Der ehemalige Finanzchef von Porsche ist wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe von 630.000 Euro verurteilt worden. Außerdem in der Presseschau: die Aussage von Carsten S. im NSU-Verfahren, die Verhandlung zum Braunkohletagebau vor dem Bundesverfassungsgericht, die Verurteilungen von Mitarbeitern der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ägypten und warum eine Parkscheinregelung Atheisten vor Gericht ziehen lässt.
LG Stuttgart zu Ex-Porsche-Finanzchef: Der ehemalige Finanzchef von Porsche, Holger Härter, ist vom Landgericht Stuttgart wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 3.500 Euro verurteilt worden. Er habe bei Kreditverhandlungen mit der Bank BNP Paribas im Zuge der geplanten Übernahme von VW vorsätzlich falsche Angaben zur Finanzlage des Autokonzerns gemacht. Härter kündigte an, Revision einzulegen. Die SZ (Max Hägler) und spiegel.de (Michael Kröger) berichten.
Wie das Handelsblatt (Martin-W. Buchenau) erläutert, war das Verständnis der Vokabel "Net Purchase Price" in einer E-Mail an die Bank von besonderer Bedeutung. "Porsche ist von einem anderen Begriff ausgegangen, als man uns heute unterjubeln will", meinte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung laut FAZ (Susanne Preuß); der Begriff "Cash aus der Täsch" wäre eindeutiger gewesen.
Für Susanne Preuß (FAZ; ähnlich auf faz.de) bleibt nach dem Urteil ein schaler Geschmack. Es habe ein Exempel statuiert werden sollen; das einstige Finanzwunderkind Härter sei sowieso schon lange entzaubert. Klaus Ott (SZ) sieht in dem Urteil ein Signal, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte mehr denn je gewillt sind, mutmaßliche Exzesse im Wirtschaftsleben aufzuklären und gegebenenfalls zu ahnden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Aktienrechtsreform: Die geplante Reform des Aktienrechts stößt bei Fachleuten nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) überwiegend auf Zustimmung. Dies gelte auch für die geplante Neuerung, den Aktionären das letzte Wort über die Vorstandsvergütung zu geben. In den bislang vorliegenden Stellungnahmen für die heutige Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags werde dieses Vorhaben etwa als "gewisse Schwächung" des Aufsichtsrats bezeichnet, die aber eine "verhältnismäßig behutsame Fortentwicklung des bisherigen Systems" darstelle.
Europäische Bankenaufsicht: Rechtsanwalt Bernd Geier beschäftigt sich auf dem Handelsblatt Rechtsboard mit der geplanten Umsetzung des neuen EU-Bankenaufsichtsrechts in deutsches Recht. Nachdem der Bundestag im Mai das Umsetzungsgesetz für die Capital Requirements-Richtlinie (CRD IV) verabschiedet hatte, entscheidet der Bundesrat übermorgen über die Einberufung des Vermittlungsausschusses. Mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes erhalte das deutsche Bankenaufsichtsrecht eine weitgehend neue Gestalt: große Bereiche der bislang im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) geregelten Materien würden gestrichen und durch die unmittelbar geltenden, europarechtlichen Vorgaben der Capital Requirements-Verordnung (CRR) ersetzt.
Bundesjustizministerin im Interview: Die FAZ (Joachim Jahn, Reinhard Müller) führt ein Interview mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger unter anderem zu den Themen einer Mietpreisdeckelung bei Mieterwechseln, der Europäischen Währungsunion und der geplanten Erhöhung der Anwaltshonorare. In Bezug auf zusätzliche Kompetenzen für das Justizministerium im Bereich der Integration spricht sich Leutheusser-Schnarrenberger für ein Bundesministerium für Justiz und Integration aus, da das Gebiet der Integration mit vielen Rechtsfragen verbunden sei.
