Hinterbliebene trifft nicht nur der Verlust eines Menschen, sie müssen auch Beerdigungskosten stemmen. Das BSG hat nun konkretisiert, ob und wann Angehörigen die finanzielle Belastung zuzumuten ist, zeigt Martin Kellner.
Mit einer Entscheidung vom Donnerstag hat das Bundessozialgericht (BSG) konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen das Sozialamt für Bedürftige die Kosten für die Beerdigung ihrer Angehörigen trägt. Geklagt hatte ein pensionierter Chefarzt, dessen Mutter verstorben war (Urt. v. 04.04.2019, Az. B 8 SO 10/18 R).
Generell gilt: Wenn ein vermögenslos Verstorbener Verwandte hat, die auch arm sind, trägt das Sozialamt auf Antrag die Kosten der Beisetzung. Nach § 74 Sozialgesetzbuch (SGB) XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten selbst zu tragen.
Von dem Begriff des "Armenbegräbnisses" hat man dabei schon lange Abstand genommen. Eingebürgert hat sich für die Kostenübernahme im Rahmen der Fürsorge die Bezeichnung "Sozialbestattung". Diese unterscheidet sich von der Bestattung durch die Ordnungsbehörden, die verfügt wird, wenn kein Verwandter mehr ermittelt werden kann und sich auch sonst niemand um die Beisetzung kümmert.
Problem: Oft führen erst die hohen Bestattungskosten in die Sozialhilfe
Die Leistung des zuständigen Sozialhilfeträgers setzt nach § 74 SGB XII voraus, dass die Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten zu tragen. Da es sich bei den Tatbestandsmerkmalen der "Erforderlichkeit" und der "Zumutbarkeit" der Kosten um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, sind Streitigkeiten und Missverständnisse um Sozialbestattungen häufig.
Diese landen letztlich vor den Sozialgerichten – mit folgender Besonderheit: In vielen Fällen klagen Personen, die an sich nicht sozialhilfeberechtigt sind. Erst die relativ hohen Kosten der Bestattung würden dazu führen, dass sie in eine finanziellen Notlage geraten.
Ein ehemaliger Chefarzt beantragt Sozialbestattung
Das BSG hatte nun über die Frage zu entscheiden, ob dem Bestattungspflichtigen das Zahlen der Beerdigungskosten auch dann zumutbar ist, wenn dieser dafür sein Einkommen über mehrere Monate einzusetzen hat. Der 1945 geborene Kläger hatte in der Vergangenheit als Chefarzt in einem Klinikum gearbeitet. Er ist mittlerweile Rentner und verdient ein Zubrot als Gutachter für Gerichte und Gutachterkommissionen. Seine verstorbene Mutter lebte zuletzt in einem Pflegeheim, der Sohn ist nun alleiniger Erbe.
Die Kosten der Beerdigung, die er gegenüber dem Sozialamt geltend macht, betragen rund 3.100 Euro. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen wurde vor Gericht ausgeführt, dass er vom Versorgungwerk der Ärzte eine Altersrente von 2.500 Euro monatlich bezieht. Die Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit liegen danach bei 4.100 Euro im Jahr, seine Frau erhält eine monatliche Rente von 350 Euro.
Das Ehepaar zahlt davon Miete für das bewohnte Hausgrundstück. Es macht in dem Verfahren noch weitere laufende Kosten gegenüber dem Sozialamt geltend, die von den Einnahmen abzuziehen seien. So seien erhebliche Schulden zu begleichen, zudem betrügen die Ersparnisse des Mannes auf dessen Girokonto gerade einmal rund 2.500 Euro.
Vorinstanz: Laufendes Einkommen spricht für eine Zumutbarkeit
Das Landessozialgericht (LSG) Hessen führte in seinem Urteil (v. 09.05.2018, Az. L 4 SO 244/16), das Gegenstand des Revisionsverfahrens war, noch aus, dass für die geltend gemachten Bestattungskosten zunächst der Nachlass der Verstorbenen zu verwenden sei. Der erschöpfte sich allerdings in einem Kontoguthaben in Höhe von 360 Euro.
