Russian Roulette oder Texas Shoot-out – Begriffe, die martialisch klingen, die aber jeder M&A-Anwalt kennen sollte. Denn mit ihnen lassen sich Gesellschafterkonflikte lösen. Dirk Kramer erklärt, was es damit auf sich hat.
1/5 Konflikt lösen, Stillstand vermeiden
Im Rahmen eines Joint Ventures sind Parteien häufig zu gleichen Teilen an einer Gesellschaft beteiligt. Dabei kann es zu einem Deadlock – englisch für "Stillstand" – kommen. Der Deadlock beschreibt eine Situation, in der sich zwei Parteien, Gesellschafter oder auch Geschäftsführer, blockieren und eine Entscheidungsfindung durch Mehrheitsbildung nicht möglich ist.
In einem solchen Fall sind sogenannte Deadlock Provisions zweckmäßig. Diese Klauseln sollen den Fortbestand des Unternehmens trotz eines vermeintlich unlösbaren Konflikts zwischen zwei Parteien sicherstellen. Pattsituationen aufzulösen ist eine gestalterische Herausforderung für jeden Joint-Venture oder Gesellschaftsvertrag (bzw. Gesellschaftervereinbarung). Charakteristischerweise definiert man dabei bestimmte, besonders bedeutsame Themen, sogenannte Deadlock Events. Wenn die Gesellschafter uneinig sind, steht es ihnen frei, ein vorab festgelegtes Verfahren zu initiieren.
2/5 Russian Roulette
Eine rasche und radikale Lösungsmöglichkeit bei einem Deadlock ist das Russian Roulette. Grundidee ist, dass der ausstiegswillige Gesellschafter dem anderen Gesellschafter ein Angebot zum Verkauf und Abtretung seines Geschäftsanteils unterbreitet.
Der andere Gesellschafter hat dann die Qual der Wahl: Entweder er nimmt das Angebot innerhalb einer vereinbarten Frist an und wird somit Alleingesellschafter. Oder er muss die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile dem anderen Gesellschafter zu den genannten Konditionen zum Kauf anbieten.
Die Besonderheit des Verfahrens liegt darin, dass die Käufer- und Verkäuferrollen erst bei der Durchführung definiert werden. Es bleibt dem Zufall überlassen, welcher Gesellschafter schneller bietet und damit den anderen unter Zugzwang setzt.
3/5 Texas Shoot-Out
Eine andere dramatische Lösungsmöglichkeit ist der Texas Shoot-Out. Dieses Verfahren beginnt mit einem Angebot zum Kauf der Geschäftsanteile des Vertragspartners. Dieser kann das Angebot annehmen oder muss seinerseits ein erhöhtes Kaufangebot für die Anteile des anderen abgeben. Wird das erhöhte Angebot wiederum abgelehnt, wechselt die Angebotsberechtigung erneut, bis das Verfahren durch Annahme beendet wird. Eine etwas andere – und vielleicht auch elegantere – Variante ist, dass beide Parteien einem Dritten gegenüber ein Verkaufsangebot für die Geschäftsanteile des jeweils anderen abgeben (Sizilianische Eröffnung). Der Höchstbietende muss dann die Geschäftsanteile des anderen zum aufgerufenen Preis übernehmen.
Eine weitere Spielart des Texas Shoot-Out ist der Mexican Shoot-Out: Beide Parteien geben den Minimalpreis an, den sie bezahlen wollen. Der Höchstbietende erhält das Recht, den Anteil des anderen für den niedrigeren, von diesem genannten Preis, zu kaufen.
4/5 Abschreckung: Deterrent Approach
Häufig enthält eine Deadlock Provision auch ein sanktionierendes Element. Damit will man verhindern, dass das Verfahren leichtfertig eingeleitet wird. Bei dem sogenannten Deterrent Approach wird zunächst durch eine vorher festgelegte Bewertungsmethode (Wirtschaftsprüfer etc.) ein objektiver Wert der Anteile ermittelt. Sobald die Bewertung erfolgt ist, muss die Partei, die das Verfahren eingeleitet hat, entweder die Geschäftsanteile zu z.B. 125 Prozent des ermittelten Werts erwerben oder diese zu 75 Prozent des Werts an den anderen Gesellschafter verkaufen.
5/5 Shoot-Out-Klauseln: Nicht ungefährlich
Shoot-Out-Klauseln haben ihren Ursprung in der angloamerikanischen Vertragspraxis, gehören jedoch auch in deutschen Joint-Venture- oder Gesellschafterverträgen zum Regelungsrepertoire. Allen Gestaltungen ist gemeinsam, dass einer der Gesellschafter gegen ein bestimmtes Entgelt aus der Gesellschaft ausscheidet. Selbstverständlich sind vielfältige Variationsmöglichkeiten denkbar und in der Vertragspraxis gebräuchlich. Auf jeden Fall sind sie ein probates Mittel, um schnell – und radikal – Selbstblockaden zu lösen. Dies erklärt gleichzeitig ihre martialischen Bezeichnungen.
Ihr in der Regel ungewisser Ausgang macht sie jedoch gefährlich und dürfte der Grund dafür sein, dass sie einen so großen Einigungsdruck erzeugen, dass die praktische Durchführung von Shoot-Out-Klauseln meist vermieden wird. Es können sich zum Beispiel schwierige steuer- und/oder kartellrechtliche Fragestellungen ergeben. Zudem dürfte es schwer fallen, sich über die abzugebenden Garantien, unter denen die Geschäftsanteile übertragen werden, zu einigen – sofern nicht zu einem möglicherweise weit in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt darüber bereits Einigung erzielt wurde.
Nicht zuletzt bergen Deadlock Provisions das Risiko des Missbrauchs, wenn zwischen formal gleichberechtigten Partnern tatsächlich ein ungleiches Kräfteverhältnis besteht, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Leistungsfähigkeit oder Know-How.
Der Autor Dirk Kramer ist Counsel bei Eversheds Sutherland Germany LLP in München. Er berät im Bereich Private Equity und M&A.
Dirk Kramer, Deadlock-Klauseln im Gesellschaftsvertrag: Zocken oder schießen? . In: Legal Tribune Online, 06.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25871/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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