Erste Veröffentlichung zum Swiss-Leak und der Bankkundendaten-Analyse. Außerdem in der Presseschau: NPD-Verbotsverfahren, Gastbeitrag des Innenministers zur Einwanderungsdebatte, Airbnb-Angebot ist ein Kündigungsgrund, die Begründung des Legida-Demo-Verbots und was der Karnevalist wissen sollte.
Thema des Tages
HSBC-Daten-Leak: 2008 erhielten die französischen Finanzbehörden die Beute des bisher größten "Diebstahls" von Bankkundendaten. Es konnten weltweit Steuernach- und Strafzahlungen in Milliardenhöhe in Staatskassen geholt werden, von Kunden der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) in der Schweiz. Der Datensatz wurde der Presse zugespielt und in den letzten Monaten von einem internationalen Team von Reportern analysiert. Neben Schwarzgeldkonten zur Steuerhinterziehung führte die Bank danach Konten der mutmaßlichen Verbrecher-High-Society und politisch exponierter Personen, die darüber öffentliche Gelder verschwinden lassen konnten, berichtet die Montags-SZ (Frederik Obermaier/Bastian Obermayer/Gerard Ryle). Die Bank, gegen die in Frankreich, Belgien und Argentinien Ermittlungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche laufen, proklamiert nun einen Wandel, den Experten jedoch als fraglich ansehen, berichtet die Montags-SZ (B. Brinkmann, R. Gast, C. Theile).
Ein Portrait des "Datendiebes" Hervé Falciani, gegen den im Dezember 2014 in der Schweiz wegen unbefugter Datenbeschaffung und Bankgeheimnisverletzung Anklage erhoben wurde, zeichnet die Montags-SZ (Frederik Obermaier/Bastian Obermayer).
Rechtspolitik
Geheimdienstkontrolle: Im Interview mit zeit.de (Kai Biermann) stellt Rechtsanwalt Niko Härting dar, warum die Überwachung von Verbindungsdaten durch den Bundesnachrichtendienst verfassungswidrig ist und nach dem Motto "Wo kein Kläger da kein Richter" dennoch erfolgt. Er fordert eine Reform des G10-Gesetzes und der Geheimdienstkontrolle. In den Kontrollinstanzen müsste in einem kontradiktorischen Verfahren auch die Stimme der Betroffenen zu hören sein.
"Wer hat noch Angst vor der NPD?": Das fragt sich Peter Carstens (FAS) angesichts einer Partei im "Siechtum" und stellt ausführlich den bisherigen Verlauf im anhängigen Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht dar. Carstens befasst sich auch ausführlich mit dem Ausscheiden des Verfassungsrichters und zuständigen Berichterstatters Michael Gerhardt und der Rolle seines Nachfolgers Peter Müller, ehemaliger Saarländischer Ministerpräsident (CDU), einem bis zu einem Eintritt in Karlsruhe lautstarken Gegner eines NPD-Verbotsverfahrens.
Verbraucherschützer Gerd Billen: Der beamtete Staatssekretär Gerd Billen ist im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz "maßgeblich" für Letzteres, so Corinna Budras (FAS) in einem Porträt des ehemaligen Vorstandes der Verbraucherzentrale Bundesverband und seiner Arbeit: Die Schaffung einer "neuen Architektur des Verbraucherschutzes". Künftig solle die Bundesregierung "Produkt für Produkt" entscheiden, ob der Verbraucher schutzbedürftig ist oder sich in Sachen Vertragsschutz allein durchschlagen kann.
TTIP – Schutzklauseln: Friedrich Merz, ehemaliger Unions-Bundestagsfraktionsvorsitzender und heute u.a. Vorsitzender der Atlantik Brücke e.V., meint in einem Gastbeitrag für die FAS zum Streit um Investitionsschutzklauseln: "Investoren sind angewiesen auf einen Schutz vor staatlicher Willkür und vor unkalkulierbaren Rechtsverfahren in fremden Ländern". Die Zuständigkeitsfrage für Rechtsmittel sei "vor allem eine Frage der Abwägung hinsichtlich Effizienz, Unabhängigkeit und Zeitnähe der Entscheidungen".
