Nicht nur Finanzämter begünstigen das Spenden von Lebensmitteln, auch sonst lohnt es sich für Supermärkte, unverkaufte Ware an die Tafeln zu verschenken. Aus juristischer Sicht könnten zwar noch mehr Nahrungsmittel abgegeben werden, wenn vor allem das Mindesthaltbarkeitsdatum richtig behandelt würde. Insgesamt zeichnen Experten aber ein positives Bild von der Spendenbereitschaft der Unternehmen.
Die Kette Penny von der Rewe Group wirbt mit einer Frische-Garantie: "Wir garantieren Ihnen bei allen Molkereiprodukten eine Mindesthaltbarkeit von 6 Tagen". Wird die Milch, die "nur" noch fünf Tage lang haltbar ist, entsorgt?
Die Verschwendung von Lebensmitteln wird alle Jahre wieder gern beklagt. Obwohl es so viele Bedürftige gibt, werden genießbare Produkte schon vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr verkauft und Waren aus den Theken genommen, weil sie nicht mehr perfekt aussehen oder ihre Verpackung beschädigt ist. Spätestens seit der Begriff des "Containerns" in den aktiven Wortschatz übergegangen ist, stehen vor allem die großen Supermarktketten unter dem Generalverdacht, unverkäufliche Nahrung wegzuwerfen.
Nach Aussagen des Pressesprechers der Rewe Group sollten nach dem Konzept des Unternehmens keine essbaren Lebensmittel im Mülleimer verschwinden. Nur Lebensmittel mit abgelaufenem Verbrauchsdatum und frische Waren, bei denen Schimmelbildung und die Sporen eine Gesundheitsgefahr für den Konsumenten darstellten, würden in verschlossenen Containern entsorgt, erklärte Marco Sandner gegenüber LTO. Alle anderen Lebensmitteln, die noch genießbar seien, spende Rewe seit 1996, die zum Unternehmen gehörende Discounter-Kette Penny seit 2007 an die Tafeln.
Lebensmittelspenden: Steuerlich und finanziell sinnvoll
An der steuerlichen Behandlung von Spenden von Lebensmitteln kann es jedenfalls nicht liegen, wenn weggeworfen wird, was besser bei den "Tafeln" für Obdachlose aufgehoben wäre. "Für die großen Lebensmittelketten sind solche Lebensmittel-Spenden sogar steuerlich und finanziell sinnvoll", erläutert Professor Dennis Klein von der Fachhochschule Hannover. Zwar laufe bei ihnen die steuerliche Gestaltung anders als beim Bäcker, der seine Brötchen zu mildtätigen Zwecken verschenke, anstatt sie wegzuwerfen.
Lebensmittelketten zahlten zunächst die sieben oder 19 Prozent Umsatzsteuer für die verschenkte Ware nach § 3 I b S. 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) an das Finanzamt. Doch sie bekämen von den Tafeln eine Spendenbescheinigung. Diese könnten sie am Jahresende bei der Steuererklärung über die Körperschaft- oder Einkommensteuer geltend machen, was die vorab gezahlte Umsatzsteuer rechnerisch wieder ausgleiche.
Den hauptsächlichen finanziellen Vorteil sieht Klein aber darin, dass die Supermärkte weniger Müll produzieren, wenn die Tafeln das Essen bekommen. Das tut nicht nur der Umwelt gut, sondern auch die nicht unerheblichen städtischen Gebühren für die Entleerung der Müllcontainer reduzieren sich.
