Großkanzleien auf Facebook, Youtube oder Instagram? Da ist noch sehr viel Luft nach oben, ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Doch es gibt auch Positivbeispiele: Hogan Lovells, CMS und Allen & Overy nutzen Social Media am besten.
Eine Berliner Marketingagentur hat untersucht, wie die 20 umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien die verschiedenen Social-Media-Kanäle nutzen. "Viele Kanzleien beraten ihre Mandanten zu Rechtsfragen der digitalen Transformation. Da fanden wir es interessant zu sehen, wie die Kanzleien selbst mit diesem Thema umgehen", sagt Reinhardt Neuhold, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Gerhard. Die Agentur ist auf die Beratung zu Digital-Strategien spezialisiert.
Analysiert wurde, wie die Sozietäten Social Media beispielsweise bei der Kundengewinnung und im Recruitment einsetzen. Zudem haben die Studienautoren ermittelt, wie sichtbar die Kanzleien auf Google sind und welche weiteren digitalen Kanäle genutzt werden. Das etwas ernüchternde, aber wenig überraschende Fazit: "Das Gesamtniveau ist nicht allzu hoch", sagt Neuhold. "Da ist noch viel Luft nach oben."
"Das größte Defizit ist die Unsicherheit in der Ansprache der User", beobachtet Neuhold." Für die Kanzleien scheint es besonders schwierig zu sein, die passende Tonalität in den sozialen Netzwerken zu finden, sowohl sprachlich als auch visuell", sagt er. Die Sachlichkeit der Kanzlei-Branche widerspreche der Emotionalität, die bei Facebook, Twitter und Co. herrsche. Wenn Social Media überhaupt eingesetzt werde, dann fänden kaum öffentliche Interaktion und Dialog statt.
Hogan Lovells, CMS und Allen & Overy an der Spitze
Doch es gibt auch Positivbeispiele: Hogan Lovells nutzt Social Media unter den untersuchten Sozietäten am besten. Die Kanzlei ist mit 24 Punkten der Sieger im Gesamtranking. Auf den Plätzen zwei und drei folgen CMS (22,5 Punkte) und knapp dahinter Allen & Overy (22,25 Punkte). Doch die Spannbreite ist riesig: Die Letztplatzierten im Ranking, KPMG Law und Hengeler Mueller, haben nur 0,5 Punkte geschafft. "Eklatante Unterschiede in der Nutzung von Social Media", resümieren die Autoren der Studie.
Insgesamt ist das Niveau der Social-Media-Nutzung in der Kanzleiwelt ohnehin nicht allzu hoch: Kanzleien konnten im Gesamtranking theoretisch maximal 47,5 Punkte erreichen. Wenn Hogan Lovells bereits 24 Punkte für den ersten Platz reichen, dann zeige das, dass hier "noch viel Potenzial" liegt, wie Neuhold es vorsichtig ausdrückt.
Das Gesamtranking, das die Agentur erstellt hat, ergibt sich aus verschiedenen Teilrankings: Untersucht wurde die Präsenz der Kanzleien auf den Business-Netzwerken LinkedIn und Xing sowie auf Facebook, Twitter, Youtube und Instagram. Zudem wurden die Website, deren Sichtbarkeit auf Google sowie – falls vorhanden – ein Blog in die Analyse einbezogen. Der Erhebungszeitraum war im September und Oktober 2016.
LinkedIn und Xing: die wichtigsten Netzwerke
Die beiden Business-Netzwerke LinkedIn und Xing stehen in der Gunst der Kanzleien ganz weit oben. LinkedIn ist das einzige Netzwerk, auf dem tatsächlich alle der untersuchten 20 Kanzleien vertreten sind, allerdings zum Teil nur mit englischsprachigen Accounts. Die durchschnittliche internationale Top-Kanzlei hat 20.000 Follower auf LinkedIn, als rein deutscher Account liegt CMS mit 3.000 Followern an der Spitze. International betrachtet führt Baker McKenzie die Liste an – mit 90.000 Followern (Stand Herbst 2016).