In einem Gastbeitrag für die WamS erklärt Roland Koch, ehemals Hessischer Ministerpräsident und heute Aufsichtsratsvorsitzender bei UBS Deutschland, warum die Sorge vor den Investitionsschutzklauseln im TTIP völlig unbegründet ist und die jetzigen Pläne ohnehin seit 130 Jahren Praxis.
Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen: Für lto.de befassen sich die Rechtsanwälte Oliver Kraft und Julia Lange mit einem Gesetzentwurf aus Bayern sowie einem Entwurf aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, die eine Strafbarkeit vorsehen für die Gewährung und Annahme von Vorteilen als Gegenleistung für die bevorzugte Verordnung bestimmter Medikamente oder die Überweisung von Patienten in bestimmte Krankenhäuser.
Reform Sexualstrafrecht: Thomas Stadler (internet-law.de) befasst sich in der aktuellen Debatte zur möglichen Reform des Vergewaltigungstatbestandes mit dem aus seiner Sicht zentralen Argument des Richters am Bundesgerichtshof Thomas Fischer, es gäbe keine Schutzlücke im geltenden Recht und der diesem Argument zugrunde liegenden Auslegung der §§ 240 Abs. 4 sowie 177 Abs. 1 des StGB.
Einwanderungsregelung: In der FAZ schreibt Bundesinnenminister Thomas de Maizère in einem Gastbeitrag, es bedürfe keines Einwanderungsgesetzes, sondern die bestehenden Regeln seien "klug und pragmatisch" mit Leben zu füllen und dort zu ändern wo es dessen bedürfe. Die Regelungen seien flexibler als ein Punktesystem und gegenüber dem Vorteil der englischen Sprache, sei über Sprachförderung und Werbung für hiesige Kultur nachzudenken. Es sei zu bedenken, dass das komplexe Phänomen Migration mit Gesetzen nur bedingt zu steuern sei und die Akzeptanz der Bevölkerung erhalten bleiben müsse, etwa durch konsequente Ausweisung nicht Bleibeberechtigter.
Justiz
LG Berlin zu Kündigung für Mieter nach Airbnb-Angebot: Bietet ein Mieter seine Wohnung trotz Abmahnung des Vermieters auf dem Portal "Airbnb" an Touristen für Übernachtungen an, kann eine fristlose Kündigung rechtmäßig sein, so das Landgericht Berlin laut spiegel.de.
Ermittlungen gegen Ramelow: Wie der Spiegel zu berichten weiß, hätten sich zahlreiche Beweise aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) wegen der angeblichen Blockade eines "rechten Aufmarsches" als falsch erwiesen. So gäbe es wohl nicht nur Fehler in den staatsanwaltschaftlichen Angaben zu Ort und Zeit, es fänden sich auch keine Hinweise darauf, dass Ramelow jemals aufgefordert wurde, die Straße zu räumen.
BGH zu Einwilligung zu Fotos im Internet: "Wann darf von einer Einwilligung in eine Fotoveröffentlichung im Internet ausgegangen werden?" Thomas Stadler (internet-law.de) befasst sich mit einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus 2014, wonach eine für eine "Prominentenparty" engagierte Hostess konkludent in die Bildveröffentlichung einwillige, wenn sie vorab über die Aufnahmen informiert werde und aufgrund der Veranstaltungsart auch damit rechnen musste, dass die Bilder etwa zu Werbezwecken veröffentlicht werden.
BGH zu Schwarzarbeit: Die Montags-Welt (Kathrin Gotthold) erklärt, wie der BGH mit zwei Urteilen aus 2013 und 2014 die Schwarzarbeit unattraktiver gemacht hat, weshalb auch die Befürchtungen steigender Schwarzarbeit wegen des Mindestlohns wenig begründet seien. Der Unternehmer trage das Risiko nicht bezahlt zu werden, da seine zuvor anerkannte Berechtigung, wegen Bereicherung des Auftraggebers Geldersatz – quasi Lohn – zu erhalten, aberkannt worden sei. Der Auftraggeber seinerseits habe die ihm zuvor zuerkannten Rechte bei Mängeln verloren, sei also rechtlich schutzlos dem Risiko von Pfusch ausgesetzt.
