Das OVG Münster hat entschieden, dass kein Anspruch auf Durchwahlnummern zu Richtern besteht. Außerdem in der Presseschau: an Krebs erkrankte Radarmechaniker der Bundeswehr können Entschädigung beanspruchen, Generalanwalt am EuGH sieht auch schriftliche Übersetzungspflicht beim Gericht, Unterbrechung des Auschwitz-Prozesses wegen Erkrankung des Angeklagten, ein US-Gericht erklärt NSA-Inlandsüberwachung für rechtswidrig und Post vom reumütigen Gauner.
Thema des Tages
OVG Münster zu Nichtweitergabe von Richterdurchwahl: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am vergangenen Mittwoch entschieden, dass kein Anspruch auf die Herausgabe der Durchwahl von Richtern besteht. Ein Rechtsanwalt hatte sich auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) berufen. Nach Auffassung des Gerichts liege jedoch eine Ausnahme nach § 6 IFG NRW vor: Geheimhaltung im Interesse der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen als Teil der öffentlichen Sicherheit. Die Freigabe der Nummern könne zu einer nachhaltigen Störung der Arbeit der Richter führen, dem eine arbeitsteilige Filterung der Anrufe – wie etwa auch in Anwaltskanzleien oder Arztpraxen – vorbeugen solle. Bei nichtrichterlichem Personal sei die Weitergabe der Durchwahl von individueller Einwilligung abhängig. Es berichten rechtsindex.de, lawblow.de (Udo Vetter) und lto.de.
Rechtspolitik
Aktienrechtsnovelle 2014 und Delisting: Bei der Anhörung zur Aktienrechtsnovelle 2014 im Rechtsausschuss des Bundestages am vergangenen Mittwoch hat sich abgezeichnet, dass auch das sogenannte Delisting zukünftig geregelt werden soll, berichtet Rechtsprofessor Ulrich Noack auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit Einzelheiten. Die Novelle solle nun aber nach fast fünf Jahren vor der Sommerpause endlich verabschiedet werden. Die komplexe Regelung des Delisting werde daher nicht mehr in die Novelle aufgenommen.
Schiedsgerichte verfassungswidrig: Auch die Rechtsprofessoren Kathrin Groh und Daniel-Erasmus Khan kommen in einem Gutachten zu dem Schluss, die im Freihandelsabkommen TTIP geplanten Schiedsgerichte seien verfassungswidrig, berichtet lto.de. Dass nicht ein (inner-) staatliches Gericht das letzte Wort habe, verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Justiz
LSG Bayern zu Krebs als Berufskrankheit: Das Landessozialgericht Bayern hat die Krebserkrankung eines Radarmechanikers der Bundeswehr als Berufskrankheit anerkannt. Der Mann kann nun die ihm verwehrte Entschädigung geltend machen, meldet spiegel.de. Knapp 3.000 Anträge von an Krebs erkrankten Radarmechanikern habe die Bundeswehrverwaltung bisher abgelehnt.
EuGH – Fremdsprachlicher Einspruch gegen Strafbefehl: Auch der Einspruch gegen einen Strafbefehl muss für einen nicht des Deutschen mächtigen Beschuldigten übersetzt werden. Zu diesem Schluss kommt Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Bot in seiner Stellungnahme zu einerr Vorlagefrage des Landgerichts Laufen an den Europäischen Gerichtshof. Das meldet lto.de.
EuGH zu Rückforderung von Post-Subventionen: Die Bundesrepublik hat für ehemalige Beamte der Bundespost Pensionsbeiträge gezahlt – laut EU-Kommission eine unzulässige und daher zurückzufordernde Subvention an die Deutsche Post, jedenfalls im Fall von Bediensteten, die im nicht preisregulierten Dienst der Post arbeiten. Preisregulierung und damit keine Rückzahlungspflicht besteht, wo die Post eine marktbeherrschende Stellung hat, was Deutschland auch bei Postsendungen zwischen Unternehmern als gegeben ansah. Das sah die Kommission anders, klagte und der Europäische Gerichtshof gab ihr Recht. Vielleicht war der ganze Streit umsonst, denn über Klagen von Deutschland und der Post gegen die gesamte Rückzahlungsverpflichtung muss der EuGH noch entscheiden. Es berichtet lto.de.
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess unterbrochen: Wie FAZ (ahan) und taz melden, hat das Landgericht Lüneburg den Prozess gegen den SS-Mann Gröning unterbrochen, weil der 93-jährige Angeklagte zu krank war, um zur Verhandlung zu erscheinen.
StA Stuttgart – Ermittlungen gegen Heckler & Koch: Mitarbeiter des Waffenherstellers Heckler & Koch sollen zwischen 2003 und 2011 etwa die Hälfte der nach Mexiko gelieferten Waffen in verbotene Regionen geliefert haben. Das ergibt sich aus einem Fahndungsbericht des Zollkriminalamtes, der der SZ (Frederik Obermaier/Klaus Ott) vorliegt. Nach Informationen der Zeitung sei in diesem Sommer mit der Anklageerhebung wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart zu rechnen.
BGH – Heckler & Koch gegen Handelsblatt: Wegen eines 2012 auf handelsblatt.com unter dem Titel "Bundeswehr kaufte tausende untauglicher Waffen" erschienenen Berichts über das G36 klagte Heckler & Koch. Das Landgericht Köln hielt den Bericht in erster Instanz für zulässige Meinungsäußerung, das Oberlandesgericht Köln hingegen sah eine unzulässige Behauptung, es liege mangelhafte Ware im Rechtssinne vor. Nun muss laut Handelsblatt der Bundesgerichtshof entscheiden.
