Die Bayern-SPD klagt gegen Altersgrenzen für Bürgermeister und der VerfGH macht darum ein großes Aufheben. Die Bundesregierung vollbringt völlig unbemerkt kleine Rechtsrevolutionen. Außerdem in der Presseschau: BVerfG zu unechter Rückwirkung, Vaterschaftsanfechtungen, einheitlicher Cannabiskonsum, Udo Vetter im Bundestag und welchen Wichtigmacher Martin Walser verklagt.
SPD gegen Altersgrenze: Über die Popularklage der bayerischen SPD-Landtagsfraktion vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte berichtet die SZ (Christian Sebald) im München-Teil: Die Grenze liege derzeit bei 65 Jahren. In der gestrigen mündlichen Verhandlung sei der 19. Dezember als Urteilstermin ausgegeben worden, so die SZ, die glaubt, der Gerichtshof nehme die Klage "sehr ernst": So sei auf der Homepage ausführlich auf die Verhandlung hingewiesen worden. Treibende SPD-Kraft sei Peter Paul Gantzer, ein 73 Jahre alter Landtagsabgeordneter, der unter anderem auf die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie hingewiesen habe.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Kleine Revolution im Insolvenzrecht: "Selbst in Fachkreisen bislang unbemerkt" sei eine kleine, von der Bundesregierung in der letzten Woche vollbrachte, "Rechtsrevolution" geblieben, weiß das Handelsblatt (Dieter Fockenbrock): Die "Überschuldung eines Unternehmens als zwingender Auslöser für einen Insolvenzantrag" sei "jetzt komplett gestrichen" geworden. Damit habe man sich gegen die Rückkehr zum alten Überschuldungsbegriff entschieden, was eigentlich ab dem Jahr 2014 vorgesehen war. Lediglich über Fristverlängerungen der im Jahr 2008 eingeführten Ausnahme sei bisher gesprochen worden; nun habe man sich für eine vollständige Entfristung entschieden.
Einheitlicher Cannabiskonsum: Vor der Innenminister-Herbstkonferenz in der kommenden Woche fordert Bernd Busemann (CDU), Niedersachsens Innenminister, eine Vereinheitlichung der Höchstgrenzen bei sechs Gramm für den so genannten Eigenbedarf bei Cannabis und damit eine Vereinheitlichung der Einstellungspraxen bei der Strafverfolgung in den Bundesländern. Dies meldet lto.de.
"Minister im Cyberkrieg": Den IT-Direktor des Bundesinnenministeriums, Martin Schallbruch, studierter Informatiker mit angefangenem Jura-Studium, stellt die FTD (Maike Rademaker/Annika Graf) vor. Zurzeit setze er sich für Meldepflichten bei Hacker-Angriffen von Betreibern "kritischer Infrastrukturen" ein.
Erbschaftsteuer vorläufig: Wie die SZ (Guido Bohsem) berichtet, haben sich die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern darauf geeinigt, die Erbschaftsteuer bis zu einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur vorläufig zu erheben. "In Kürze werden die obersten Finanzbehörden der Länder entsprechende Entscheide veröffentlichen", so laut SZ das Bundesfinanzministerium. Nach Karlsruhe sei die Erbschaftsteuer durch eine Vorlage des Bundesfinanzhofes gekommen.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zu unechter Rückwirkung bei Steuergesetzen: Laut eines am Freitag veröffentlichten Beschlusses des BVerfG ist ein Gesetz aus dem Dezember 2001, das Streubesitzdividenden rückwirkend der Gewerbesteuer unterstellte, teilweise nichtig. Die Vertrauensschutzgrenze sei mit dem Tag der Entscheidung des Vermittlungsausschuss zum fraglichen Gesetz zu ziehen. Erst für danach erzielte Dividende sei die Regelung verfassungskonform. Dies erläutert für lto.de der Rechtsanwalt Gunnar Knorr.
OLG Nürnberg zu Vaterschaftsanfechtung: Der Blog Fokus-Familienrecht (Gerhard Kaßing) berichtet über eine Entscheidung des Oberlandesgericht Nürnberg zur Vaterschaftsanfechtung. Ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters bestehe nicht, wenn zwischen Kind und rechtlichem Vater eine sozial-familiäre Bindung bestehe. Entgegen der Auffassung des Antragstellers stehe die Regelung auch in Einklang mit zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Väterrechten.
LG Dresden – Journalistenprozess/Sachsensumpf: Wegen "zweier Fragesätze" in einem online erschienenen Artikel der Wochenzeitung Die Zeit zum so genannten Sachsensumpf waren die Journalisten Thomas Datt und Arndt Ginzel im Jahr 2012 vom Amtsgericht Dresden wegen Verleumdung verurteilt worden. Zur heute beginnenden Berufungsverhandlung vor dem Landgericht informiert die taz (Michael Bartsch) noch einmal ausführlich über die Hintergründe des "Dresdener Journalistenprozesses".
BVerfG – Deals im Strafprozess: Im "Votum" des Handelsblattes äußert sich Wirtschaftsrechtsprofessor und Strafverteidiger Klaus Volk zur derzeit dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Frage nach dem Deal im Strafprozess und meint, es ginge hier vor allem um die Bedeutung solcher Absprachen für die Rechtskultur: Wollen "wir eine gewisse 'Privatisierung' der Strafrechtspflege oder nicht"?
EuGH zu Kommissionsklagerecht: Mit dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes aus der vergangenen Woche zur Klagebefugnis der EU-Kommission gegen Kartellanten zur Geltendmachung von Schadenersatz befasst sich die FTD (Daniel Schönwitz) auf ihrer Recht-Seite: Dies werde wohl eine "Prozesswelle" anderer Kartellopfer auslösen.
