Ist das Landgericht Köln im Fall der Abmahnungen für das Streamen von Porno-Videos geschickten Formulierungen in den Auskunftsanträgen aufgesessen? Außerdem in der Presseschau: Rechtsgutachten zur Kontrolle bei der Verteilung von Spenderorganen, Prozessauftakt im Fall Glaeseker, gerichtliche Erfolge und Misserfolge der Deutschen Bank und weshalb ein Rocker Drogen von der Staatsanwaltschaft geschickt bekommt.
Thema des Tages
Porno-Abmahnungen: Im Fall der Abmahnungen für das Betrachten von Videostreams der Porno-Webseite redtube.com ist weiter unklar, weshalb das Landgericht Köln den Auskunftsersuchen an die Telekom über die Nutzeradressen stattgegeben hat. Nach Berichten von spiegel.de (Christian Stöcker, Matthias Kremp) und Die Welt (Benedikt Fuest) vermuten nun Rechtsanwälte, die Betroffene vertreten, das Gericht habe das Streaming-Portal mit einer Tauschbörse verwechselt. So sei in den Beschlüssen vom "öffentlichen Zugänglichmachen" geschützter Inhalte die Rede. Dies könne darauf zurückzuführen sein, dass die Ankunftsersuche den aus Filesharing-Verfahren bekannten Anträgen bis auf wenige Formulierungen glichen. "Darauf ist das Gericht vermutlich hereingefallen", so der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke.
sueddeutsche.de (Matthias Huber) stellt die wichtigsten Fragen und Antworten zum konkreten Fall zusammen. Die Augsburger Allgemeine (Sascha Borowski) führt zur Thematik ein Interview mit Rechtsanwalt und Autor von lawblog.de, Udo Vetter.
Rechtspolitik
Organvergabe: Nach Bericht der SZ (Christina Berndt) kommt ein vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten des Rechtsprofessors Steffen Augsberg zum Ergebnis, dass mehr staatliche Kontrolle im Transplantationswesen nicht nötig ist. Der "Regelungsmix" aus staatlichen Vorgaben und selbstregulativen Elementen passe gerade bei so komplexen und auf Expertenwissen angewiesenen Themen wie der Transplantationsmedizin "in das Kalkül moderner Staatsaufgabenwahrnehmung". Kritiker wie der Staatsrechtler Wolfram Höfling monierten dagegen seit Bekanntwerden der Transplantationsskandale im Sommer 2012 "verfassungsrechtlich hochbedenkliche Strukturen" im Transplantationswesen.
Beinahetreffer bei Massengentests: Rechtsprofessorin Sabine Swoboda setzt sich auf lto.de mit dem Vorhaben der Großen Koalition auseinander, bei Massengentests künftig die Verwertung von "Beinahetreffern", die eine Verwandtschaftsbeziehung der Testperson zum Täter nahelegen, zu ermöglichen. Dies könne die Aufklärung von schweren Gewalt- und Sexualdelikten aber auch erschweren, wenn dadurch etwa Freiwillige von der Teilnahme an Massengentests abgehalten werden, um nicht unkalkulierbare Folgeermittlungen im Familienkreis auszulösen.
Völkerrecht im Koalitionsvertrag: Die Politikwissenschaftler Sassan Gholiaga, Antje Wiener befassen sich auf verfassungsblog.de mit den völkerrechtlichen Zielen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Die Weiterentwicklung des Völkerrechts soll danach dazu beitragen, dass die Vereinten Nationen einen wirksameren Beitrag zur weltweiten Durchsetzung von Freiheit und Menschenrechten leisten, wozu insbesondere das Konzept der Schutzverantwortung einer weiteren Ausgestaltung und völkerrechtlichen Implementierung bedürfe. Gholiaga und Wiener geben eine Einschätzung, wie eine solche Ausgestaltung und Implementierung aussehen könnte.
Justizwesen: Zum Personalmangel in der Justiz kommentiert Reinhard Müller (FAZ), eine bundeseinheitliche Besoldung, wie vom Richterbund gefordert, ändere nichts an der sonstigen Zuständigkeit der Länder für die Justiz – "und daran, dass Richter an sich und je nach Instanz durchaus unterschiedlich ausgelastet und motiviert sind". Von Seiten der Politik fehle es am Interesse an der Justiz und ihren Belangen.