Baker, Clifford Chance und Allen & Overy sind die Top3 unter den LinkedIn-Nutzern. Sie erreichen mit Informationen zur Unternehmenskultur, inhaltliche Updates und Jobausschreibungen zusammen mehr als 200.000 Follower.
Auf dem deutschen Pendant Xing sind immerhin noch 70 Prozent der 20 umsatzstärksten Kanzleien vertreten. Der durchschnittliche Corporate-Account einer Kanzlei hat 1.000 Follower. Linklaters, Freshfields und CMS sind laut dem Teilranking für dieses Netzwerk die drei Top-Kanzleien. Sie nutzen Xing unter anderem dazu, tagesaktuelle Informationen zu verbreiten.
2/3 Sinn von Facebook "offensichtlich unklar"
Nur knapp die Hälfte der 20 umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland nutzt Facebook, und im Durchschnitt haben die Sozietäten dort bloß 1.472 Fans. Die Studienautoren sprechen daher von "ersten Gehversuchen" auf dieser Plattform. Der mögliche Nutzen des Netzwerks, etwa für das Recruitment, sei vielen Kanzleien offensichtlich unklar.
Mit weit über 5.000 Fans liegt Baker McKenzie hinsichtlich der Fan-Zahl ganz vorne. Auf Platz 1 im Facebook-Ranking der Agentur Gerhard landet indes White & Case, wegen eines besonders hohen Engagements in ihrer Community, wie die Studienautoren sagen. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Hogan Lovells und Luther.
Auch auf Twitter sind nur 45 Prozent der Großkanzleien zu finden. Die durchschnittliche Followerzahl der Kanzlei-Accounts liegt bei 600, und es wird rechnerisch 1,33 mal pro Tag ein Tweet abgesetzt. Jeder dritte Tweet wird von einem oder mehr Followern geteilt, und jeder zweite Tweet wird "geliked".
Kanzleien nutzen das Netzwerk allerdings vor allem für eine einseitige Push-Kommunikation. Ein Dialog mit den Followern finde kaum statt, monieren die Autoren der Studie. Die Tweets von Noerr, Baker und CMS kommen bei den Followern am besten an, die drei Kanzleien führen daher auch das Twitter-Ranking an. "Diese Kanzleien schaffen ein Mindestmaß an Interaktion und betreiben so aktive Markenführung auf Twitter", heißt es in der Begründung.
Unprofessionelle Youtube-Videos
Nur 30 Prozent der Top 20 Kanzleien nutzen Film- und Videomaterial, das auf den deutschen Markt zugeschnitten ist, um auf sich aufmerksam zu machen. Im Durchschnitt hat der Youtube-Kanal einer Sozietät rund 100 Follower, der Median liegt allerdings bei nur acht Followern.
So, wie die Kanzleien Youtube bislang nutzen, schaffe es keinen Mehrwert für sie, finden die Autoren der Studie. Das liege aber vor allem an den Kanzleien selbst: "Die Videos sind zum Teil unprofessionell produziert, viele Möglichkeiten der Plattform bleiben ungenutzt und auch das Engagement lässt sehr zu wünschen übrig", sagen sie.
Eine Ausnahme gibt es: Linklaters setzt für das Recruitment auf Youtube. Die Kanzlei veröffentlicht Videos zu Karrierethemen, sie gibt mit kurzen Clips etwa von einer Ski-Freizeit aber auch Einblicke in das Innenleben der Kanzlei. Job-Interessenten werden über Facebook oder eine eigene Landingpage mit der Kanzlei als Arbeitgeber bekannt gemacht. "Fast eine halbe Million Aufrufe zeigen, dass man auch als Großkanzlei mit Video-Inhalten punkten kann", urteilen die Studienautoren. Auf Platz 2 des Teilrankings für Youtube folgt Rödl & Partner, auf Platz 3 liegt Clifford Chance.