Meldepflicht von Cyber-Angriffen: Bundesinnenminister Friedrich hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach Unternehmen in den für eine Volkswirtschaft wichtigen Bereichen wie Banken, Telekommunikation oder Energie Hackerangriffe beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) melden sollen. Nach Informationen der Welt (Manuel Bewarder) ist es aber aufgrund der ablehnenden Haltung des Wirtschaftsministeriums derzeit ausgeschlossen, dass das Gesetz verabschiedet wird. So lehnten viele Unternehmen das Gesetz ab, weil es einen hohen finanziellen und bürokratischen Aufwand bedeute.
Weitere Themen - Justiz
NSU-Verfahren – Aussage von Carsten S.: Am gestrigen Verhandlungstag im NSU-Verfahren hat Carsten S., der wegen Beihilfe zum Mord an neun Personen angeklagt ist, ausgesagt. Wie bereits im Ermittlungsverfahren gab er zu, für den NSU die Tatwaffe samt Schalldämpfer besorgt zu haben. Dass sie für Mord benutzt werden könnte, habe er nie geglaubt. S., der sich im Jahr 2000 von der rechtsextremen Szene löste, ist im Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts, weil er von den Rechtsradikalen als Verräter angesehen wird. Unter anderem die Welt (Hannelore Crolly und Per Heinrichs) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen) geben die Einzelheiten der Aussage wieder.
NSU-Verfahren – Einstellungsantrag: Vor der Aussage von Carsten S. hatten die Verteidiger von Beate Zschäpe beantragt, das Verfahren einzustellen. Zur Begründung führten sie laut taz (Wolf Schmidt) aus, wegen der unklaren Rolle der V-Leute, vernichteter Akten und der Vorverurteilung der Angeklagten lägen "unheilbare Verfahrenshindernisse" vor.
NSU-Verfahren – Verfassungsschutz im Saal?: Zudem hat am gestrigen Verhandlungstag ein Nebenklagevertreter die Besorgnis geäußert, dass Verfassungsschützer oder BKA-Beamte im Verhandlungssaal sitzen und mitschreiben. Nach Schilderung des SWR-Terrorismus-Blogs (Holger Schmidt) offenbarte sich auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters Götzl in Richtung der Zuschauertribüne niemand. In der Folge stellten die Verteidiger von Beate Zschäpe den Antrag, der Vorsitzende möge nun täglich klären, ob und welche Behörde Beobachter entsende.
BVerfG – Braunkohletagebau: Die FAZ (Corinna Budras) berichtet von der gestrigen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Enteignungen für den Braunkohletagebau Garzweiler II. Geklagt hatte ein betroffener Anwohner sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die taz (Christian Rath) prognostiziert, dass die Interessen von Tagebaubetroffenen bei der Genehmigung neuer Tagebaue künftig stärker gewichtet und ihre Klagemöglichkeiten verbessert werden. Die SZ (Wolfgang Janisch) vermutet, das Gericht schicke sich an, in dem Urteil erstmals ein "Recht auf Heimat" zu formulieren.
BVerfG – ESM/EZB: Vor der mündlichen Verhandlung über die die Notprogramme zur Eurorettung vor dem Verfassungsgericht in der nächsten Woche meint Donata Riedel (Handelsblatt), es sei realistisch, dass das Gericht für künftige Krisen und für die weitere fiskal- und wirtschaftspolitische Integration der Euro-Zone die Grenzen des Grundgesetz aufzeigen. Dass die Richter einen "Reset-Button" drücken, um die Euro-Rettung noch mal neu und ganz anders anzugehen, sei dagegen ziemlich irreal.
EuGH zur Einheimischenprivilegierung: Rechtsanwalt Thomas Mösinger befasst sich auf der Recht und Steuern-Seite der FAZ mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Privilegierung von ortsansässigen Immobilienkäufern durch Kommunen europarechtswidrig ist. Dies entschied das Gericht im Fall eines flämischen Gesetzes, das den Grundstückserwerb in bestimmten Gemeinden nur für Käufer mit einer "ausreichenden Bindung" zur Gemeinde erlaubt. Mösinger meint, der Gerichtshof werde daher auch die in Deutschland praktizierten Einheimischenmodelle, die Ortsansässigen eine finanzielle Vergünstigung beim Immobilienkauf gewähren, für unzulässig erklären. Dazu läuft derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland.