"Geld oder Kita": Das Landgericht Leipzig hatte vergangene Woche in drei Fällen Müttern Schadenersatzansprüche wegen Verdienstausfalles zuerkannt, denen trotz des seit August 2013 bestehenden Betreuungsplatz-Anspruchs kein rechtzeitiges Angebot seitens der Stadt gemacht werden konnte. Der Spiegel (Dietmar Hipp) schildert nun einen neuen Fall aus Leipzig, bei dem es um die unzumutbare Entfernung zur Kita geht. Er zitiert den Sozialrechtler Reinhard Wiesner, der nun ein "soziales Ranking" bei der Kitaplatz-Vergabe fürchtet. Besserverdienende Eltern könnten bei der Vergabe von Kita-Plätzen bevorzugt werden, weil sie eher klagen und die Kommunen bei ihnen mehr Verdienstausfall zahlen müssten.
GBA – Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen: Nach Informationen der WamS ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen mindestens zwei deutsche mutmaßliche IS-Mitglieder wegen möglicher Begehung von Kriegsverbrechen in Syrien.
OVG Hamburg – Flüchtlingsheim: Im Streit um die Einrichtung eines Flüchtlingsheims im Hamburger Nobelviertel Harvestehude will die Stadt gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts zum Oberverwaltungsgericht ziehen, schreibt die Montags-SZ (Peter Burghardt).
Recht in der Welt
GB - ITP zu NSA-Daten-Auswertung: Das Investigatory Powers Tribunal (ITP) hat entschieden, der britische Geheimdienst GCHQ hätte von der us-amerikanischen NSA abgegriffene Internetdaten nicht auswerten dürfen. Dazu berichten spiegel.de sowie zeit.de. Geklagt hätten Menschenrechtsorganisationen wie Privacy International.
USA - Hassverbrechen: In einem ganzseitigen Beitrag setzt sich Patrick Bahners (FAS) mit der (Entstehungs-)Geschichte und Entwicklung des "Hate Crime", früher noch "Bias Crime" genannt, in den USA auseinander und schildert prominenten Anwendungsbeispiele. Bahners erläutert weiter, dass das jeweilige Hass-Motiv keine neue Strafbarkeit begründete, sondern vielmehr als Strafverschärfungsgrund diene und wie im Jahr 2009 mit dem Verzicht auf einen "versuchten Entzug von Bürgerrechten" als Strafbarkeitsvoraussetzung eine "dramatische Universalisierung" vollzogen worden sei.
USA – Visapflicht für Europäer? Die Montags-FAZ (Andreas Ross) beschreibt die Voraussetzungen für eine Einreise von Europäern in die USA nach dem derzeit geltenden "Visa Waver Program" und Überlegungen in der US-Politik die Anforderungen zu erhöhen, mehr Daten von europäischen Staaten zu fordern oder sogar die Visapflicht wieder einzuführen, aus Angst vor europäischen "Dschihad-Touristen". Andreas Ross (Montags-FAZ) kommentiert, die Versuchung sei groß "mit der Drohung einer Visumpflicht europäische Datenschutzbedenken auszuhebeln", mit eigenen europäischen Schutzvorkehrungen gegen "islamische Gefährder" bleibe die Chance größer eigene Werte zu bewahren.
Sonstiges
Parteienrechtler zur "Partei"-Finanzierung: Mit dem Parteienrechtler Martin Morlok spricht der Spiegel (Dietmar Hipp) über die "Skurrilitäten der Parteienfinanzierung", die sich derzeit nicht nur im Goldverkauf der AfD zeigten. Die Partei "Die Partei" verkaufe derzeit Geldscheine, um ihre Einnahmen zu steigern und so die staatlichen Fördermittel für sich zu erhöhen. "Rein formal", so Morlok, handele sich bei dem Verkauf eines 50-Euro-Geldscheines für den Preis von 55 Euro um Einnahmen und wenn die Bundestagsverwaltung den Goldverkauf akzeptiere, könne für den Geldverkauf zunächst nichts anderes gelten.
