Karriere für EU-Absolventen

Ohne zwei Staats­examen Anwalt werden

von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Auch wer im Ausland Jura studiert hat oder schon als Jurist gearbeitet hat, kann in Deutschland als Anwalt zugelassen werden. Doch wie funktioniert das? Und wie oft kommt das in der Praxis vor? 

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Jurastudium, Erstes Examen, Referendariat, Zweites Examen, Zulassung – so wird man in Deutschland Anwältin bzw. Anwalt, jedenfalls in aller Regel. Es geht aber auch anders: Wer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz Jura studiert hat, kann hier – wenn er entsprechende Kenntnisse im deutschen Recht nachweist – das Referendariat und anschließend das Zweite Staatsexamen absolvieren. 

Auch europäische Anwältinnen und Anwälte können unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland zugelassen werden. Doch wie funktioniert das? Und wie oft kommt das in der Praxis eigentlich vor? 

Jurastudium im europäischen Ausland 

Nach der Regelung in § 112a Deutsches Richtergesetz (DRiG) kann man auch mit einem Jura-Diplom aus einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. den EWR-Vertragsstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie der Schweiz zum Referendariat zugelassen werden. Die Absolventinnen und Absolventen müssen dafür nachweisen, dass ihre Kenntnisse denen entsprechen, die man mit Bestehen des staatlichen Teils des Ersten Staatsexamens erlangt, das ist die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung. 

Entweder ergeben sich die entsprechenden Kenntnisse im Zivilrecht, Öffentlichen Recht und Strafrecht direkt aus den eingereichten Zeugnissen und sonstigen Unterlagen oder das Prüfungsamt ordnet eine sogenannte Eignungsprüfung nach § 112a Abs. 2 DRiG an.  

Dann kommt es darauf an, in welchen Rechtsgebieten das Prüfungsamt keine Gleichwertigkeit sieht. Trifft das auf alle drei zu, muss man die Eignungsprüfung in allen drei Fächern absolvieren, ansonsten nur in bestimmten Fächern. Man muss also die deutschen Examensklausuren schreiben und die im entsprechenden Bundesland erforderliche Anzahl an Klausuren bestehen. Insgesamt muss man Klausuren in mindestens zwei Rechtsgebieten bestehen und in jedem Fall mindestens eine zivilrechtliche Klausur.  

Das klingt ganz schön kompliziert – und nach Auskunft der Bundesländer kam es bislang auch eher selten vor. Eine direkte Zulassung zum Referendariat ist die Ausnahme, denn das würde bedeuten, dass man die Kenntnisse, die man für das Erste Examen braucht, im Ausland erlangt hat. Etwas häufiger kommt es vor, dass Absolventinnen und Absolventen die Eignungsprüfung machen, in vielen Bundesländern im Schnitt zwei- bis dreimal pro Jahr. Die Erfolgsquote dabei liegt bei rund 50 Prozent. Nach der Eignungsprüfung warten dann doch das Referendariat und das Zweite Examen und dann kann man auch über diesen Weg in den Anwaltsberuf einsteigen. 

Zulassung europäischer Anwälte 

Die Anwaltszulassung für diejenigen, die schon als Anwältin bzw. Anwalt gearbeitet haben, regelt das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG). Die erste Möglichkeit ist die sogenannte Eingliederung. Je nach Dauer der Berufstätigkeit muss man dabei unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen. 

Wer mindestens drei Jahre "effektiv und regelmäßig" als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen Rechts tätig war, kann gemäß § 11 EuRAG nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Hierfür muss man nach § 12 EuRAG die Anzahl und die Art der im deutschen Recht bearbeiteten Fälle durch Falllisten nachweisen und der Rechtsanwaltskammer die entsprechenden Auskünfte erteilen. Unter Umständen muss man auch anonymisierte Arbeitsproben vorlegen.  