VerfGH RP zu Renteneintrittsalter von Anwälten: Nach Bericht von lto.de ist die Verfassungsbeschwerde eines Anwalts vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters von Rechtsanwälten durch eine Satzungsänderung seines Versorgungswerks wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen worden. So lege bereits das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz ohne weiteren Umsetzungsbedarf verbindlich die Altersgrenzen für den Bezug der Altersrente fest; der inhaltsgleichen Satzungsvorschrift komme nur deklaratorische Wirkung zu.
BGH zu Überwachung mit GPS: Wie internet-law.de (Thomas Stadler) meldet, hat der Bundesgerichtshof gestern entschieden, dass sich ein Privatermittler, der am Auto der von ihm observierten "Zielperson” einen GPS-Empfänger anbringt und dadurch ermittelt, wann sich das Fahrzeug wo aufhält, grundsätzlich nach Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes strafbar macht. Nur ein besonders starkes Interesse an dieser Datenerhebung könne eine GPS-Überwachung von Fahrzeugen ausnahmsweise, etwa in notwehrähnlichen Situationen, rechtfertigen. Auch lawblog.de (Udo Vetter) und netzpolitik.org (Andre Meister) fassen das Urteil zusammen.
BGH zu Schrempp-Rücktritt: Wie die FAZ (Joachim Jahn) schildert, hat der Bundesgerichtshof die Schadensersatzklagen früherer Daimler-Aktionäre an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen, damit die dortigen Richter ihre Beweisaufnahme ausweiten. Die Anleger werfen dem Autokonzern vor, den bevorstehenden Rücktritt des Vorstandschefs Jürgen Schrempp im Jahr 2005 zu spät bekanntgegeben zu haben, so dass sie aufgrund des Verkaufs von Aktien kurz zuvor nicht von dem danach steigenden Kurs profitiert hatten. Im Vorfeld hatte das Oberlandesgericht die Forderungen bereits zweimal abgewiesen, der Bundesgerichtshof aber beide Entscheidungen wieder aufgehoben.
Sozialgerichte zu Arbeitsunfällen: Das Sozialgericht Heilbronn hat es nach Meldung von lto.de als Arbeitsunfall anerkannt, dass einem KfZ-Mechaniker in einer Arbeitspause beim Eis essen die Achillessehne riss. Entscheidend sei gewesen, dass er sich nicht nur von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, um ein Eis zu kaufen, sondern auch um frische Luft zu schnappen, weil er aufgrund der Hitze und der schlechten Raumluft in der Werkshalle seine schwere körperliche Arbeit bis zum Schichtende sonst nicht durchgehalten hätte.
In einem Fall des SG Mainz wurde laut spiegel.de der Impfschaden einer Krankenschwester aufgrund der Impfung gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1 als Arbeitsunfall eingestuft. Der heute berufsunfähigen Frau hatte ihr Arbeitgeber im Pandemiejahr 2009 die Impfung empfohlen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ägypten – Urteil gegen KAS-Mitarbeiter: Wie u.a. die taz (Karim El-Gawhary) berichtet, hat ein ägyptisches Gericht zwei Mitarbeiter der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Abwesenheit zu Haftstrafen von zwei bzw. und fünf Jahren verurteilt. In dem seit über einem Jahr laufenden Verfahren gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wurden insgesamt 43 NGO-Mitarbeiter zu Strafen von einem bis zu fünf Jahren verurteilt, das Vermögen der Organisationen konfisziert. Sie sollen illegal Geld transferiert sowie ohne Lizenz gearbeitet haben. Laut spiegel.de (Raniah Salloum) stammt das Gesetz, auf dessen Grundlage das Urteil erfolgte, noch aus der Mubarak-Zeit.
