Small Talk mit Dr. Luisa Rödemer, Anwältin und Bloggerin

"Ich nutze meine Reich­weite, um über Miss­stände auf­zu­klären"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Arbeitsrechtlerin Luisa Rödemer, die drei Jahre lang in Dubai gearbeitet hat – und auf ihrem Blog "luisahatrecht" Tipps für Studium und Beruf gibt.

LTO: Was machen Sie beruflich?

Dr. Luisa Rödemer: Ich bin Senior Associate in der Arbeitsrechtsboutique vangard | Littler in Hamburg. Ich betreue Arbeitgeber während des gesamten Arbeitsverhältnisses, d.h. vor allem in Fragen zu Einstellungen, zur Einbindung des Betriebsrates und in Trennungsprozessen sowie Kündigungsschutzverfahren. Im Moment geht es vor allem auch um die Inflationsprämie.

Mandantenschulungen machen einen großen Teil meiner Arbeit aus. Wir schulen Führungskräfte, den HR-Bereich oder ausländische Mitarbeitende, die einen Teil des deutschen Marktes mit übernehmen sollen. Schwerpunkte sind Themen wie mobiles Arbeiten, Datenschutz oder Arbeitszeiterfassung.

Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?

Die Schulungen machen mir große Freude und sind eine tolle Abwechslung. Natürlich bin ich vor jedem Vortrag aufgeregt, aber ich spreche einfach gerne vor Leuten. Und ich mag es, juristische Inhalte nicht in der Juristen-Geheimsprache, sondern allgemeinverständlich zu erklären.

Außerdem gefällt mir, dass meine Tätigkeit so international ist und ich meine Auslandserfahrung nutzen kann. Viele denken, dass man sich als Rechtsanwältin im Arbeitsrecht in Deutschland nur mit Einstellungen und Kündigungen beschäftigt – das ist bei meinem Job anders. Wir arbeiten an vielen internationalen Projekten, zum Beispiel wenn es darum geht, dass ein Unternehmen global mobiles Arbeiten einführen will.

Die Auslandserfahrung haben Sie in Ihrer Zeit in einer deutschen Wirtschaftskanzlei in Dubai gesammelt. Sie haben zunächst Ihre Wahlstation dort absolviert. Wie sind Sie da gelandet?

Man kann es Zufall oder auch Schicksal nennen. Ich hatte mich beim Auswärtigen Amt beworben und habe zunächst die Standardantwort bekommen, dass man berücksichtigt wird. Und das habe ich so verstanden – und da bin ich auch nicht die Einzige – dass man einen Platz bekommt und nur noch nicht weiß, wo. Das war aber leider nicht der Fall. Plötzlich musste ich mir also einen neuen Platz suchen. Normalerweise muss man sich mindestens ein Jahr auf einen Auslandsaufenthalt vorbereiten – ich hatte dann nur ein noch halbes Jahr bis zum Beginn meiner Wahlstation und wollte unbedingt Auslandserfahrungen sammeln. Ich habe hunderte Bewerbungen geschrieben und beim ersten Vorstellungsgespräch hat es glücklicherweise direkt geklappt. Im Juli bei 52 Grad nach Dubai – das hat wohl viele abgeschreckt.

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"Der Auslandsaufenthalt im Referendariat ist keine Zeit, in der man Geld verdient"

Wie kann man sich den Auslandsaufenthalt während des Referendariats finanzieren?

Über die Finanzierung sollte man sich frühzeitig Gedanken machen. Wenn man als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Großkanzlei gearbeitet hat und die Kanzlei versprochen hat, dass man die Wahlstation in New York bezahlt bekommt, ist das natürlich kein Problem. Fehlt dieses Privileg, oder will man sich nicht von einer Kanzlei abhängig machen, muss man sich selbst um die Finanzierung kümmern. Es gibt Stipendien. Ansonsten bleibt die Möglichkeit, die Reise mit Nebenjobs und Ersparnissen zu bezahlen. Die Kosten sollte man nicht unterschätzen. Man lernt viel fürs Leben, aber der Auslandsaufenthalt ist sicherlich keine Zeit, in der man Geld verdient.