Versammlungsverbot wegen "Polizeinotstands": Die für den heutigen Montag geplante Legida-Demonstration in Leipzig wurde untersagt. Die Stadt hatte vom sächsischen Innenministerium keine Zusage für ausreichenden Polizisten-Zusatz erhalten. Oberbürgermeister Jung macht einen offenbar herrschenden Polizeinotstand dafür verantwortlich das Versammlungsrecht nicht garantieren zu können, berichtet die Montags-Welt (Sven Eichstädt). Auch spiegel.de meldet dies kurz.
Josef S. ein Jahr danach: Ein Jahr nach der Demo gegen den Akademikerball in Wien, die für den Jenaer Studenten Josef S. zu U-Haft und einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe (davon acht auf Bewährung) führte, äußert dieser sich im Interview mit zeit.de (Anne Hähnig) zu dem ihm vorgeworfenen Verhalten, Löchern in der Beweisführung, seiner Zeit im Gefängnis und warum er die Demoteilnahme dennoch nicht bereut.
Gesundheitscheck für die Bewerbung: Welche Fragen zur Gesundheit im Bewerbungsgespräch zulässig sind und wann der Betriebsarzt mit dem Chef plaudern darf, erläutert spiegel.de.
Darf mich mein Arbeitgeber zum Kircheneintritt zwingen? Mit dieser Frage einer Krankenschwester, deren katholischer Arbeitgeber sie zu einem Wiedereintritt in die Kirche zwingen wollte, befasst sich für die Samstags-SZ die Rechtsanwältin und Autorin Ina Reinsch. Reinsch meint, es komme darauf an, ob seitens des Arbeitnehmers eine arglistige Täuschung durch Unterlassen vorliege, wenn im Bewerbungsgespräch dazu geschwiegen wurde. Dies setze aber eine Offenbarungspflicht voraus. Doch auch wenn es daran fehlt und eine Nachfrage unterbleibt, sei eine spätere Kündigung nicht unwirksam, so das Bundesarbeitsgericht laut Reinsch.
Darf ich im Büro aus religiösen Gründen in Kopftuch tragen? Im Beruf und Chancen-Teil der Samstag-FAZ befasst sich die Rechtsanwältin Doris-Maria Schuster mit dieser Frage und erläutert, welche Gründe eines privaten Arbeitgebers für ein Verbot gerichtsfest sein können, so etwa Erwägungen zu Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz. Subjektive Befürchtungen reichten hingegen nicht aus, es müssten konkrete Geschäftsschädigungen drohen. Geringer seien die Anforderungen aber bei kirchlichen oder staatlichen Arbeitgebern.
"Konkrete Gerechtigkeit": Die FAZ (Jochen Zenthöfer) rezensiert das Buch "Konkrete Gerechtigkeit" des Juristen Matthias Mahlmann, der ein "lesenswertes Plädoyer rechtsstaatlicher Gerechtigkeit" geschrieben habe, in einer Zeit in der die Rechtsprechung drohe das schwächste Glied des juristischen Systems zu werden.
Datenschützer kritisieren HIS: Zum Hinweis und Informationssystem der Versicherungen (HIS) schreibt das Handelsblatt (Massimo Bognanni). Das System, in dessen Zentrum eine schwarze Liste potentiell betrügerischer Versicherungsnehmer steht, wird von Datenschützern kritisiert. Neben rechtlicher Kritik an der Datenübertragung und -speicherung wird auch eine Abweichung vom Ziel der Betrugsabwehr hin zur Abwehr von Kunden mit finanziell höherem Risiko gesehen.
Das Letzte zum Schluss
Rechtstipps zu Karneval: Laut Montags-Welt muss Lärmbelästigung zu Karneval vielerorts ertragen werden, in Köln sei laut Rechtsprechung zu dieser Zeit schon fraglich, ob es überhaupt Nachtruhe gebe. Mit Getränkeresten auf Fluren und Treppen sei zu rechnen, wer falle bekomme keinen Schadensersatz. Die Geldbußen für das Urinieren in der Öffentlichkeit steigen mit der Karnevalslust der örtlichen Bevölkerung, bis zu 200 Euro in Köln gegenüber 20 Euro im weitgehend karnevalsfreien Berlin.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. – 9. Februar 2015: A Really Bad Bank – kein Hostel in der Wohnung – "Polizeinotstand" in Sachsen . In: Legal Tribune Online, 09.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14625/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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