Ausgereifte Logistik, tägliche Kontrolle
Pressesprecher Sandner betont, dass die Rewe-Gruppe sich "seit Jahrzehnten erfolgreich dafür einsetzt, dass so wenig Lebensmittel wie möglich vernichtet werden müssen". Die REWE-Supermärkte und PENNY-Discountfilialen verkauften im Jahresdurchschnitt 99 Prozent ihrer Lebensmittel. Die Logistik der Supermärkte sei mit der Transportkette und dem automatisierten Bestellsystem inzwischen so ausgereift, dass eigentlich nur das geliefert werde, was auch gekauft würde - das bestätigt auch ein Mitarbeiter derselben Gruppe, der mit der Entsorgung von Lebensmitteln und anderen Abfällen im Unternehmen vertraut ist. Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum würden täglich nach individuellen Intervallen kontrolliert und kurz vor ihrem Ablauf bis zu 30 Prozent reduziert.
Der Mitarbeiter in einer leitenden Position bestätigt auch, dass lediglich die Waren mit abgelaufenem Verbrauchsdatum, verschimmelte und völlig zerstörte Lebensmittel in den sogenannten Verlustcontainern. Insgesamt entsorge er aber pro Woche maximal eine Bananenkiste mit verdorbener Ware.
Alle anderen Lebensmittel, die noch genießbar seien, würden an die Tafel gespendet. Dabei arbeite jede Filiale der Gruppe mit einer Tafel zusammen, deren Mitarbeiter jeden Tag kämen und die meiste Ware abholten. Leider komme es aber gelegentlich vor, dass die Tafeln ein paar Produkte nicht mitnähmen – wohl, weil sie es an dem Tag nicht bräuchten oder sowieso genug hätten, vermutet der mit den Entsorgungsabläufen vertraute Mitarbeiter der Rewe-Group. Nur diese Reste würden dann doch weggeworfen.
2/2: Am besten wäre "best before"
Ist das immer noch zu viel? Genießbar sind die meisten Lebensmittel auch noch nach Ablauf Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD). Wenn Verbraucher und Unternehmen lernen würden, das MHD richtig zu verstehen, könnten sie die Verschwendung von Nahrung besser verhindern, meint Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, Direktor der Forschungsstelle für Verbraucherrecht an der Universität Bayreuth.
Das MHD muss der Hersteller nach der seit dem 13. Dezember 2014 geltenden Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auf Lebensmitteln abdrucken. Es sei aber gerade kein Wegwerf-, sondern eher ein Prüfdatum für Verbraucher, Handel und Gastronomie, erläutert Dr. Katja Brzezinski, Geschäftsführerin der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht (FLMR), ebenfalls von der Universität Bayreuth.
Laut Art. 2 Abs. 2 r) LMIV muss es nur angeben, bis wann das Produkt "bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält". Die englische Formulierung "best before" treffe den eigentlichen Sinn daher auch besser als die deutsche, so die Expertin für Lebensmittelrecht. Mit dem MHD gäben die Hersteller also in gewisser Weise nur eine zeitliche "Garantie" für die beste Qualität ihres Erzeugnisses.
Anders beim Verbrauchsdatum: Nach dessen Ablauf sollten Lebensmittel nicht mehr verzehrt werden, stellt Brzezinski klar. Art. 24 LMIV stellt klar, dass solche Lebensmittel dann nicht mehr als sicher gelten. Die Gefahr einer Gesundheitsschädigung werde bei den einschlägigen Warengruppen, zum Beispiel Hackfleisch oder rohes Geflügel, aufgrund ihrer mikrobiologischen Beschaffenheit als sehr hoch eingeschätzt.
Während Verbraucher auch in diesem Fall die Lebensmittel prüfen und auf eigene Gefahr noch verwenden könnten, wenn sie aus Geruch, Geschmack oder Verfärbung keine Hinweise auf einen Verderb erkennen, müssten Lebensmittelhändler solche Ware direkt entsorgen. Würden sie diese verkaufen oder spenden, setzten sie sich straf- und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sowie lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen aus, hebt auch Schmidt-Kessel hervor.
