Die Arbeit als Mediator

Ver­mittler zwi­schen den Par­teien

Gastbeitrag von Jonathan GeigisLesedauer: 7 Minuten

Durch eine Mediation können Parteien ihre Konflikte einvernehmlich beilegen – ohne Gang zum Gericht. Durch das Verfahren führt ein Mediator. Doch was muss man dafür mitbringen und wie arbeiten Mediatoren?

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Wo Menschen zusammentreffen, entstehen Konflikte. In manchen Fällen lässt sich der Gang zum Gericht nicht vermeiden. Gerichtsverfahren kosten mitunter aber viel Zeit und Nerven. Eine Alternative ist die Mediation, ein flexibles Verfahren, um Konflikte außergerichtlich und einvernehmlich zu lösen.  

Schon im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber in Umsetzung einer europäischen Richtlinie eigens ein Mediationsgesetz geschaffen. Einige Verfahrensordnungen – etwa § 54a ArbGG für den Arbeitsgerichtsprozess – ermöglichen dem Gericht seitdem explizit, eine Mediation anzuregen. Damit ist die Mediation auch gesetzlich schon seit über zehn Jahren zumindest auf dem Papier als alternative Form der Streitbeilegung anerkannt.  

Sonderlich oft genutzt wird das Verfahren aber nicht. Der Evaluationsbericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Mediationsgesetzes im Jahr 2017 – das sind die einzigen offiziellen Zahlen – kam zum Ergebnis, dass im Jahr 2016 in Deutschland schätzungsweise lediglich 7.405 Mediationen durchgeführt wurden. Zum Vergleich: Demgegenüber wurden im Folgejahr allein vor den deutschen Amtsgerichten über eine Million Verfahren in Zivilsachen erledigt. Woran kann das liegen – und was machen Mediatoren? 

"Mediation hilft, in die eigene Verantwortung zu kommen" 

Ziel der Mediation (von lat. "Vermittlung") ist es, dass die Beteiligten gemeinsam auf freiwilliger Basis und eigenverantwortlich Lösungen finden, § 1 Abs. 1 MediationsG. Dabei soll der Mediator unterstützend wirken, indem er die Parteien anleitet und das Verfahren strukturiert. Anders als etwa ein Richter im gerichtlichen Verfahren besitzt der Mediator allerdings keinerlei Entscheidungsbefugnis; allein die Parteien können darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls wie sie sich einigen. Der Mediator ist den Parteien insofern als allparteiliche Instanz gleichermaßen verpflichtet.  

Durch die Konzeption der Mediation, die sich grundlegend von einem gerichtlichen Verfahren unterscheidet, können sich einige Vorteile für die Beteiligten ergeben. "Anders als ein Prozess ist die Mediation freiwillig, sie kann daher so lange durchgeführt werden, bis für beide Seiten eine Lösung erreicht ist. Diese Möglichkeit bietet ein Gerichtsverfahren häufig schon aus Zeitgründen nicht. Am Ende kann ein Urteil stehen, das passt – oder eben auch nicht", so Jörn Valldorf, Pressesprecher des Bundesverbands Mediation e.V.   

Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V., Swetlana von Bismarck: "Gerichtliche Verfahren tendieren durch die Anspruchslogik des Rechts und das schriftsätzliche Verfahren zur Eskalation – selbst wenn die beauftragten Rechtsanwälte sich redlich um Vergleichsabschlüsse bemühen. In der Regel gibt es hinter einem Sachkonflikt auch einen Beziehungskonflikt – jedenfalls in familiären Konflikten ist das fast ausnahmslos der Fall. Dieser kann im juristischen Verfahren nicht bearbeitet werden, in der Mediation aber durchaus."  

Ein Gerichtsverfahren beschränkt sich auf die Subsumtion konkreter Lebenssachverhalte unter einschlägige Rechtsnormen. Die Mediation kann Konflikte umfassender betrachten und auf verschiedene Probleme eingehen. Dazu führt von Bismarck weiter aus: "Mediation hilft, in die eigene Verantwortung zu kommen, was bei der Lösung von Konflikten grundsätzlich sehr hilfreich ist. Gerade in familiären Konflikten sollten Konfliktlösungsverfahren, die den Beziehungsaspekt stark im Fokus haben, dem juristischen Verfahren vorgezogen werden. Häufig können Krisen über Mediation gut verarbeitet werden."  