EuGH zu gebrauchter Software: Seit dem EuGH-Urteil zur Zulässigkeit des Weiterverkaufs gebrauchter Originalsoftware – gleich auf welchem Speichermedium – von Juli dieses Jahres streiten Juristen, ob eine Ausweitung auf andere digitale Güter, etwa Musik oder Hörbücher zum Download, möglich ist. Die FAZ (Martin Gropp) berichtet in einem ausführlichen Beitrag im Wirtschafts-Teil und weist auf laufende Verfahren in Deutschland und den USA hin.
Stern gegen FDP: Die SZ (Karoline Meta Beisel) berichtet, dass das Nachrichtenmagazin Stern der FDP per einstweiliger Verfügung die Online- Veröffentlichung eines Fragen- und Antwortenkataloges aus einer Recherche zu möglicherweise "verdeckten Spenden" der "FDP-nahen" Friedrich-Naumann-Stiftung an die Partei untersagt hat. Die Partei habe das Dokument bereits einige Tage vor Erscheinen der aktuellen Stern-Ausgabe auf der eigenen Homepage veröffentlicht.
Vorgehen des GBA im Fall Zschäpe: Das Vorgehen von Generalbundesanwalt Harald Range und dem Oberlandesgericht München, die Öffentlichkeit über die Anklagen gegen "Beate Zschäpe und andere" zu unterrichten, bevor diese den Betroffenen zugestellt wurden, kritisiert Holger Schmidt ausführlich auf seinem SWR-Terrorismusblog und weist auf die entsprechende Regelung in den "Richtlinien für das Strafverfahren" hin.
Staatsanwaltschaft Bochum – UBS-Kunden: Wie unter anderem spiegel.de und bild.de melden, haben Staatsanwälte sowie 50 Steuerfahnder im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Bochumer Staatsanwaltschaft am Montag bundesweit Razzien bei Kunden der Schweizer Bank UBS durchgeführt. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet ebenfalls.
NSU/Uwe Mundlos: In einer "Rekonstruktion der Radikalisierung" befassen sich Julia Jüttner und Sven Röbel (spiegel.de) ausführlich mit dem Rechtsterroristen Uwe Mundlos.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Irland – Kinderrechte in Verfassung: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) berichtet knapp über das Referendum der Iren über den neuen Art. 42A in ihrer Verfassung, welcher einen besseren Schutz der Kinder vor Herabwürdigungen sowie einen Ausgleich zwischen staatlichen Eingriffs- und Elternrechten sichern soll.
Island/USA – Netzaktivistin Jónsdóttir: Der Freitag (Anna Catherine Loll) porträtiert die isländische Wikileaks- und Internetaktivistin Birgitta Jónsdóttir, die unlängst in erster Instanz erfolgreich gegen das aktuelle US-amerikanische Verteidigungsgesetz geklagt habe. Kein Erfolg habe jedoch eine Klage gegen die Weitergabe ihrer gesamten Twitterdaten an das US-Justizministerium gehabt.
Italien – Ratingagenturen manipulativ?: Über die Anklage gegen Mitarbeitern der Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch Ratings vor einem Gericht in Trani (Italien) wegen Marktmanipulation und Marktmissbrauch von Insider-Wissen informiert das Handelsblatt (Katharina Kort).
Sonstiges
Reform der Juristenausbildung: Auf ihrer Recht-Seite spricht die FTD (Anke Stachow) mit Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stiftungsverbands Deutsche Wissenschaft, über die Überforderung von Jurastudenten und ob Bachelor- und Masterstudiengänge eine geeignete Alternative für viele seien. Anlass ist die diese Woche in Bonn stattfindende Konferenz zur Reform der Juristenausbildung mit dem Stiftungsverband und der Hochschulrektorenkonferenz.
Udo Vetter für Piraten: Der Lawblogger und Strafverteidiger Udo Vetter könnte für die Piraten in den Bundestag einziehen, berichtet spiegel.de (Jörg Diehl/Annett Meiritz) und porträtiert den Juristen, dessen großes Thema die richtige Balance im Kräfteverhältnis von "Staat und Bürger, Freiheit und Sicherheit" sei.
Facebook- Aufstand: Udo Vetter (lawblog.de) freut sich zwar über den "Aufstand gegen Facebook auf Facebook", bei dem sich Nutzer auf ihren Profilen gegen AGBen des Unternehmens aussprechen, weist aber darauf hin, dass dieser "Widerspruch" nicht rechtlich wirksam sei. Das müsse schon per E-Mail oder Post geschehen.
Dazu auch RechtamBild.de (Florian Wagenknecht): Auch wenn man AGB "durchaus widersprechen kann", gebe es derzeit keine "neuen" Facebook-AGB, denen man widersprechen müsste.
Branchentarifverträge: Mit dem neuen System der Branchentarifverträge befasst sich für lto.de die Fachanwältin und Lehrbeauftragte Sandra Urban-Crell und erläutert die neuen (Offenlegungs-)Pflichten für entleihende Unternehmen und die Bedeutung für die Leiharbeitsverträge der Personaldienstleister.
Das Letzte zum Schluss
Walser vs. Friedmann: Wie focus.de berichtet, will der Schriftsteller Martin Walser Klage wegen Beleidigung gegen den Publizisten Michel Friedmann einreichen. Der "Wichtigmacher", so Walser, habe ihm Antisemitismus und Rassismus vorgeworfen.
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Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. November 2012: SPD klagt gegen Altersgrenze – Revolution im Insolvenzrecht – Stern streitet mit FDP . In: Legal Tribune Online, 13.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7525/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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