Schnell mal favorisiert, retweetet, kommentiert: Nutzer von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook gehen oft unbewusst Risiken ein. Wie schnell Beleidigungen und Co. zugerechnet werden, erklärt Georg Lecheler.
Falsche Tatsachenbehauptungen, Schmähkritik und Verleumdungen kamen klassische Medien schon lange teuer zu stehen. In Zeiten von Social Media droht diese Gefahr auch Nutzern sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter. So will der Schauspieler James Woods einen Twitter-Nutzer auf Zahlung von gut zehn Millionen US-Dollar in Anspruch nehmen, weil der seine Persönlichkeitsrechte verletzt habe.
Derartiges, wenn auch nicht in dieser Schadensersatzhöhe, ist grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Reduziert man Twitter darauf, dass dort Äußerungen verbreitet werden, gelten hier zunächst einmal die ganz normalen Regeln des Äußerungsrechts. Dies sind insbesondere Strafrecht, Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht. Wie immer beim Äußern von Meinungen oder Tatsachenbehauptungen müssen diese Gesetze eingehalten werden. Wer also über Twitter einen anderen beleidigt oder falsche Tatsachen behauptet, muss strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen fürchten.
Das ist zunächst, wie so oft bei Social Media, eigentlich nichts wesentlich Neues im Vergleich zur althergebrachten Diskussion im Freundeskreis oder am Stammtisch. Allerdings wird über Twitter eine deutlich größere Öffentlichkeit angesprochen. Zudem sind Tweets längere Zeit abrufbar. Beide Faktoren erhöhen das Risiko, dass eine rechtsverletzende Äußerung wahrgenommen wird und jemand daran Anstoß nimmt. Möchte man hier die größten Risiken vermeiden, gilt das Gleiche wie bei jeder Diskussion, vor allem in größerer Runde: Bei der Wahrheit bleiben und möglichst nicht ausfallend werden.
Retweeten und favorisieren: wie eigene Aussagen
Nun lebt ein aktiver Twitterer nicht nur davon, dass er selbst seine Meinungen über und Eindrücke von allen möglichen Dingen in die Welt hinauszwitschert. Er will auf Tweets anderer reagieren, etwa indem er sie retweeted, d.h. weiter verbreitet.
Hierin kann theoretisch eine Urheberrechtsverletzung liegen, denn auch in 140 Zeichen kann ein urheberrechtlich geschütztes Werk formuliert werden. Beachtenswerter ist jedoch die äußerungsrechtliche Perspektive: Wer die Aussage eines anderen – und erfolge sie auch in Form eines Tweets – weiterverbreitet, macht sich diese möglicherweise zu eigen, insbesondere, wenn er sich nicht ausdrücklich und glaubhaft davon distanziert, da man typischerweise gerade die Aussagen retweeted und weiterverbreitet, die man selbst für zutreffend und richtig hält. Unter Umständen haftet man dafür wie für eine eigene Aussage.
Das "Favorisieren" von Tweets wiederum, sozusagen der Like-Button von Twitter, ist zwar eine etwas unauffälligere Art, Zustimmung zu signalisieren. Es ist aber letztlich das Gleiche: Der Tweet erscheint im Profil des Favorisierenden und der Verfasser erhält die Information, dass jemand seine Aussage gut findet. Beides sehen die jeweiligen "Follower", also Menschen, die Texte dieser Twitterer abonniert haben. Auch hier erfolgt daher eine Weiterverbreitung.
Bei der Verbreitung eines Tweets durch eigenes Absetzten, Retweeten oder Favorisieren besteht nach deutschem Recht vor allem das Risiko einer Abmahnung, oft verbunden mit der Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Man verspricht hierbei, diese Aussage nicht zu wiederholen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen - und soll meist direkt die Kosten der Abmahnung tragen, die leicht zwischen EUR 500 und 1.000 liegen. Daneben besteht das Risiko einer Schadensersatzklage, wobei die in Deutschland üblichen Beträge für Rufschäden und Ehrverletzungen immer noch überschaubar sind – selbst in heftigen Fällen, wie die jüngst für Jörg Kachelmann erstrittene Entschädigung von über 500.000 Euro zeigt.
Zwar mag dennoch das Risiko gering erscheinen, da nicht bei jedem Twitter-Account ohne Weiteres erkennbar ist, wer dahinter steckt und verantwortlich zu machen ist. Doch die Inhaber von Accounts lassen sich herausfinden. Die Mechanismen sind noch aufwendig und kostenintensiv, werden aber mit zunehmender Fallzahl einfacher werden. Sollte eine Äußerung den strafbaren Bereich deutlich berühren, haben die Strafverfolgungsbehörden ohnehin Möglichkeiten, die Herausgabe der Daten eines Nutzers zu erzwingen.
2/2: Je internationaler, desto teurer kann's werden
Darüber hinaus sollte jeder Nutzer im Hinterkopf behalten, dass ein Tweet nicht auf deutsche Adressaten beschränkt ist. Twitter ist auf eine einheitliche, weltweite Gemeinschaft ausgelegt, so dass sich der Adressatenkreis einer Äußerung eher am Thema und der verwendeten Sprache orientiert: twittere ich auf Deutsch, spreche ich damit allein wegen der Sprache insbesondere Nutzer aus dem DACH-Raum an.
Tweets auf Englisch adressieren im Zweifel auch den gesamten Sprachraum, wenn das Thema dort von Interesse ist – und können damit dort auch überall Rechtsfolgen auslösen. Dies muss nicht unbedingt in eine Klage wie der von James Woods über 10 Millionen US-Dollar münden. Und auch die Frage, wann ein amerikanischer Prominenter einen deutschen Twitterer in Amerika auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, dürfte von den näheren Umständen des Einzelfalls abhängen. Aber ausgeschlossen ist es keinesfalls.
Wenn der Tweet zur Ad-hoc Mitteilung wird
Neben der äußerungsrechtlichen Dimension kommen aber noch ganz andere Verstöße in Betracht: Was ist beispielsweise, wenn der ehemalige VW-Vorstand Martin Winterkorn - erzürnt über den Abgas-Skandal - die Flinte ins Korn geworfen, gekündigt und das per Twitter spontan verkündet hätte?
Diese durchaus zeitgemäße Form einer "Ad-Hoc-Mitteilung" könnte ein teurer Verstoß gegen die Publizitätspflichten sein. Und was würden die Aktionäre im Ausland dazu sagen? Aber nicht nur ein Vorstand, auch der Vertriebsmitarbeiter, der einen Vertragsabschluss feiert und im Überschwang etwas zu locker "zwitschert", macht sich schon angreifbar.
Vorher zu überlegen, welche Informationen einem Tweet neben der eigentlich bezweckten Aussage entnommen werden können (man denke etwa an die oft vergessene GeoTagging Funktion, die den Standort verrät) und welche Rechtsnorm auf der Welt gerade verletzt sein könnte, läuft dem Grundgedanken von Twitter zwar zuwider – es kann aber gewaltigen Ärger und immense Kosten ersparen.
Der Autor Georg Lecheler ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro der Kanzlei Oppenhoff & Partner. Er berät deutsche und internationale Unternehmen und Investoren im gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Presserecht.
Georg Lecheler, Gefahren von Twitter: Obacht beim Zwitschern . In: Legal Tribune Online, 29.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17991/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag