Dem Bund fehlt die Gesetzgebungskompetenz für das ProstSchG. Außerdem in der Presseschau: Manager sollen für Kartelle in Haft, "Racial Profiling" war nicht entscheidungserheblich und eine Software, die Straffälligkeit vorhersagen können soll.
Thema des Tages
Prostituiertenschutzgesetz: Dem Bundesgesetzgeber fehlt die Gesetzgebungskompetenz für das Prostituiertenschutzgesetz. Das legt blog.delegibus.com (Oliver García) ausführlich dar. Schon die Suche nach einer Kompetenznorm gestalte sich schwierig. Eine Regelung im Bereich des Rechts der Wirtschaft (konkurrierende Kompetenz nach Art. 74 Nr. 11 Grundgesetz) – wie im Gesetzentwurf angenommen – liege nach einem historisch gewachsenen Verständnis der Rechtsgebiete kaum vor. Dieses sei nach dem Bundesverfassungsgericht jedoch von besonderem Gewicht. Jedenfalls fehle es, nach bisheriger Rechtsprechung des BVerfG zu urteilen, an den Voraussetzungen des Art. 72 Absatz 2 Grundgesetz, wonach der Bund im Bereich konkurrierender Kompetenz nur Gesetze erlassen darf, wenn das zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse oder der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich ist.
Rechtspolitik
Managerhaftung für Kartelle: Laut Samstags-FAZ (Helmut Bünder) fordert die Monopolkommission in einem noch unveröffentlichten Sondergutachten für das Bundeswirtschaftsministerium Haftstrafen von bis zu fünf Jahren für Manager, die für Kartellabsprachen verantwortlich sind. Das sorge für die notwendige Abschreckung, die Geldbußen bisher nicht leisteten. Wenn Geldbußen für das Unternehmen wegen Aufdeckungshilfe entfielen, solle auch Straffreiheit eintreten. Caspar Busse (Montags-SZ) begrüßt den Vorschlag, denn es gehe bei Kartellbildungen "nicht um Lappalien".
Netzneutralität: Am morgigen Dienstag stimmt das EU-Parlament über die "Verordnung für das freie Internet" ab, deren Titel laut Samstags-FAZ (Michael Hanfeld) täuscht, "eine Eins-a-Mogelpackung". Damit sollen zwar bis Juni 2017 Roaminggebühren nahezu abgeschafft werden, aber auch die Netzneutralität soll eingeschränkt werden. Das "Best Effort"-Prinzip werde von Ausnahmen überlagert, die in der Summe den Weg zu einem Zweiklasseninternet ebnen. Auch Nico Lumma (bild.de) befürchtet das Ende der Netzneutralität.
"Widerrufsjoker": Nicht nur der "Widerrufsjoker" soll abgeschafft werden – hier soll drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes das Widerrufsrecht für Immobiliendarlehensverträge, die zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden, erlöschen – auch für zukünftige Verträge soll es eine absolute Endfrist geben. Selbst bei fehlerhafter Belehrung soll ein Widerruf nur innerhalb einer Frist von zwölfeinhalb Monaten zulässig sein, berichtet die BadZ (Chriatian Rath).
Asylrecht: Nach nur vier Tagen hat der Bundespräsident das Gesetzespaket zum Asylrecht bereits am vergangenen Dienstag ausgefertigt. So konnte es bereits am Freitag im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Mit Ausnahme weniger Regelungen sollte es "nach der Verkündung in Kraft" treten, was somit bereits am Samstag erfolgte. Das melden unter anderem Samstags-FAZ (Günter Bannas/Eckart Lohse) und BerlZ (Chriastian Bommarius). Damit könnten vermehrte Abschiebungen bereits in dieser Woche beginnen.
Asylgrundrecht: In einem Gastkommentar verfolgt Rudolf Walther in der Samstags-taz die Rechtsentwicklung in Deutschland nach, mit der das Asylgrundrecht "wegsaniert" worden sei und weiter werde.
Asyl- und Strafrecht: Wie der Spiegel (Andreas Ulrich) meldet, will die Justizministerkonferenz der Länder den Straftatbestand der unerlaubten Einreise streichen. Die Strafbarkeit der Einreise ohne Papiere sei nicht ohne Weiteres mit dem Grundrecht auf Asyl zu vereinbaren. Außerdem soll die Schleuserkriminalität auf den Prüfstand gestellt werden, es müsse zwischen humanitärer Hilfe und dem Ausnutzen von Notlagen zum eigenen Profit unterschieden werden.
Erlaubter Insiderhandel: Wäre Insiderhandel nicht verboten könnten Aktienkurse auf Fehlentwicklungen in Unternehmen – wie etwa bei VW – hinweisen, Informationen könnten so früher an die Öffentlichkeit gelangen. Manager – insbesondere, wenn ihre Gehältern an die Kurse gekoppelt sind – könnten durch die Kursentwicklung angehalten werden Nachforschungen anzustellen. Diese Überlegungen des amerikanischen Ökonomen und Juristen Henry Manne legt die FAS (Patrick Welter) dar.
Vorübergehendes Bleiberecht: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner spricht sich in der Samstags-FAZ für ein vorübergehendes Bleiberecht aus humanitären Gründen für Kriegsflüchtlinge aus. Es könne weniger bürokratisch als der sekundäre Schutz nach dem Asylrecht gestaltet werden. Eines Asylrechts mit dauerhafter Bleibeperspektive bedürfe es nur für individuell politisch Verfolgte.
Justiz
EuGH zu Kartellbeteiligung: Auch wer nicht unmittelbar im betroffenen Marktsektor tätig ist, kann mit einer kartellrechtlichen Buße belegt werden. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs genügt die Begünstigung der Zuwiderhandlungen. Die Unternehmensberatung AC Treuhand war erfolglos gegen eine Buße vorgegangen, die ihr die EU-Kommission wegen Koordinationstätigkeiten in einem Kartell auferlegt hatte, berichtet Rechtsanwalt Nico Just auf lto.de.
EuGH – Arbeitnehmermitbestimmung: Dass im Ausland Beschäftigte eines mitbestimmungspflichtigen deutsche Unternehmens nicht im Aufsichtsrat vertreten sein müssen, hält das Kammergericht für unionsrechtswidrig und hat, laut Montags-FAZ (Joachim Jahn), den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht. Joachim Jahn (Montags-FAZ) meint, der EuGH werde die Unionsrechtswidrigkeit bestätigen. Das komme einer "kleinen Kulturrevolution" gleich, denn mangels Kenntnis des System des "Ko-Managements" seien ausländische Mitarbeiter "nicht die größten Vorkämpfer für Arbeiterrechte".
EuGH zu Bitcoin-Umtausch: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Umtausch von Bitcoins, wie der Umtausch gesetzlicher Zahlungsmittel, nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. e) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie umsatzsteuerfrei ist. Das berichtet Rechtsprofessor Dennis Klein auf lto.de.
BGH zu Absage der Hauptversammlung nach Beginn: Rechtsprofessor Ulrich Wackerbarth kritisiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Ende Juni. Die Absage einer Hauptverhandlung durch den Vorstand nach deren Beginn ist nicht wirksam. Verlassen nun Mitglieder den Saal und wird die HV in ihrer Abwesenheit durchgeführt, sei ihr Teilnahmerecht nicht verletzt und Beschlüsse seien nicht anfechtbar, meint Wackerbarth entgegen dem Gericht. Andernfalls könnten durch solche unwirksamen Absagen der Hauptverhandlung die Minderheitsrechte aus § 122 Aktiengesetz umgangen werden.
OVG Bln-Bbg – Lobbyistenliste: Die Bundestagsverwaltung muss über Lobbyisten informieren, die mit Hausausweisen ausgestattet sind. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin bereits Ende September mit Eilentscheidung zugunsten des Tagesspiegels entschieden. Hiergegen hat die Bundestagsverwaltung Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg erhoben, über die noch zu entscheiden ist. Die SPD Fraktion habe vergangene Woche bereits "freiwillig" ihre Liste veröffentlicht, berichtet der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).
LAG Kiel zu Kündigung wegen Führerscheinentzug: Wenn der (Außendienst-)Mitarbeiter die vertraglich geforderte Leistung auch ohne eigene Fahrerlaubnis erbringen kann, berechtigt der Entzug der Fahrerlaubnis nicht zur Kündigung, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Juli, wie Rechtsanwalt Norbert Pflüger in der Samstags-FAZ berichtet. Maßgeblich sei dabei jedoch weiterhin die vertraglich festgelegte Leistung, wobei der Arbeitgeber bestimmen könne, wie die Arbeit zu erbringen ist.
VG Stuttgart zu "Racial Profiling": Weil er nahe der Deutsch-Französischen Grenze nach § 23 Bundespolizeigesetz ("Schleierfahndung") kontrolliert wurde, klagte ein deutscher Staatsbürger afghanischer Abstammung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Das VG gab der Klage statt, denn die Norm verstoße gegen Unionsrecht, welches systematische Grenzkontrollen untersage. Zum eigentlichen Grund der Klage, der Auswahl des Klägers zur Kontrolle aufgrund seines Aussehens ("Racial Profiling"), äußerte sich das Gericht nicht, berichten die taz (Christian Rath – ausführlich auf taz.de) und lto.de. Der Jurastudent Lukas Müller weist auf verfassungsblog.de darauf hin, dass das Urteil dem Entschluss der Bundesregierung, vorübergehend Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen wieder einzuführen, nicht entgegensteht.
LG Hamburg zu EHEC-Warnung: Die Stadt Hamburg muss einem spanischen Gemüsehändler Schadensersatz zahlen. In einer Pressemitteilung der Hamburger Verbraucherschutzbehörde war 2011 der – wie sich später herausstellte fälschliche – Eindruck erweckt worden, die Salatgurken des Händlers seien für die EHEC-Welle verantwortlich. Dass noch unklar war, ob der in den Gurken gefundene EHEC-Stamm der maßgebliche Erreger war, hätte mitgeteilt werden müssen, entschied das Landgericht Hamburg laut lto.de.
VG Braunschweig zu AirBerlin/Etihad: Im Streit um die Flüge von Air Berlin und Etihad Airways im Codesharing-Verfahren hat das Verwaltungsgericht Braunschweig per Eilentscheidung zunächst bis 8. November eine Fortsetzung genehmigt. Die Bundesregierung erklärte sich daraufhin mit einer Fortsetzung bis zum 15. Januar einverstanden, um den Passagieren die bereits Tickets erworben hatten Nachteile zu ersparen. Bis dahin müssen die Fluggesellschaften eine organisatorische Lösung finden, berichtet unter anderem zeit.de.
GBA – NSA/GCHQ: Nachdem auf dem Rechner einer Referatsleiterin im Bundeskanzleramt die Spionagesoftware "Regin" gefunden wurde, hat die Bundesanwaltschaft noch unter Leitung Harald Ranges ein Verfahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet. Zwar werde das Verfahren derzeit gegen Unbekannt geführt, in Fachkreisen bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass "Regin" der NSA oder dem GCHQ zuzuordnen sei, melden Spiegel (Fidelius Schmidt/Jörg Schindler) und Montags-SZ.
SG Berlin – Vermehrte Klagen: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn/Dietrich Creutzburg) berichtet vom Sozialgericht Berlin, bei dem sich Eilanträge und Klagen unter anderem aufgrund der Überforderung des LaGeSo häufen.
Rassistisch motivierte Taten: Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) fordert ein entschiedeneres Vorgehen der Strafverfolger bei rassistisch motivierten Straftaten. Es bedürfe eines Mentalitätswandels der Behörden, um in Zusammenarbeit in die hoch konspirativen rechten Strukturen eindringen zu können und solche Taten effektiv zu bekämpfen.
Arbeitsrecht: Wie Unternehmen Vertriebler, die sie loswerden wollen, rechtswidrig kaltstellen und wie sich die Arbeitnehmer mit Eilverfahren und Klagen zur Wehr setzen können, beschreibt zeit.de (Christoph Abeln/Claudia Tödtmann).
Recht in der Welt
USA – Straffälligkeitsprognose: Kann ein Gefangener frühzeitig entlassen werden oder wird er rückfällig? Solche und ähnliche Fragen beantwortet der amerikanische Soziologe Richard Berk mit Hilfe eines statistischen Computerprogramms über dessen Einsatz in den USA die taz (Johannes Gernert) berichtet.
Frankreich – EuGH "Delvigne": Rechtsprofessor Sébastien Platon befasst sich auf verfassungsblog.de in englischer Sprache mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Oktober zur Aberkennung des Wahlrechts für Straftäter nach französischem Recht.
Türkei – Sürücü-Prozess: Mehr als zehn Jahre nachdem Hatun Sürücü vor ihrem Haus in Berlin erschossen wurde stehen zwei ihrer Brüder in der Türkei deswegen vor Gericht. Ein jüngerer Bruder hatte die Tat auf sich genommen und war in Deutschland zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt worden. Als der Bundesgerichtshof die Freisprüche der älteren Brüder aufhob waren diese bereits in der Türkei und wurde nicht ausgeliefert. Es berichtet die Montags-SZ (Verena Mayer/Mike Szymanski).
Sonstiges
Fritz Bauer: Fritz Bauer hat mit teilweise sehr fragwürdiger Begründung mehr als hundert Ermittlungsverfahren eingestellt, die gegen Richter und Staatsanwälte geführt wurden, die Todesurteile in der NS-Zeit zu verantworten hatten. Das geht aus Unterlagen hervor, die im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Geschichte des Oberlandesgerichts Frankfurt ausgewertet wurden. Georg D. Falk, ehemaliger Vorsitzender Richter am OLG und Leiter des Forschungsprojekts, habe dafür bisher keine Erklärung gefunden, melden der Spiegel (Klaus Wiegrefe) und die Montags-taz.
70 Jahre UN-Charta: Die Montags-SZ (lsee) macht auf den 70. Jahrestag der UN-Charta aufmerksam, diese trat am 24. Oktober 1945 in Kraft. Die UN sei laut Ban Ki Moon weiterhin "ein unvollendetes Werk".
Das Letzte zum Schluss
Kondomwerbung: Drei Orgasmen mit einem Gummi. Das ist unseriös sagt die Konkurrenz. Quatsch sagen die Werber: zwei für sie, einen für ihn. Die Konkurrenz findet das nicht lustig und jetzt müssen drei Richterinnen der Wettbewerbskammer des Landgerichts Düsseldorf entscheiden. Im Eilverfahren hielten sie das schon mal nicht für eine angemessene Sichtweise, meldet die taz.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. - 26. Oktober 2015: ProstSchG ohne Kompetenz – Kartellförderung genügt – Straffällig laut Software . In: Legal Tribune Online, 26.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17325/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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