BVerfG-Bashing beim Italiener in der Friedrichstraße? Die FAZ berichtet von Überlegungen, die Karlsruher Kompetenzen zu beschneiden. Außerdem in der Presseschau: EU-Mitglieder wollen doch noch Banken retten, die Haftung für den Familien-Internetanschluss bleibt ungeklärt, das Grundgesetz ist ein Donut und ein Zollhund pinkelt ziemlich teuer in die Stube.
Thema des Tages
BverfG-Bashing: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet über ein Treffen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit "einigen ausgesuchten Staatsrechtslehrern" am Mittwochabend beim Italiener. Dabei habe man auch darüber gesprochen, wie man die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts einschränken könne. Vorschläge seien etwa, weniger Professoren nach Karlsruhe zu schicken, die zwölfjährige Amtszeit zu verkürzen oder eine Wiederwahl einzuführen. Außerdem gebe es Überlegungen, dem Gesetzgeber per Grundgesetzänderung mehr Spielraum in europarechtlichen Fragen zu geben oder das Verwerfen von Gesetzen von einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat abhängig zu machen. De Maiziére habe sich im Gespräch "dem Vernehmen nach gewohnt nüchtern und auch selbstkritisch" gezeigt. Besonders skeptisch gegenüber den Karlsruher Richtern sei Bundesfinanzminister Schäuble, der an dem Treffen jedoch nicht habe teilnehmen können. In Karlsruhe zeigte man sich offenbar wenig begeistert, ein Verfassungsrichter soll geäußert haben, er empfinde die Vorschläge als "Bashing".
Rechtspolitik
EU - "Tricks" zur Bankenrettung: Mit einem "Trick" wollen die EU-Mitgliedstaaten weiter staatliche Bankenrettungen ermöglichen, berichtet die SZ (Andrea Rexer). Eigentlich sehe die geplante Abwicklungsrichtlinie vor, an der Bankenrettung die Gläubiger und nicht die Steuerzahler zu beteiligen. Insbesondere Großbritannien fordere jedoch Ausnahmen, die die Richtlinie aufweichen: Bei staatlichen Garantien an Banken und bei Liquiditätshilfen von Notenbanken sollen die Gläubiger nicht beteiligt werden.
Netzneutralität: Das EU-Parlament hat über neue Regelungen zur Internetnutzung abgestimmt. Insbesondere soll die Netzneutralität weitgehend gewahrt werden – das bedeutet, dass grundsätzlich alle Datenpakete gleich behandelt werden, nur in Ausnahmefällen sind Spezialdienste zulässig. Es berichten die SZ (Varinia Bernau/Javier Cáceres) und die taz (Svenja Bednarczyk/Dinah Riese).
EU-Kommission zu Bürgerinitiative: Die EU-Kommission musste erstmals auf eine Europäische Bürgerinitiative antworten. Dabei geht es um die Initiative "right2water", die in 18 Vorschlägen gefordert hatte, das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung EU-weit umzusetzen. Die Antwort der Kommission falle "wässrig" aus, schreibt Sarah Schadendorf auf juwiss.de, die Kommission habe vor allem bestehende Maßnahmen aufgelistet und zu manchen Forderungen keine ausdrückliche Position bezogen. Ungeklärt sei, ob die Initiatoren gegen eine solche unvollständige Mitteilung gerichtlich vorgehen können.
Neue Präsidenten an BVerwG und BGH: Nach Informationen der SZ (Wolfgang Janisch) soll der bisherige Vize-Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Klaus Rennert, das Präsidentenamt übernehmen. Für die Spitze des Bundesgerichtshofes gelte Bettina Limperg, bisher Amtschefin im baden-württembergischen Justizministerium als wahrscheinlichste Kandidatin.
Maas zu Justiz und Medien: Medienschelte und mehr Geld für die Justiz – Helene Bubrowski (FAZ) kritisiert die allzu populären Äußerungen von Bundesjustizminister Heiko Maas, als der am Mittwochabend die Teilnehmer des Richter- und Staatsanwaltstags in Weimar begrüßte. Während Maas fordere, die Justiz dürfe sich nicht von den Medien treiben lassen, erwecke er den Anschein, sich von seinem Publikum treiben zu lassen.
Justiz
EuGH zu Netzsperren: Der Rechtsanwalt Eberhard Kromer bespricht auf dem Handelsblatt Rechtsboard das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. März, wonach Internetanbieter dazu verpflichtet werden können, Internetseiten mit Urheberrechtsverstößen zu sperren. Das Urteil sei ein "Meilenstein", die Abwägungen des EuGH zu den unternehmerischen Rechten der Internetanbieter einerseits, den Urheberrechten andererseits sowie der Informationsfreiheit der Internetnutzer seien "Wegmarken für notwendige Regeln im Internet".
BSG zu Unternehmensjuristen: Syndikusanwälte können nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden. Ihre Weisungsgebundenheit stehe dem Bild des unabhängigen Anwalts entgegen. Das hat das BSG am Donnerstag entschieden, wie lto.de berichtet.*
BGH zu Rabattaktion: Für jede Eins im Schulzeugnis zwei Euro Rabatt – der Elektronikkonzern Media Markt darf weiter solche Werbeaktionen veranstalten. Der Bundesgerichtshof hat eine Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen abgewiesen, der die Kampagne als unlauter verbieten lassen wollte. Die SZ (Robert Gast) berichtet.