Justiz
LG Hannover – Olaf Glaeseker: Zu Beginn seines Strafprozesses wegen Bestechlichkeit hat der frühere Sprecher von Christian Wulff, Olaf Glaeseker, die Vorwürfe zurückgewiesen. Bei der angeklagten Sponsorensuche für die Veranstaltungen des Eventveranstalters und Mitangeklagten Manfred Schmidt habe er im Interesse und mit Kenntnis Wulffs gehandelt. Urlaube und Freiflüge habe er nicht als Gegenleistung von Schmidt erhalten; vielmehr pflegten er und Schmidt ein enges freundschaftliches Verhältnis. Detaillierte Schilderungen der Einlassung Glaesekers finden sich in der SZ (Charlotte Parnack), der FAZ (Robert von Lucius) sowie auf focus.de (Ansgar Siemens).
Deutsche Bank vs. Kirch: Die FAZ (Joachim Jahn) gibt einen Überblick über die neueren Entwicklungen im Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bank und den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch. Eine Klage der Kirch-Erben, wonach Fragen ihrer Anwälte in einer Hauptversammlung im Mai 2010 unzureichend beantwortet worden seien, habe der Bundesgerichtshof in einem noch unveröffentlichten Beschluss zurückgewiesen. Keinen Erfolg habe das Geldinstitut dagegen mit dem Versuch gehabt, beim Oberlandesgericht München Einblicke von Kirch-Anwälten in Ermittlungsakten wegen des Verdachts auf versuchten Prozessbetrug zu verhindern. Wie die SZ (O.K.) und welt.de (Karin Matussek) zudem berichten, gehe der ehemalige Vorstandschef Josef Ackermann derweil beim Bundesverfassungsgericht per Eilantrag dagegen vor, dass die Kirch-Erben die in der Konzernzentrale beschlagnahmten Dokumente gegen ihn und seinen ehemaligen Arbeitgeber verwenden dürfen.
ArbG Frankfurt zu Deutsche Bank: Bereits im September hat das Arbeitsgericht Frankfurt entschieden, dass die Deutsche Bank vier Händler wieder einstellen muss, die sie im Zuge der Affäre um Manipulationen des Referenzzinses Libor entlassen hatte. Die Bank hatte die gekündigten Mitarbeiter daraufhin wieder eingestellt, sie aber ins "Sterbezimmer" abgeschoben, ihnen also eine Beschäftigung gegeben, die aus ihrer Sicht nicht ihrem rechtlichen Anspruch entsprach. Nach Meldung von spiegel.de (Martin Hesse) hat das Gericht nun angeordnet, dass die Mitarbeiter wieder an ihren ursprünglichen Positionen eingesetzt werden müssen.
LG Bayreuth zu Fall Peggy: Das Landgericht Bayreuth hat im Fall der im Frühjahr 2001 verschwundenen, damals neunjährigen Peggy die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Im Jahr 2004 war der geistig Behinderte Ulvi K. wegen Mordes an dem Mädchen verurteilt worden. Wie spiegel.de (Conny Neumann) und die SZ (Olaf Przybilla) schildern, stützte das Gericht die Wiederaufnahme zum einen darauf, dass ein V-Mann im Prozess gelogen habe, zum anderen habe die Polizei für den Beschuldigten eine Tathergangshypothese entwickelt, die dieser nach stundenlanger Vernehmung - am Ende ohne Anwalt und ohne laufendes Aufnahmegerät - nur noch bestätigen musste.
OLG München – NSU: Im NSU-Verfahren wurde am Montag ein Kriminalbeamter vernommen, der durch Zufall im Jahr 2007 wegen Ermittlungen in einem Alltagsdelikt mit Beate Zschäpe in Kontakt war, aber nichts von deren Doppelleben bemerkte. Berichte darüber finden sich bei der SZ (Annette Ramelsberger) und der taz (Andreas Speit). Separat schildert die taz (Andreas Speit) zudem die Aussage einer BKA-Beamtin, die auf einer Fahrt zwischen zwei Justizvollzugsanstalten mit Zschäpe ins Gespräche gekommen war.
Uli Hoeneß – neuer Anwalt: spiegel.de (Christian Teevs) porträtiert den neuen Anwalt von Uli Hoeneß, Hanns W. Feigen, einen der "hochkarätigsten Wirtschaftsstrafverteidiger Deutschlands". Die Liste dessen bisheriger Mandanten, unter anderem Klaus Zumwinkel, Wendelin Wiedeking und Jürgen Fitschen, lese sich "wie das Who's Who der deutschen Wirtschaft".
LG Meiningen – ehemaliger thüringischer Innenminister: Seit Montag muss sich der ehemalige thüringische Innenminister Christian Köckert vor dem Landgericht Meiningen wegen des Vorwurfs der Vorteilsannahme und Abgeordnetenbestechung verantworten. Laut taz (Micha Bartsch) wird ihm vorgeworfen, als Beigeordneter der Stadt Eisenach gegen Geldzahlung einen Windanlagenbauer protegiert sowie sich die Ansiedlung eines Media-Markts stark gemacht zu haben.