OLG München zu Zwangsabfindung für HRE-Aktie: Das Oberlandesgericht München hat bestätigt, dass die Zwangsabfindung von 1,30 Euro pro Aktie rechtmäßig und nicht zu erhöhen ist. Die 272 klagenden HRE-Aktionäre sind damit letztinstanzlich gescheitert, melden die FAZ (hpe) und focus.de.
OVG Münster zu Anwaltskosten in "derselben Angelegenheit": Werden in "derselben Angelegenheit" im Sinne des § 16 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zwei Anwälte in unterschiedlichen Prozessen tätig, sind die Kosten für zwei Vergütungsansprüche zu zahlen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Münster laut blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer) für die Eilentscheidung nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung und ihre Abänderung. Diese sind "dieselbe Angelegenheit" und ein einzelner Anwalt bekäme nach § 15 Absatz 2 RVG nur einmal Vergütung – die regelmäßige Beschränkung der Kostenerstattung für zwei Anwälte auf die Kosten eines Anwalts nach § 91 Absatz 2 Satz 2 Zivilprozessordnung gelte aber nur innerhalb eines Prozesses.
Mutmaßliche Rechtsterroristen in U-Haft: Wie unter anderen die taz meldet, befinden sich zwei der am Mittwoch vorläufig festgenommenen mutmaßlichen Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe "Oldschool Society" nun in Untersuchungshaft.
Recht in der Welt
USA – Inlandsüberwachung rechtswidrig: Erstmals hat ein höheres US-Gericht entschieden, dass die massenhafte Speicherung von inländischen Telekommunikationsdaten durch die National Security Agency (NSA) nicht vom Patriot Act gedeckt ist, auf welchen sich die NSA beruft. Das melden FAZ und zeit.de.
Spanien – Strafzahlungen? Seit Ende 2011 können Mitgliedstaaten Strafgelder auferlegt werden, wenn sie oder ihre Unterteilungen zumindest fahrlässig falsche Angaben zu Haushaltsdefiziten machen. Für solche Angaben aus der Region Valencia will die zuständige EU-Kommissarin Spanien 19 Millionen Euro Strafe auferlegen. Die Euro-Mitgliedsstaaten – ohne Spanien – müssen darüber erst noch abstimmen, meldet die FAZ (hkm).
Ungarn – Europäische Werte: Der ungarische Rechtsprofessor Gábor Halmai äußert sich auf verfassungsblog.de in einem Beitrag auf Englisch zu aktuellen (rechts-)politischen Entwicklungen in Ungarn und der Frage, wie die EU auf Mitgliedstaat reagieren kann, der in dieser Weise ihre Werte verletzt.
Sonstiges
Nach dem Krieg: Zum 70-jährigen Kriegsende zeichnet Reinhard Müller (FAZ) nach, warum auch die heutige Bundesrepublik mit dem deutschen Reich identisch ist und zeigt auf, wo die Geschichte – über den Streit um Reparationszahlungen hinaus – im Recht noch sichtbar ist.
Befreiungskämpfer im Interview: Der griechische Befreiungskämpfer Manolis Glezos spricht im Interview mit der taz (Pascal Beuckert) über den zweiten Weltkrieg, das Kriegsende und die deutsche Verpflichtung zu Entschädigungszahlungen an Griechenland.
Aussageverweigerung des BND: Rechtswissenschaftler Sebastian Roßner schreibt auf lto.de, aus welchen Gründen der Bundesnachrichtendienst Aussagen gegenüber dem Parlament verweigern kann und warum dem NSA-Untersuchungsausschuss kaum Informationen verweigert werden dürften.
BND/NSA: Seit Wochenbeginn soll der Bundesnachrichtendienst nur noch nach Selektoren überwachen für die eine Begründung aus den USA gegeben wird, berichten FAZ (Eckard Lohse) und taz (Konrad Litschko). In der gestrigen Anhörung im NSA-Untersuchungsausschuss haben sich kaum Erkenntnisse ergeben, berichtet auch zeit.de (Lisa Caspari) und spiegel.de (Anett Meiritz). Christian Rath (taz) hält es für unglaubwürdig, dass keine Aufzeichnungen über die Kooperation der Geheimdienste vorhanden sein soll – dazu berichtet spiegel.de (Matthias Gebauer/Veit Medick).
Rechtsetzung im Vergleich: Rechtswissenschaftlerin Hannah Birkenkötter berichtet auf juwiss.de von der Vorstellung des Buches "The Law of Law Making" von Susan Rose-Ackerman u.a. am vergangenen Montag.
Das Letzte zum Schluss
Tätige Reue per Post: Einer Frau aus Celle war beim Einkaufen die Handtasche gestohlen worden. Per Post bekam sie sie zurück, mitsamt Inhalt und einem handschriftlichen Zettel mit der Bitte um Entschuldigung und guten Wünschen. Das meldet die Welt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Mai 2015: Richterdurchwahl bleibt geheim – Berufskrankheit Krebs – Fremdsprachlicher Einspruch gegen Strafbefehl? . In: Legal Tribune Online, 08.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15485/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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