Nach der Wahlstation sind Sie als Anwältin in der Kanzlei in Dubai eingestiegen. Wie war der Auftakt für Sie?

Der Berufseinstieg war wirklich krass. Aber ich glaube, die ersten Wochen in einem neuen Job sind immer krass - egal, ob in Deutschland oder im Ausland. Wenn man plötzlich Anwältin ist, Mandate allein betreut und Verantwortung trägt, ist das eine ganz neue Herausforderung. Im Ausland muss man sich zudem um Themen wie Versicherungen, das Auto, die Wohnungssuche, die Ummeldung und überhaupt das Ankommen kümmern und das alles in seiner Nicht-Muttersprache.

"Die kulturellen Unterschiede habe ich im Arbeitsalltag selten bemerkt"

Welche Mandate haben Sie in Dubai betreut?

Überwiegend war ich im Arbeitsrecht tätig und habe den Bereich geleitet. Allerdings war es eine Full-Service-Kanzlei, weshalb man rechtsgebietsübergreifend arbeitet. Zudem war der Standort in Dubai sehr klein, damals waren wir drei Anwältinnen und Anwälte. Wir haben also beispielsweise auch die Steuerberatung übernommen und bei Unternehmensgründungen beraten.

Wie ist es, als deutsche Anwältin in Dubai zu arbeiten?

Man stellt sich das viel extremer vor, als es eigentlich ist. Dubai ist sehr westlich. Als europäische Frau und Anwältin kann man in Dubai alles machen und grundsätzlich überall hingehen. Im beruflichen Alltag gibt es nur ganz wenige Kleidervorschriften und meistens solche, die man auch in Deutschland beachten würde.

Aber natürlich gibt es erhebliche kulturelle Unterschiede zwischen den Staaten, wie man jetzt auch vor dem Hintergrund der Fußball-WM in Katar sieht. Das ist oftmals mehr eine moralische als eine berufliche Frage.

Inwiefern hat die Zeit in Dubai Sie geprägt?

Wenn man ins Berufsleben startet, fängt man an, seine Persönlichkeit richtig zu entwickeln und die beruflichen und persönlichen Werte herauszuarbeiten. Die Zeit in Dubai hat dazu beigetragen, dass ich das definieren konnte. Dabei geht es um mehr als die Frage, wie ich moralisch zu den Regeln in den muslimischen Staaten stehe. Vielmehr habe ich auch für mich erkannt, welche Karriere ich anstrebe und was ich mir in Bezug auf meinen Job, meine Kolleg:innen und die Arbeit mit Mandant:innen wichtig ist.

Die Zeit hat mir auch geholfen, mich besser mit Ausnahmesituationen zu arrangieren. Wenn man im Ausland ist, stößt man oft an seine Grenzen. Man ist weit weg von Familie und Freunden und hat, egal ob in persönlichen oder beruflichen Beziehungen, immer die sprachliche Barriere. Das hat mich sehr geprägt.

"Nach einer gewissen Zeit brauchte ich eine Veränderung"

Wie unterscheidet sich die Arbeit in Dubai von der in Deutschland?

Der Hauptunterschied ist, dass man in Dubai als Ausländer:in nicht vor Gericht auftreten darf, das gilt also nicht nur für Frauen. Man nennt sich dort auch nicht "Lawyer" (Anwalt), sondern "Legal Consultant" (Rechtsberater). Das hat einen einfachen Grund: Die Gerichtssprache ist arabisch – und das Auftreten vor Gericht ist den in den arabischsprachigen Staaten ausgebildeten Jurist:innen vorbehalten.

Wir haben also die Schriftsätze vorbereitet und für die Gerichtsverhandlung eine externe Kanzlei eingeschaltet. Die Verhandlungen dort sind aber anders als in Deutschland: Es geht weniger darum, Streitpunkte zu diskutieren und seinen Standpunkt vorzutragen, als Schriftsätze auszutauschen.

