Wer einen Pkw im Wert von mehreren tausend Euro mit einem Mindestgebot von einem Euro bei eBay anbietet, muss das Auto auch für einen Euro verkaufen – selbst wenn er die Auktion vorzeitig abbricht, weil er anderweitig einen viel höheren Kaufpreis erzielen kann, entschied der BGH. Zu Recht und erfreulich konsistent, finden Christian Wolf und Tim Brockmann. Sie empfehlen einen Mindestpreis.
"Spaßbieter werden rechtlich verfolgt" ist unter vielen eBay Angeboten zu lesen. Aber auch Spaßanbieter können rechtlich "verfolgt" werden. Ein Kaufvertrag kommt bei Ende der Auktion mit dem Höchstbietenden zustande - egal, ob dieses Ende durch Abbruch der Auktion oder durch Zeitablauf eintritt. Der Kaufvertrag mit seinen Rechten und Pflichten besteht. Und er kann mit einem bösen Erwachen für den Verkäufer enden.
So auch in dem am Mittwoch vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Der Verkäufer des Pkw muss als Schadensersatz wegen Nichterfüllung nun die Differenz zwischen dem vom klagenden Käufer gebotenen Kaufpreis von einem Euro und dem Wert des Autos, insgesamt also 5.249 Euro zahlen. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat urteilte, dass bei einer Internetauktion auch ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts den Kaufvertrag nicht ohne Weiteres wegen Sittenwidrigkeit nichtig macht (BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az. VIII ZR 41/14).
Es mache aus Käufersicht schließlich gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem Schnäppchenpreis zu erwerben, so die Karlsruher Richter. Der Verkäufer wiederum habe die Chance, durch das Überbieten einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen.
Warum eine eBay-Auktion keine Auktion ist
Entgegen dem gängigen Sprachgebrauch handelt es sich bei dem Verkauf von Waren auf der "Auktionsplattform" eBay nicht um Auktionen im klassischen Sinne. Ein Vertragsschluss wie bei einer Versteigerung scheidet aus, auf das Höchstgebot erfolgt kein Zuschlag im Rechtssinne.
Vielmehr kommt durch Angebot und Annahme ein Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande. Bei einer Internetauktion bei eBay stellt nämlich schon das Einstellen des Verkaufsobjektes zu "Auktionszwecken" ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags dar. Das Gebot ist eine Annahme, die unter der Bedingung erfolgt, dass der Erklärende am Ende der Auktion der Höchstbietende ist.
Mit Zugang der Willenserklärungen bei eBay als jeweiliger Empfangsvertreter kommt der Kaufvertrag letztlich zwischen dem anbietenden Verkäufer und dem Höchstbietenden zum Endzeitpunkt der Auktion zu Stande.
Ein Abbruch verlagert den Vertragsschluss bloß nach vorn – in fast allen Fällen
Der Abbruch einer Auktion durch den Verkäufer verlagert diesen Endzeitpunkt lediglich vor. Bricht der Verkäufer die Auktion ab, weil er nicht mehr liefern kann, kann der Höchstbietende Schadensersatz von ihm fordern. Der Bieter ist dann so zu stellen, als wäre der Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt worden, kann also die Differenz zwischen Gebot und Verkehrswert des Artikels als Schaden verlangen. Je früher der Anbietende also abbricht, umso größer ist möglicherweise diese Differenz.
Etwas anderes gilt nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Internetplattform eBay nur, wenn der Verkäufer gesetzlich dazu berechtigt gewesen ist, die Auktion abzubrechen, etwa wenn er sich bei der Artikelbeschreibung oder dem Preis verschreibt. Denkbar wäre auch noch, dass er die Kaufsache unverschuldet nicht übergeben kann, weil sie ihm zum Beispiel gestohlen wurde.