Noch weniger Kanzleien nutzen Instagram. Lediglich 15 Prozent der Top20 sind hier aktiv, und die durchschnittliche Abonnentenzahl liegt bei überschaubaren 300. Sieger in dieser Kategorie ist Allen & Overy, die auf ihrem Account Schnappschüsse aus dem Büro, Bilder von Events oder auch mal ein Selfie postet. "Allen & Overy präsentiert sich auf Instagram authentisch", urteilen die Studienautoren. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Noerr und Baker.
3/3 Blogs und Website: Mit relevanten Inhalten den Traffic steigern
Knapp ein Drittel der untersuchten Kanzleien nutzt einen Blog als Kommunikationsmaßnahme. Die Kanzleien mit den sichtbarsten Blogs sind Beiten Burkhard, CMS und Hogan Lovells.
Das wichtigste Aushängeschild im Netz ist allerdings nach wie vor die Kanzlei-Website: Mandanten, Bewerber, Journalisten und auch Wettbewerber sehen sich hier um. Eine starke Kanzlei-Marke sorgt quasi von alleine für Traffic auf der Website. Um neue Mandate zu gewinnen oder das Image zu schärfen, wäre es aber hilfreicher, den Traffic über relevante Themen zu generieren, schreiben die Studienautoren. Die inhaltlich relevantesten Websites haben Rödl & Partner, White & Case und Gleiss Lutz. Am sichtbarsten bei Google sind allerdings die Websites von Rödl, CMS und Noerr.
Keine Strategie, keine Routine
Insgesamt stellen die Studienautoren den großen Wirtschaftskanzleien ein schlechtes Zeugnis aus: Die Kanzleien unterschätzten den Einfluss von Suchmaschinenmarketing massiv. Sie hätten meist keine Strategie, was den Einsatz von Social Media angeht. Zudem fehle es an Routine im Umgang mit den Netzwerken als Marketing-Tool.
Alle Hoffnung verloren also? Nicht ganz, meint Reinhardt Neuhold: "Die Relevanz von digitaler Kommunikation und Markenführung ist in den Kanzleien angekommen", sagt er. Aber es sei offensichtlich schwer, in den bestehenden Strukturen entsprechende Maßnahmen schnell umzusetzen.
Viele Partner setzen für Marketing und Akquise nach wie vor auf persönliche Kontakte und Publikationen in Print-Medien, beobachtet Neuhold. "Bei Online-Maßnahmen wird viel häufiger die Frage gestellt: Was bringt mir das?", sagt er. Natürlich sei es wünschenswert nachzufragen, welche Maßnahmen in Bezug auf ein Ziel sinnvoll sind. "Gerade online lässt sich alles analysieren. Aber genau hier fehlt es oft an Know-how beim Messen und bei der Zieldefinition", so Neuhold. Klassische Maßnahmen würden dagegen meist nicht hinterfragt.
Unter den Top-10-Kanzleien im Social-Media-Ranking weisen sechs Sozietäten ein überdurchschnittlich hohes Umsatzwachstum aus. Die Agentur Gerhard sieht hier "keinen Beweis, aber ein Indiz" für die Relevanz von Social Media und Google bei der digitalen Markenführung.
Dass Youtube-Videos, Tweets und Facebook-Posts tatsächlich zu einem Umsatzplus führen, dürfte wohl schwer zu belegen sein. Dennoch tun Kanzleien und ihre Anwälte gut daran, wenn sie ihre Marketingaktivitäten auf die digitale Welt übertragen. Die Agentur Gerhard hat jedenfalls vor, auch im nächsten Jahr ein Ranking zur Social-Media-Nutzung durch Großkanzleien zu erstellen.
Anja Hall, Studie: Kanzleien und Social Media: Keine Strategie, keine Routine . In: Legal Tribune Online, 16.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22389/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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