Es klingt vielleicht überraschend, aber mein jetziger Job in Deutschland ist viel internationaler: Während meiner Zeit in Dubai ging es bilateral um Deutschland und Dubai, jetzt arbeite ich globaler. Und: In Dubai habe ich erheblich weniger gearbeitet.

Seit etwas mehr als einem Jahr sind Sie jetzt als Senior Associate bei vangard | Littler tätig. Wieso sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt?

Insgeheim war mir immer klar, dass ich irgendwann nach Deutschland zurückkehre. Eigentlich wollte ich ja auch nur die Wahlstation in Dubai absolvieren – dann kam aber alles anders.

Nach einer gewissen Zeit habe ich gemerkt, dass ich eine Veränderung brauche. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ja noch sehr jung, das heißt man erreicht sehr schnell das Maximum, was man über das Rechtssystem wissen kann.

Und: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen einzigen Tag in Deutschland als Rechtsanwältin praktiziert. Ein Quereinstieg, vor allem auf dem gleichen Senioritätslevel, wird natürlich schwieriger, je länger man im Ausland tätig ist. Nach drei Jahren war für mich der perfekte Zeitpunkt, um nach Deutschland zurückzukommen – und ich habe einen großartigen Job und ein großartiges Team gefunden.

"Ich habe meine Gedanken zum Druck im Studium auf Instagram geteilt"

Auf Ihrem Instagram-Kanal "luisahatrecht" und dem gleichnamigen Blog berichten Sie von Ihren Erfahrungen im Studium, Referendariat und Berufsleben – und geben Examenstipps. Wie kam es dazu, dass Sie angefangen haben, zu schreiben?

In der 12. Klasse hatte ich überlegt, Journalismus zu studieren – in der Berufsberatung an meiner Schule haben Journalisten mir aber davon abgeraten. Sie haben empfohlen, ein anderes Fach zu studieren, auf das man richtig Lust hat, weil später immer noch der Quereinstieg in den Journalismus möglich sei. Einer der Gründe, warum ich Jura studiert habe.

Ich habe mich mit meinen Gedanken während des Studiums häufig einsam gefühlt: Überforderung, Zukunftsängste, Druck. Die anderen Studierenden haben entweder gesagt, dass man da jetzt durch muss – oder hatten diese Gefühle nicht oder haben sie zumindest nicht gezeigt. Ich habe dann angefangen, meine Gedanken auf Instagram und auf meinem Blog zu teilen.

Wie waren die Reaktionen?

Die Kommentarspalten bei Instagram sind explodiert. Das ist schon viele Jahre her, damals hat man Instagram nur benutzt, um mithilfe der Filter Fotos zu bearbeiten oder Bilder hochzuladen. Ich habe dann angefangen, Texte zu meinen Bildern zu schreiben und meine Gedanken und Gefühle zum Druck im Studium auszudrücken. Damit scheine ich einen Nerv getroffen zu haben, denn vielen ging es genauso. Heute nutze ich meine Reichweite auch, um auf Missstände hinzuweisen oder meine Meinung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen zu teilen.

Zum Schluss fragen wir immer nach Empfehlungen für Bücher, Filme oder Podcasts. Haben Sie eine für uns?

Ich spiele leidenschaftlich gerne Beachvolleyball und deshalb höre ich sämtliche Beachvolleyball-Podcasts – da gibt es aber nicht viele.

Ich schaue sehr gerne amerikanische Anwalts- und Gerichtsserien. Und den Film "Der Fall Collini" habe ich schon fünfmal gesehen. Natürlich wissen wir alle, dass ein echtes Strafverfahren meistens anders aussieht. Aber ich finde das einfach sehr spannend. Am besten gefallen mir allerdings Serien, die einen Bezug zu Jura und Psychologie haben, zum Beispiel "Bull". Der Protagonist Dr. Jason Bull gründet ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, Jurymitglieder einzuschätzen und so auszuwählen, dass man einen Prozess gewinnt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Luisa Rödemer ist seit August 2021 Senior Associate bei vangard | Littler in Hamburg. Ihre Wahlstation hat sie in Dubai absolviert. Dort war sie auch drei Jahre lang als Legal Consultant tätig.

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