Für die übrigen Bestattungskosten habe der Sohn seine Einnahmen zu verwenden. Nach Berechnungen des LSG liegt das bereinigte Einkommen rund 700 Euro oberhalb der gesetzlichen Einkommensgrenze. Damit sei der Sohn zwar in dem Monat, in dem die Bestattungskosten fällig wurden, an sich bedürftig im Sinne des Sozialhilferechts. Ihm sei es aber zuzumuten, den monatlichen Einkommensüberhang von 700 Euro über einen Zeitraum von vier Monaten für die Bestattungskosten einzusetzen.
Zu berücksichtigen, so das LSG, sei an dieser Stelle das enge verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Mutter und Sohn und eben das Einkommen, das deutlich über der Sozialhilfegrenze liege.
Mit dieser Argumentation brauchte das LSG nicht prüfen, ob vorhandene Vermögensgegenstände ebenfalls für eine Ablehnung der Sozialbestattung hätten sprechen können. So hatte der Mann neben seinem Kontoguthaben von 2.500 Euro auch auf die in einem Darlehensvertrag nicht näher bezeichneten "Bilder" und "Wertgegenstände" verwiesen.
BSG verweist zurück: keine pauschale Lösung für Sozialbestattung
Die Lösung des LSG ist einleuchtend. Das BSG teilte dessen Einschätzung aber nicht. Die Kasseler Richter entschieden, dass die pauschale Aufteilung der fälligen Kosten auf einen Zeitraum von mehreren Monaten auch dann ausscheidet, wenn das gemeinsame Einkommen des Sohnes und seiner Ehefrau über der Einkommensgrenze für die Sozialhilfe liegt. Eine entsprechende Streckung der Kosten über den Bedarfsmonat hinaus sehe das SGB XII nämlich nicht vor.
Das heißt aber noch nicht, dass der Sohn damit auch einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger hat. Als Revisionsgericht verwies das BSG die Sache zurück an das LSG, weil die vorliegenden Feststellungen noch keine abschließende Entscheidung zuließen. So sei noch zu prüfen, ob der Sohn noch eine anderweitige Möglichkeit hatte, die Belastung auf mehrere – eventuell auch mehr als vier – Monate zu verteilen, etwa durch Ratenzahlung an den Bestatter oder durch Aufnahme eines Verbraucherkredits, gegebenenfalls verbunden mit einer Stundung bestehender Verbindlichkeiten.
Die Richter in Kassel verwarfen damit die pauschale Lösung des LSG, bei Einkommensüberhang diesen mehrere Monate für die Begleichung der Bestattungskosten zu tragen, und machten deutlich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Die Rücksichtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falls ist zwar für die Sozialhilfeleistungen in § 9 Abs. 1 SGB XII vorgesehen. Sie erschwert aber eine einheitliche und vorhersehbare Rechtsfindung. Für das LSG wird sich im neuen Verfahren damit die praktische Frage stellen, wie sich die Möglichkeiten einer Ratenvereinbarung oder der Kreditaufnahme durch den Sohn sinnvoll aufklären lassen, zumal es um die Verhältnisse von vor über fünf Jahren geht.
Den Entscheidungsgründen der Instanzgerichte ist indes nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Rechnungen über die Bestattungskosten bereits beglichen wurden oder noch offen sind. Sofern die Forderungen gestundet wurden, spricht dies dafür, dass dem Sohn eine Zahlung in Raten möglich gewesen wäre. Bei der nochmaligen Prüfung der Angelegenheit wird das LSG auch zu untersuchen haben, ob der Sohn über relevante Vermögensgegenstände verfügte. Wenn dem Sohn eine Kreditaufnahme zumutbar ist, ist von ihm eventuell auch der Einsatz des Kontoguthabens zu erwarten, das in der Sozialhilfe eigentlich als Schonvermögen geschützt wird. Denn schließlich verfügt er über laufende Einnahmen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind vergleichsweise gut. Es spricht somit vieles dafür, dass der Sohn die Bestattungskosten auch nach der neuerlichen Entscheidung des LSG tragen müssen wird.
Der Autor Dr. Martin Kellner, LL.M. (Vanderbilt) ist Richter am Sozialgericht in Freiburg im Breisgau.
BSG zur Übernahme von Bestattungskosten: . In: Legal Tribune Online, 05.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34777 (abgerufen am: 31.10.2024 )
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