Rainer Hermann (FAZ) meint, mit dem Urteil wolle die Justiz, die wichtigste Bastion des alten Regimes, im Ausland den Eindruck erwecken, unter Mubarak sei es ja besser gewesen. Für Sonja Zekri (SZ) sind die Urteile hingegen ein Signal, dass die islamistischen Muslimbrüder an politischem Austausch ebenso wenig interessiert sind wie die alte Militärregierung.
USA- routinemäßige DNA-Proben: Nach einem Urteil des US-Supreme Courts dürfen mutmaßlichen Verbrechern routinemäßig DNA-Proben entnommen werden, auch wenn sie überhaupt keiner Sexualstraftat verdächtig sind. Laut SZ (Nicolas Richter) wertete die Mehrheit der Richter die in 28 von 50 Bundesstaaten gängige Praxis nicht als Möglichkeit, Altfälle zu lösen, sondern als legitime erkennungsdienstliche Maßnahme zur Identifizierung von Verdächtigen. Diese Argumentation sei bei der Minderheit der Richter auf selten heftigen Widerspruch gestoßen: Das Urteil "strapaziert die Leichtgläubigkeit der Leichtgläubigen", so Richter Antonin Scalia.
Sonstiges
Hochwasser und Arbeitsrecht: Rechtsanwalt Christian Oberwetter befasst sich auf lto.de mit verschiedenen arbeitsrechtlichen Folgen von Hochwasserkatastrophen. So kann beispielsweise ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auch mit Aufgaben betrauen, die zur Katastrophenabwehr oder zur Beseitigung erster Schäden erforderlich sind. Arbeitnehmer, die ehrenamtlich etwa für die Feuerwehr tätig sind, haben während ihres Einsatzes in der Regel einen Anspruch auf bezahlte Freistellung gegenüber ihrem Arbeitgeber.
Sittenwidrige Löhne und Hartz IV: Nach Recherchen der SZ (Thomas Öchsner) gehen Jobcenter in Ostdeutschland derzeit gegen Betriebe vor, die unzulässig niedrige, sittenwidrige Löhne zahlen, so dass die Beschäftigten zusätzlich auf staatliche Grundsicherung (Hartz IV) angewiesen sind. Bereits im Jahr 2010 habe ein Arbeitsgericht einen Pizzeria-Betreiber zur Erstattung von Leistungen verurteilt, die das Jobcenter den Beschäftigten ergänzend zu dem Stundenlohn von minimal 1,32 Euro gezahlt hatte.
Rechtsschutzversicherungen: Die Rechtsschutzversicherer haben nach einem Bericht der Welt (Kathrin Gotthold) angekündigt, in absehbarer Zeit ihre Beiträge zu erhöhen. Sie kämen nicht umhin, die Erhöhung von Rechtsanwaltshonoraren, die im Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz geplant ist, an ihre Kunden weiterzugeben.
Das Letzte zum Schluss
Umsonst Parken für Gläubige: Eine Parkscheinregelung der englischen Stadt Woking wird nach Meldung der SZ (Alexander Menden) demnächst die Gerichte beschäftigen. Nach dieser Sonderregelung sind alle Glaubensgemeinschaften berechtigt, ihren Gläubigen einen Sonntagsparkschein auszustellen, der am Vormittag von der Parkgebühr befreit, um ihnen einen Gottesdienstbesuch ohne Zusatzkosten zu ermöglichen. Der Geschäftsführer des Interessenverbandes britischer Atheisten fühlte sich dadurch diskriminiert und hat Klage erhoben.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Juni 2013: Geldstrafe für Ex-Porsche-Finanzchef– Carsten S. sagt aus – KAS-Mitarbeiter verurteilt . In: Legal Tribune Online, 05.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8850/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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