Aber auch diejenigen, die zwar seit mindestens drei Jahren in Deutschland arbeiten, allerdings erst kürzer im deutschen Recht, können die Anwaltszulassung erhalten. Neben den Nachweisen nach § 12 EuRAG steht in solchen Fällen zusätzlich ein Gespräch an, in dem die Kammer die Kenntnisse und Fähigkeiten im deutschen Recht überprüft. 

Eignungsprüfung: Kann man in Deutschland als Anwalt arbeiten? 

Neben der Eingliederung kann man auch die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation nach den §§ 16 ff. EuRAG beantragen. Voraussetzung hierfür ist zunächst der Abschluss einer Ausbildung, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts nach § 1 EuRaG berechtigt. Dann muss man noch die für Anwältinnen und Anwälte in Deutschland erforderlichen Kenntnisse nachweisen und einen Lebenslauf und weitere Dokumente einreichen. 

Unter Umständen kann das jeweilige Prüfungsamt, also das, welches für das Zweite Staatsexamen zuständig ist, noch zusätzlich eine sogenannte Eignungsprüfung ansetzen. Das kommt vor allem dann in Betracht, wenn man in anderen als den hierzulande für den Anwaltsberuf relevanten Fächern ausgebildet wurde.    

Bei der Eignungsprüfung geht es nach § 17 EuRAG ausschließlich um die beruflichen Kenntnisse und Kompetenzen der jeweiligen Person, also darum, ob sie in der Lage ist, den Anwaltsberuf in Deutschland auszuüben. Wie im Staatsexamen gibt es einen mündlichen und einen schriftlichen Teil, allerdings nur zwei Klausuren, welche man unter Umständen auch online schreiben kann. 

Prüfungsfächer sind Zivilrecht als Pflichtfach, das Recht für das berufliche Verhalten der Rechtsanwälte sowie zwei Wahlfächer, nämlich verpflichtend entweder Öffentliches Recht oder Strafrecht sowie Handelsrecht, Arbeitsrecht, weitere Bereiche des Zivilrechts, Öffentliches Recht oder Strafrecht. Allerdings darf man nicht dasselbe Wahlfach in beiden Gruppen auswählen. 

Im Jahr 2022 haben in Deutschland insgesamt 156 ausländische Bewerberinnen und Bewerber bzw. Deutsche mit ausländischem Diplom die Anwaltszulassung nach einer Eignungsprüfung erhalten. Die meisten haben sich naturgemäß für die Kammern in den Metropolen Berlin, Frankfurt und München entschieden. 

Als ausländischer Absolvent in Deutschland arbeiten 

Auch europäische Anwältinnen und Anwälte können in Deutschland zugelassen werden, wenn sie im deutschen Recht hinreichend fit sind und das auch nachweisen können. Auch wer zum Jurastudium ins Ausland gegangen ist oder aus dem EU-Ausland kommt, kann (wieder) nach Deutschland kommen, um hier das Referendariat zu absolvieren und zu arbeiten.  

Insgesamt waren im Jahr 2022 in Deutschland 165.587 Anwältinnen und Anwälte zugelassen, davon 677 nach dem EuRAG. Unter den Voraussetzungen von § 206 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) können zudem Anwältinnen und Anwälte aus Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WHO) in Deutschland arbeiten – allerdings nur unter der Berufsbezeichnung ihres Herkunftsstaates. Die Anwaltskammern zählten im Jahr 2022 insgesamt 503 solcher Mitglieder.  

Wer in Deutschland mit ausländischem Abschluss als Anwältin oder Anwalt arbeiten möchte, muss allerdings viel bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen, der sich aber lohnen könnte Mit Jura-Abschlüssen aus Nicht-EU- und EWR-Staaten ist das deutlich schwieriger. In jedem Fall sollte man sich frühzeitig bei den jeweils zuständigen Prüfungsämtern bzw. Kammern informieren, um unnötigen Aufwand zu vermeiden. 

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