Keinen Grund für einen Abbruch sehen höchstrichterliche Rechtsprechung und AGB richtigerweise darin, dass der Verkäufer den Artikel anderweitig verkauft oder verschenkt hat. Gleiches gilt, wenn seine Preisvorstellung nicht erreicht wird oder er sich plötzlich doch nicht mehr von dem Artikel trennen möchte. Bricht der Anbietende die Auktion aus solchen Gründen ab, kommt der Kaufvertrag mit dem zum Zeitpunkt des Abbruches Höchstbietenden zustande - auch wenn das Höchstgebot zu diesem Zeitpunkt noch so gering gewesen sein mag.
2/2: Am falschen Ende gespart
Von einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann in solchen Fällen nämlich richtigerweise ebenfalls nicht die Rede sein. Der Einwand eines groben, gar sittenwidrigen Missverhältnisses zu Ungunsten des Verkäufers steht ihm nicht zu: Wie auch schon das OLG Jena als Vorinstanz deutlich machte, ist es gerade typisch für eBay-Versteigerungen, dass beide Seiten die Chance haben, ein "Schnäppchen" zu machen.
Also verhält der Käufer sich auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er einen Auktionsgegenstand für nur einen Euro ersteigert und damit weit hinter dem Verkehrswert zurück bleibt.. Nimmt er diese Schnäppchengelegenheit wahr, fehlt es offensichtlich am subjektiven Element des § 138 Abs. 1 BGB, keiner der Beteiligten handelt mit verwerflicher Gesinnung. Ganz im Gegenteil, beide Parteien nutzen die Internetplattform eBay unter Abwägung der charakteristischen Vor- und Nachteile. Und dazu gehört eben auch die Gelegenheit zu einem besonders günstigen Vertragsschluss.
Das gilt umso mehr, als der Verkäufer andere Option hätte. Er könnte nämlich die Zusatzoption "Mindestpreis" wählen, also einen Preis festlegen, unterhalb dessen Grenze er die Ware nicht verkaufen möchte. Dann berechnet sich die Angebotsgebühr nach der Höhe des Mindestpreises und erhöht sich damit merklich. Entscheidet sich der Verkäufer aber bewusst dagegen, einen solchen Mindestpreis für den Artikel festzulegen, fällt das allein in seinen Risiko- und Verantwortungsbereich.
Und das ganz ohne modisches Internetrecht
Die eBay-AGB und die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigen die Bindungswirkung eines Angebots, wie sie die Vorschriften der §§ 145ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches vorsehen. Sie tragen damit nicht nur dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung, sondern gewährleisten auch die Funktion der Internetverkaufsplattform eBay an sich.
Auch die Bundesrichter bleiben ihrer Linie treu, indem sie abermals die Wirksamkeit der eBay-AGB bestätigen und weiterhin in dem Einstellen und Freischalten der "Onlineauktionen" ein verbindliches Angebot sehen.
Bieter müssen sich auf die Angebote der Anbietenden verlassen können. Dem Verkäufer steht es frei, einen Mindestpreis festzulegen; frisst aber die Gier nach wenigen Euro weniger Auktionsgebühr die Vernunft, muss der Verkäufer zu Recht Lehrgeld bezahlen. Er kann die Auktion nicht einfach abbrechen oder sich gar auf ein verwerfliches Verhalten der Käuferseite berufen.
Diese Erkenntnis hat mit modischem Internetrecht wenig zu tun. Es hat sich gezeigt, dass fundierte Kenntnisse im BGB ausreichen, um im Internet auftretende Rechtsprobleme zu lösen, hierzu braucht es keine hochqualifizierten IP/IT-Law Spezialisten.
Der Autor Prof. Dr. Christian Wolf ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, Tim Brockmann ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand.
Prof. Dr. Christian Wolf und Tim Brockmann, BGH zu abgebrochener Auktion bei eBay : Ein Kaufvertrag ist ein Kaufvertrag ist ein Kaufvertrag . In: Legal Tribune Online, 12.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13786/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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