Eine Mediation führt allerdings nicht zwingend zu einem Ergebnis. Wenngleich sie gegenüber dem Gerichtsverfahren die Perspektive auf eine "maßgeschneiderte" Lösung des Konflikts bietet, kann sie auch scheitern. Gerichtsverfahren hingegen finden auf kurz oder lang immer einen Abschluss. Auch muss die grundsätzliche Bereitschaft der Parteien zur ernsthaften Teilnahme an einer Mediation bestehen, gegen den Willen einer Seite kann sie nicht betrieben werden. 

Nicht jeder kann sich eine Mediation leisten 

Nicht nur in familiären Konflikten kommt die Mediation zur Anwendung, so betont Valldorf, dass sie vor allem im beruflichen Kontext auf allen Ebenen gefragt sei. Insbesondere infolge der Coronapandemie gäbe es in Betrieben nach wie vor Probleme, weil Mitarbeiter sich etwa nach langer Zeit im Homeoffice erst wieder an den betrieblichen Arbeitsplatz gewöhnen müssten. Auch in der Wirtschaft – zum Beispiel bei Konflikten zwischen Unternehmen – und im öffentlichen Bereich werden immer wieder Mediationen durchgeführt. 

Dass die Mediation im Vergleich zu Gerichtsverfahren dennoch deutlich seltener angewendet wird, hat verschiedene Gründe. 

Von Bismarck berichtet dahingehend, das deutsche Rechtssystem räume der Mediation nur mit einem "formalen Lippenbekenntnis" den Vorrang vor gerichtlichen Verfahren ein. Die Mediationskostenhilfe als Ergänzung zur Prozesskostenhilfe lasse weiterhin auf sich warten. "Deshalb hängt die Inanspruchnahme von Mediation häufig noch davon ab, ob sich die Klienten eine solche Mediation überhaupt leisten können", so von Bismarck. 

Diese These wird auch von einer im Auftrag der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Berlin durchgeführten Evaluation aus dem Jahr 2020 zur testweisen finanziellen Förderung von Mediationen in Familiensachen gestützt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Verfahrenskostenhilfe die Akzeptanz der Mediation eindeutig steigern kann. Aktuell werden keine weiteren Forschungsprojekte zur Verfahrenskostenhilfe in der Mediation durchgeführt, wenngleich § 7 Abs. 1 MediationsG eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage für Bund und Länder beinhaltet. 

Aber wie wird man eigentlich Mediator? 

Wie wird man Mediator – und was kostet die Ausbildung? 

"Mediator" darf sich grundsätzlich jeder nennen – der Begriff ist nicht geschützt. Um den Maßstäben des MediationsG gerecht zu werden und die entsprechende Sachkunde und praktische Erfahrung nachzuweisen, sollten Mediatoren allerdings eine geeignete Ausbildung durchlaufen – sie dürfen dann auch die Berufsbezeichnung "zertifizierter Mediator" führen. Diese dient vor allem als Qualitätsnachweis. Neben dem Ausbildungslehrgang muss man insgesamt fünf Mediationen als Mediator bzw. Co-Mediator durchgeführt haben. 

Der Ausbildungslehrgang muss dabei seit dem 1. März 2024 mindestens 130 Präsenzzeitstunden umfassen. Von Bismarck hält das nicht für ausreichend. Ihrer Ansicht nach sollte eine Grundausbildung mindestens 220 Stunden umfassen. Das fordern auch verschiedene Mediationsverbände wie der Bundesverband Mediation und das deutsche Forum für Mediation. Angehende Mediatoren benötigten aber erfahrungsgemäß viel Zeit, um die Rolle des Mediators als allparteiliche und nicht in der Sache beratende Instanz zu erfassen, so von Bismarck: "Menschen neigen dazu, Ratschläge zu erteilen". Genau das sei aber nicht die Aufgabe des Mediators.  

Die Kosten für eine solche Ausbildung bewegen sich in der Regel im vierstelligen Bereich, die konkreten Preise variieren dabei je nach Institution und Ausbilder. 