Abgelaufene Lebensmittel dürfen gespendet werden
"Gegen die Spende eines Produktes mit abgelaufenem MHD gibt es aus lebensmittelrechtlicher Sicht keine Bedenken. Solche Produkte sind weiterhin verkehrsfähig", ergänzt der Verbraucherrechtler. Der Spender müsse den Empfänger nur darüber informieren, dass es sich um Produkte mit abgelaufenem MHD handelt, um zivilrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
In der Praxis werden jedoch selten Lebensmittel mit abgelaufenem MHD gespendet. Nach Aussage von Jochen Brühl, dem ehrenamtlichen Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Tafel e.V., würden neben frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Backwaren vielmehr häufig auch schon solche gespendet, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum bald ablaufe, wie Milch- und Molkereiprodukte.
Katja Brzezinski vermutet dafür weniger rechtliche als vielmehr Reputationsgründe: Die Unternehmen befürchteten, in den Medien den Ruf zu bekommen, sich auf Kosten Bedürftiger mit minderwertiger Ware profilieren zu wollen, so die Geschäftsführerin des FLMR. Für die Händler sei entscheidend, dass die Lebensmittel in der öffentlichen, insbesondere der medialen Wahrnehmung nicht als "minderwertig" gelten. Hier herrsche erheblicher Aufklärungsbedarf.
Die Mehrzahl der großen Lebensmittelketten spendet
Aber der Tafel-Vorsitzende relativiert die Kritik. Tatsächlich spendet die Mehrzahl der großen Lebensmittelketten an die 919-Tafeln in Deutschland. "Der Einzelhandel ist ein verlässlicher, langjähriger Partner der Tafeln", bestätigt Brühl. Aber auch die Hersteller von Lebensmitteln spendeten, zum Beispiel überproduzierte oder falsch etikettierte Produkte. "Und schließlich bekommen wir auch aussortiertes Obst und Gemüse, das einzig aufgrund von Schönheitsfehlern nicht mehr in den Handel kommt, direkt von den Landwirten."
Die Mehrzahl der Waren nähmen die Tafeln aus ihrer Region entgegen. Bundesweite und Großspenden würden über den Bundesverband verteilt, in dem die einzelnen Tafeln organisiert sind. Dieser habe gemeinsam mit den Landesorganisationen der Tafeln eine eigene Logistik etabliert, um die Waren gerecht und gleichmäßig zu verteilen. Transportunternehmen unterstützen sie außerdem mit Leerfahrten oder Lagerflächen.
Die mehr als 3.000 Tafelläden und Ausgabestellen geben dann das Essen regelmäßig an circa 1,5 Millionen bedürftige Personen weiter – entweder unentgeltlich oder, je nach sozialem Auftrag der Tafel und der Situation der Empfänger, gegen einen geringen Kostenbeitrag.
"Hygiene-Standards schützen alle Menschen"
Die Tafeln müssen dabei, wie jede andere Einrichtung, die Lebensmittel sammelt und weitergibt, Vorschriften wie die Lebensmittelbasisverordnung der Europäischen Union und die gesetzlichen Verordnungen zur Lebensmittelhygiene beachten. Diese Verordnungen sollen gewährleisten, dass im Sinne des Gesetzes "sichere" Lebensmittel verteilt werden.
So müssen die Tafeln alle Maßnahmen dokumentieren, um die ausgegebenen Waren zurückverfolgen zu können, für den Fall, dass sich ein Lebensmittel als nicht sicher erweisen sollte. Um zu garantieren, dass die größtenteils ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafeln all diese Normen einhalten, würden sie laufend über Neuerungen unterrichtet und geschult, sagt Brühl.
Der Tafel-Vorsitzende betont, dass ihm diese rechtlichen Vorgaben und Hygiene-Standards "sehr wichtig" seien, denn sie sollten alle Menschen schützen. "Bedürftige, die das Angebot der Tafeln in Anspruch nehmen, genauso wie alle, die im Supermarkt einkaufen."
Anne-Christine Herr, Der Geist der Weihnacht – bei Lebensmittelspenden: Die Supermärkte sind besser als ihr Ruf . In: Legal Tribune Online, 30.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14209/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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