Haftung bei Filesharing: Die Frage, inwiefern der Inhaber eines Internetanschlusses in Filesharing-Fällen haftet, wenn weitere Familienmitglieder selbstständig das Internet mitnutzen, bleibt ungeklärt. Das Amtsgericht Bielefeld hatte am 6. März die Klage eines Tonträgerherstellers abgewiesen, das Landgericht München I hat am 19. März "vollständig gegensätzlich" entschieden, so Thomas Stadler (internet-law.de). Angesichts dieser unterschiedlichen Rechtsauffassungen sei es "haarsträubend", dass das LG München dabei keine Revision zugelassen hatte.
LG Rottweil – verminderte Schuldfähigkeit wegen Fasten: spiegel.de berichtet knapp über einen Fall vor dem Landgericht Rottweil. Im Juli vergangenen Jahres hatte ein 39-Jähriger aus Wellendingen im Streit seinen Nachbarn erschossen. Ein Gutachten attestierte dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit, wohl auch deshalb, weil er Ramdan hielt und seit 14 Stunden nicht gegessen und getrunken hatte. Die Staatsanwaltschaft habe sich der Auffassung des Gutachters angeschlossen, zugleich aber betont, dies habe keine wesentlichen Auswirkung auf das Strafmaß – sie fordert 13 Jahre Haft wegen Totschlags.
LG München – Mundlos-Mutter im NSU-Prozess: Im NSU-Prozess vor dem Landgericht München hat die Mutter von Uwe Mundlos als Zeugin ausgesagt. Ihren Sohn habe sie das letzte Mal im Jahr 1998 gesehen - offenbar verabschiedete er sich, bevor das Trio untertauchte. Die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Björn Hengst) berichten.
Anti-Folter-Stelle: Die Nationale Stelle für die Verhütung von Folter bemängelt in ihrem Jahresbericht für 2013 Missstände bei der Unterbringung von Menschen in staatlichem Gewahrsam, insbesondere die Zustände in Abschiebegefängnissen. Anhaltspunkte für Folter gebe nicht. Das berichtet die taz (Christian Rath).
*Anm. d. Red. v. 04.04.2014, 9:45 Uhr: Dieser Abschnitt wurde erst nachträglich eingefügt.
Recht in der Welt
USA – Wahlkampf-Spenden: Der US Supreme Court hat die bisherige Obergrenze für Wahlkampfspenden aufgehoben. Wie die taz (Bernd Pickert) erklärt, dürfen zwar weiter maximal 5.200 Dollar an einen Kandidaten gespendet werden – allerdings können die Spender nun beliebig viele Kandidaten unterstützen und in unbegrenzter Höhe an die Partei spenden. Im gesonderten Kommentar schreibt Bernd Pickert (taz), statt dem Grundsatz "ein Mensch eine Stimme" gelte "eine Stimme ist wichtig, ein Scheck ist wichtiger". Nicolas Richter (SZ) kritisiert, es sei "lebensfremd", Millionenbudgets "bloß eine Teilnahme an der Demokratie zu nennen" und die Großspenden mit der Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Auch Moritz Koch (Handelsblatt) kommentiert, ein "wirklichkeitsfremderes Urteil" könne man sich kaum vorstellen.
Sonstiges
NSA-Untersuchungsausschuss: Heribert Prantl (SZ) kommentiert den Untersuchungsausschuss zum US-Geheimdienst NSA. Das Grundgesetz gleiche einem Donut, es sei in der Mitte hohl – in dieser hohlen Mitte könne die US-Gewalt Kommunikationsdaten ausforschen und den Drohnenkrieg steuern, ohne dass die deutsche Justiz sie daran hindere. Nun solle der NSA-Untersuchungsausschuss klären, "wie es zum Loch im Grundgesetz kommen konnte, wie groß es ist und was dagegen getan werden kann". Die Mitglieder des Ausschusses müssten dieser Aufgabe mit Ernst, Mut und Verantwortungsbewusstsein nachkommen.
Psychosoziale Prozessbegleitung: Die FAZ (Frank Pergande) berichtet über das Programm einer psychosozialen Prozessbegleitung in Mecklenburg-Vorpommern. Die Prozessbegleiter stehen Kindern und Jugendlichen zur Seite, die Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt geworden sind und im Verfahren aussagen sollen.
Versteckte Werbung: Das Verbot von Schleichwerbung und Product Placement gelte auch für Youtube-Videos, erklärt der Rechtsanwalt Markus Ruttig auf lto.de. Selbst wenn sich die Nutzer nicht daran stören, verstoße nicht kenntlich gemachte Werbung gegen die EU-Richtlinie über audiovisuelle Werbung und gegen den Rundfunkstaatsvertrag. Das ARD-Magazin "Report Mainz" hatte zuvor versteckte Werbung in den Youtube-Comedy-Videos "Y-Titty" kritisiert.
Das Letzte zum Schluss
Zollhund pinkelt in die Wohnung: Wer zahlt eigentlich, wenn der Zollhund dem Zollhundeführer auf den Dielenboden seiner Wohnung pinkelt – und dabei angeblich fast 3.000 Euro Schaden anrichtet? Nicht etwa die Bundesrepublik, erklärte das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Der Hund hätte nämlich in den Zwinger gehört. So lawblog.de (Udo Vetter).
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lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. April 2014: Berliner BVerfG-Bashing – "Tricks" zu Bankenrettung – Haftung bei Filesharing . In: Legal Tribune Online, 04.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11562/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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