Seit zweieinhalb Jahren sitzt ein unter anderem wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge Angeklagter in U-Haft, nun gab das OLG seiner Haftbeschwerde statt. Die Hauptverhandlung hätte schneller gehen müssen.
Ein wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge und sexuellen Missbrauchs von Kindern erstinstanzlich, aber noch nicht rechtskräftig verurteilter Mann muss aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Die Hauptverhandlung habe unverhältnismäßig lange gedauert, hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden (Beschl. v. 06.10.2022, Az. 1 Ws 184/22).
Der Angeklagte hat sich seit März 2020 aufgrund eines Haftbefehls in Untersuchungshaft befunden. Im September 2020 hat das Landgericht (LG) Frankenthal wegen der entsprechenden Tatvorwürfe die Hauptverhandlung gegen den damals 17-Jährigen begonnen, das Urteil fiel dann knapp zwei Jahre später im August 2022. Das LG verurteilte den jungen Mann wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Jahren – und sprach ihn im Übrigen frei.
Dieses Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft haben Revision eingelegt.
Nun hat aber das OLG Zweibrücken auf die Haftbeschwerde des Mannes hin den Haftbefehl aufgehoben und die Freilassung des Angeklagten angeordnet. Es begründet dies - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - mit unverhältnismäßiger Fortdauer der Untersuchungshaft. Sie sei infolge der vermeidbaren und dem Angeklagten nicht zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht mehr mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Anspruch des Mannes auf eine beschleunigte Aburteilung vereinbar.
Der Beschleunigungsgrundsatz fordere bei absehbar umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befinde, stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung – und zwar mit mehr als nur durchschnittlich einem Hauptverhandlungstag pro Woche.
In dem konkreten Fall sei in der mehr als 22 Monate dauernden Hauptverhandlung lediglich an 57 Tagen verhandelt worden. An 20 dieser Tage sei auch noch weniger als zwei Stunden verhandelt worden. Die dadurch eingetretene Verzögerung betrage insgesamt knapp sechs Monate. Das sei nicht hinnehmbar, auch nicht vor dem Hintergrund des hohen Gewichts des staatlichen Strafanspruchs in diesem Fall, so das OLG.
pdi/LTO-Redaktion
OLG Zweibrücken gibt Haftbeschwerde statt: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49817 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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