – Missbrauchsprozess: Vor dem Landgericht Berlin läuft derzeit ein Prozess gegen ein mutmaßliches Netzwerk von Männern, denen sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wird. Die Taten werden allerdings auf den Zeitraum zwischen 2002 und 2009 datiert; inzwischen kann nur noch gegen einen der fünf Verdächtigen verhandelt werden. Die SZ (Christian Endt) berichtet von den Ermittlungspannen.
LG Würzburg – Syrer gegen Facebook: Auch die Zeit (Johannes Gernert) berichtet nun über den Syrer Anas Modamani, der Facebook verklagt, nachdem er aufgrund seines Fotos mit Angela Merkel im Netz von rechten Hetzern missbraucht wurde, und über seinen Anwalt Chan-jo Jun.
AnwG Frankfurt zu Sexualstraftaten eines Anwalts: Begeht ein Anwalt Sexualdelikte, müssten hierüber die ordentlichen Strafgerichte befinden. Das Anwaltsgericht Frankfurt (Main) erklärte sich für nicht zuständig, da sich die Taten auf die berufsrechtlichen Anforderungen an den Anwalt nicht auswirkten, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
GBA – Terrorismusbekämpfung: Die SZ (Heribert Prantl) schreibt über die Schwierigkeiten der Bundesanwaltschaft in Terrorismusermittlungen. Mit Zunahme der Verfahren seien auch viele neue Stellen geschaffen worden, diese könnten jedoch oft nicht besetzt werden – hierzu müssten die Länder erfahrene Staatsanwälte abordnen.
Recht in der Welt
Russland – Haftstrafe für Putin-Konkurrenten: Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist erneut wegen angeblichen Holzdiebstahls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Dasselbe Gericht hatte ihn 2013 verurteilt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezeichnete das Verfahren jedoch als unfair, weshalb das Obersten Gericht Russlands das Urteil aufhob. Die nun gefällte Entscheidung ist jedoch nahezu wortgleich mit der ersten, berichtet die FAZ (Friedrich Schmidt).
Türkei – Kurdische Anwältin: Die taz (Julia Maria Amberger) berichtet ausführlich über die junge kurdische Anwältin Ayşe Acinikli, die wegen ihres Einsatzes für kurdische Mandanten immer wieder Repressionen und Terrorismusvorwürfen ausgesetzt war. Sie schildert die Umstände ihrer Arbeit und die Entwicklung der Situation in der Türkei.
USA – Supreme-Court-Ernennung: US-Präsident Trump hat den Bundesrichter Neil M. Gorsuch als neuen Richter am Supreme Court nominiert. Über die Person Gorsuchs und mögliche Auswirkungen der Ernennung auf den Supreme Court und das Rechtssystem der USA berichtet Rechtsreferendarin Nicole Schreier auf verfassungsblog.de.
Rumänien – Korruption: zeit.de (Silviu Mihai) porträtiert die rumänische Staatsanwältin Laura Kövesi, die engagiert gegen Korruption vorgeht und gegen Politiker und Eliten ermittelt.
Kroatien – Ermordung von SZ-Reporter: Mehr als 25 Jahre nach der Tötung des SZ-Reporters Egon Scotland in Kroatien, 1991, steht der einstige serbische Milizenführer Dragan Vasiljković als Angeklagter vor Gericht. Er bestreitet die Tat, es gibt jedoch belastendes Material, wie die SZ (Hans Holzhaider) auf Seite drei berichtet.
Sonstiges
Datenschutzrecht: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) schreibt über die Fortschritte des Datenschutzrechts, das sich "seit dem Volkszählungsurteil aus dem Lochkartenzeitalter" zu einem "kaum durchdringbaren Fachgebiet mit regionalen Besonderheiten" entwickelt habe. Zurzeit stehen mehrere rechtliche Neuerungen an, wie die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung und die E-Privacy-Verordnung. Wichtiger als Datenschutzregelungen sei inzwischen aber die Datensicherheit, für die es vor allem guter Technik bedürfe.
Das Letzte zum Schluss
Stinkefinger nicht vorgesehen: Das Amtsgericht Zeitz stellte fest, "dass der Betroffene mit dem Fahrzeug mit Kennzeichen auf der Front- und der Heckseite fuhr, bei denen er jeweils in den EU-Sternenkranz einen Stinkefinger-Aufkleber platziert hatte". Er hatte dabei offenbar übersehen, dass in der Fahrzeugzulassungsverordnung dieser Stinkefinger "nicht vorgesehen" ist. Wegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums wurde die Geldbuße gemildert. Es berichtet Verkehrsrecht-Blog (Alexander Gratz).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Februar 2017: Polizisten schutzwürdiger? / Parteispenden aufdecken? / Netzsperren gegen Filesharing? . In: Legal Tribune Online, 09.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22043/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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