AG München zu Reiserücktrittsversicherungen: Die Reiserücktrittsversicherung einer Kreditkarte gilt nur, wenn der komplette Reisepreis mit der Kreditkarte gezahlt wurde. Nach einem am Montag bekanntgegebenen Urteil des Amtsgerichts München ist die entsprechende Klausel in den AGB eindeutig genug formuliert und benachteilige den Kunden auch nicht über Gebühr. Es berichten lto.de und lawblog.de (Udo Vetter).
EuGH zu Subventionen: Handelsblatt (Catrin Gesellenreiter) befasst sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im seit 2008 andauernden Rechtsstreit zwischen der Deutschen Lufthansa und dem Flughafen Frankfurt Hahn über verbotene staatliche Beihilfen. Wenn die EU-Kommission bereits ein förmliches Prüfverfahren wegen des Verdachts unzulässiger Beihilfen eingeleitet habe, müssen die nationalstaatlichen Gerichte –so die Vorgaben des Gerichtshofs - "alle erforderlichen Maßnahmen" treffen, um die Konsequenzen aus einem eventuellen Verstoß gegen das Beihilfenrecht zu ziehen. Eine solche Maßnahme sei etwa die Aussetzung der strittigen Leistungen wie auch ihre Rückforderung. Bereits die Eröffnung eines Verfahrens durch die EU-Kommission könne damit erhebliche Konsequenzen für betreffende Unternehmen haben.
Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen gegen Mappus: Dem ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus droht nach Meldung der Welt (Hannelore Crolly) eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung wegen Falschaussage. Im Kern geht es um die Frage, ob der Wasserwerfereinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September 2010 politisch motiviert gewesen ist. Mappus hat einen solchen Zusammenhang bestritten; nun seien aber E-Mails der ehemaligen Umweltministerin Gönner an Mappus aufgetaucht, die sich anders lesen.
Recht in der Welt
Ägypten – Prozess gegen Muslimbrüder: Am Montag hat in Ägypten ein Verfahren gegen Mohammed Badie, der geistige Führer der Muslimbruderschaft, und 14 Mitangeklagte begonnen, denen Anstiftung zur Gewalt zur Last gelegt wird. Wie die SZ (Sonja Zekri) berichtet, zeichneten staatliche Medien, die einzig aus dem Gerichtssaal berichteten, das Bild eines Unbeeindruckten, der sich und die Muslimbruderschaft als Leidtragende einer verbrecherischen Regierung darstellte.
Russland – Chodorkowskij: Nach Bericht FAZ (Reinhard Veser) auf Seite Drei nehmen die russischen Behörden im dritten Verfahren gegen den Oligarchen Chodorkowskij nun Juristen und Wirtschaftsfachleute ins Visier, die 2011 im Auftrag des Menschenrechtsrates des damaligen Präsidenten Medwedjew Gutachten zum Urteil des zweiten Chodorkowskij-Prozesses verfasst haben. Darunter sei auch der deutsche Professor Otto Luchterhandt, gegen den das russische Ermittlungskomitee Ende Mai ein Rechtshilfeersuchen an Deutschland gestellt hat. Luchterhandt, der sich seit den sechziger Jahren mit sowjetischem und russischem Recht befasst und international hohes Ansehen genießt, wage sich nun nicht mehr nach Russland.
Sonstiges
Syndikusanwälte: Im Rahmen einer Themenwoche zu Unternehmensjuristen befasst sich lto.de (Johanna Strom) mit dem Status des Syndikus. Die berufsrechtliche und berufspolitische Diskussion tue sich seit jeher schwer mit der Behandlung dieses Mischwesens, das einerseits in ständigem Beschäftigungsverhältnis zu einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber steht und andererseits als frei praktizierender Anwalt bei der Anwaltskammer zugelassen ist. Neben der Kernfrage, ob der Unternehmensjurist auch in seiner Tätigkeit für das Unternehmen "anwaltlich" tätig sein kann, befasst sich der Beitrag mit Problemen bei der Fachanwaltszulassung sowie der Rentenversicherung.
Das Letzte zum Schluss
Drogensendung an Rocker: Eine Verwechslung der besonderen Art hat sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg geleistet. Aufgrund eines Zahlendrehers in der Herausgabeverfügung übersandte sie dem Mitglied eines Rockerclubs statt seiner gestohlenen Taschenuhr ein Päckchen Haschisch und Amphetamine. Der hatte dafür allerdings keine Verwendung: Wie sueddeutsche.de berichtet, ging er gemeinsam mit seinen Kumpels zur Behörde und gab die Drogen ab.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Dezember 2013: Gelinktes Landgericht – Kontrolle bei der Organverteilung - Drogenpost von der Staatsanwaltschaft . In: Legal Tribune Online, 10.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10303/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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