Mediatoren sollten "Kontakt zu Menschen mögen, offen und neugierig sein" 

An den Zugang zu einer Mediationsausbildung sind grundsätzlich keine bestimmten fachlichen Qualifikationen geknüpft. Gerade Anwälte bieten Mediationen an, jedoch ist die Betätigung als Mediator nicht nur Juristen vorbehalten. Valldorf, der selbst auch in der Ausbildung von Mediatoren tätig ist, sagt, neben den Juristen gebe es vor allem zwei größere Gruppen: Personen, die im psychosozialen Bereich tätig sind und solche aus dem Personalwesen. "Ich hatte in meinen Lehrgängen auch schon einen Schreiner und eine Konditorin. Man muss sich nach der Ausbildung ja kein 'Mediatorenschild' an die Haustür hängen, viele nutzen die erworbenen Fähigkeiten auch intern, zum Beispiel im eigenen Betrieb", berichtet Valldorf. Wichtig sei aber, dass man den Kontakt zu Menschen möge, offen und neugierig sei.  

Ähnliches berichtet auch von Bismarck. Für sie besteht die Aufgabe von Mediatorinnen auch darin, dazu beizutragen, dass die Parteien einen Konflikt verstehen. Daher sollten sie empathisch sein, sprachliche Kompetenz mitbringen und in der Lage sein, die Komplexität eines Konfliktes zu erfassen und zu reduzieren. Außerdem sei ein grundsätzliches psychologisches Verständnis etwa von Emotionen, Persönlichkeitsstrukturen und Reaktionsmustern hilfreich. Auch sollte man in der Lage sein, die eigene Rolle und Wirksamkeit als Mediator zu reflektieren, ergänzt sie. 

Speziell für den Bereich der Familienmediation fügt sie hinzu: "Familienmediation ist häufig sehr rechtsnah. Auch wenn Mediatoren nicht rechtlich beraten, sollten sie Grundkenntnisse im jeweiligen Gebiet, zum Beispiel Familien- und Erbrecht, haben, um den Klienten gegebenenfalls einen Anwaltsbesuch empfehlen zu können. Familienmediatoren sollten außerdem besondere Kenntnisse zur Einbeziehung von Kindern haben." 

Auch Rechtsanwalt Dr. Stefan Kracht von der Deutschen Gesellschaft für Mediation betont, dass in einigen Mediationsverfahren rechtliche Kenntnisse von Vorteil sein können. Viele Universitäten bieten entsprechende Kurse schon im Studium an. Eine juristische Vorausbildung von Mediatoren bringt aus seiner Sicht aber sowohl Vor- und Nachteile mit sich: "Einerseits lernen Juristen schon früh zu strukturieren und kommen an einigen Universitäten bereits während des juristischen Studiums mit Mediation in Kontakt. Andererseits werden sie durch das Jurastudium dahingehend sozialisiert, Lösungen für Rechtsprobleme zu finden und inhaltliche Entscheidungen zu treffen – in der Mediation müssen sie sich dann in eine völlig andere Perspektive versetzen."  

Nur wenige Mediatoren können allein davon leben 

Eine reine Berufsmediatorentätigkeit besitzt aber Seltenheitscharakter. Viele Mediatoren betreiben die Mediation im Nebenerwerb beziehungsweise ergänzend zu ihrer Haupttätigkeit etwa als Anwälte oder Psychologen. Valldorf berichtet, nur wenige Mediatoren könnten allein davon leben. Häufig seien diese zugleich im Bereich der Mediationsausbildung tätig und böten Coachings, Moderationen oder Supervisionen an. 

Die tatsächlichen Verdienstmöglichkeiten lassen sich nur schwer beziffern, denn die Stundensätze unterscheiden sich mitunter erheblich. "In der Familienmediation sprechen wir von Stundensätzen zwischen 100 und 250 Euro. In der Wirtschaftsmediation ist es häufig wesentlich mehr, dort können die Tageshonorare auch in vierstelliger Höhe liegen", so von Bismarck. 

Gerade für Juristen, die über die klassische, einseitige Interessenvertretung hinaus an der Lösung von Konflikten mitwirken wollen, kann die zusätzliche Betätigung als Mediator eine abwechslungsreiche Alternative darstellen. Zudem können entsprechende Kenntnisse auch im Einsatz in Unternehmen oder im privaten Bereich von Vorteil sein. Nicht zu vernachlässigen ist aber der mit der Ausbildung zum zertifizierten Mediator einhergehende zeitliche und finanzielle Aufwand – professionelle Mediation erlernt man nicht über Nacht.  

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