Der erste Strafprozess gegen einen Radsport-Dopingsünder ist zunächst mit einem Freispruch ausgegangen. Richter Friedrich glaubt nicht, dass das Team Gerolsteiner nichts vom Doping Schumachers wusste. Außerdem in der Presseschau: Gewerbesteuer für Anwälte, Freispruch nach erfundener Vergewaltigung, Rechtsrisiken für Deutsche Bank und wann Kinder trotz beleidigtem Papa den Führerschein machen.
LG Stuttgart spricht Radprofi Schumacher frei: Am Dienstag ist der erste Strafprozess gegen einen deutschen Dopingsünder nach 19 Prozesstagen mit einem Freispruch für den Radprofi Stefan Schumacher ausgegangen. Dass er seinen ehemaligen Arbeitgeber, das Team Gerolsteiner, um über 100.000 Euro Gehalt betrogen habe, sei nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Jürgen Löhle (spiegel.de) berichtet ausführlich. Das Gericht habe "erhebliche Zweifel" daran gehabt, dass der nach außen offensiv geführte Anti-Doping-Kampf des Teams auch nach innen gegolten habe und Schumachers Doping tatsächlich unbemerkt und ohne Unterstützung im Team geblieben sei: "Eine Ohrfeige für Hans-Michael Holczer", den ehemaligen Team-Eigner. Ob der Staatsanwalt Rechtsmittel einlege, sei noch offen.
Die SZ (Roman Deininger) berichtet unter dem Titel "Im Zweifel gegen den Ahnungslosen": Für den Vorsitzenden Richter Martin Friedrich habe nicht nur Holczer das "Bild vom Vorzeigeteam" erschüttert, der seine "Lieblingsrolle Saubermann", so die SZ, spielte, sondern auch weitere Zeugen wie Radprofi David Kopp. Dieser wies etwa auf angebliche Doping-Hilfen durch Team-Ärzte hin. Richter Friedrich habe den Schluss gezogen, das Klima im Team Gerolsteiner sei doch eher Doping-freundlich gewesen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
"Handbuch gegen Datenschützer": Über das erst jüngst bekannt gewordene "Handbuch zur Kampagne. Deutschland wird einfacher – der neue Personalausweis", ein im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstelltes Konzeptpapier aus dem Jahr 2009 zur Einführung des neuen Personalausweises, berichtet Viktor Funk (FR). Darin gehe es unter anderem um den Umgang mit Kritikern wie dem Chaos Computer Club, dem Blogger Markus Beckedahl und dem bloggenden Rechtsanwalt Udo Vetter.
"Keine Gewerbesteuer für Anwälte": Im "Recht und Steuern"-Teil der FAZ lehnt der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Wolfgang Ewer, eine Ausweitung der Gewerbesteuer auf Freiberufler ab. So gebe es nicht nur signifikante Unterschiede zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden, auch wäre eine Änderung wirtschafts- und steuerpolitisch verfehlt. Anlass für den Beitrag ist eine intensive Diskussion um den Bundesverband der Freien Berufe (BFB), der sich in "schwierigem Fahrwasser" befinde. Der DAV, so Ewer, "plane, nicht auszutreten, weil der BFB reformierbar ist".
Fachanwalt für Opferrechte: Laut lto.de fordert die Organisation "Weisser Ring" zur Stärkung der Verletzenrechte die Einführung eines Fachanwalts für Opferrechte und hat bereits ein Ausbildungskonzept vorgelegt.
NSA-Affäre - Interview Dieter Grimm: Mit dem Rechtsprofessor und ehemaligen Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm spricht der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis) über das seit "Nine Eleven" verschobene amerikanische Rechtsbewusstsein und die Frage, ob geheimdienstliche Tätigkeiten überhaupt ein "juristisch fassbarer Vorgang" sind. Weiter geht es um die Abhängigkeit völkerrechtlicher Verträge von ihrer grundgesetzlichen Zulässigkeit, Hindernisse für internationale Abkommen zur Regelung von Ausspähungen und das EU-Datenschutzrecht.
NSA-Untersuchungsausschuss - Snowden als Zeuge?: Wie die taz (Martin Kaul) in einem Schwerpunktthema berichtet, wollen Politiker der Bundestagsfraktionen der Linke, der Grünen und SPD einen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre einsetzen.
zeit.de (Christopher Pramstaller) befasst sich mit den (rechtlichen) Voraussetzungen, den Whistleblower Edward Snowden als Zeugen vor einem möglichen NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu befragen.
"Machen Geheimdienste die Welt sicherer?": Thomas Stadler (internet-law.de) hinterfragt die beiden Thesen "Die Geheimdienste retten Menschenleben, ihre Tätigkeit macht die Welt sicherer" und "Die Geheimdienste betreiben doch nur Terrorbekämpfung". Er kommt zu dem Schluss: Geheimdienste vernichten mehr Menschenleben, als diese zu retten und die geheimdienstliche Tätigkeit sei doch nur die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln.
Neue Vergabegesetze: Im "Recht und Steuern"-Teil der FAZ unterzieht Rechtsanwalt Steffen Amelung die Vergabegesetze der Länder einer kritischen Prüfung. So würden bei der Regelung zur Vergabe öffentlicher Aufträge zunehmend "vergabefremde Kriterien" zur Verfolgung gesellschaftspolitischer Ziele mit geregelt: Etwa Vorgaben zu Mindestlöhnen, Frauenförderung und Umweltschutz. Dies werde nicht nur formal, mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder, zu Recht kritisiert. Unternehmen und Verbände würden verstärkt, auch mit Verfassungsbeschwerden wie gegen das Tariftreue- und Vergabegesetz-NRW, gerichtlich gegen die Gesetze vorgehen.
Weitere Themen – Justiz
Tebartz-van Elst – AG gegen StA HH: Im Verfahren wegen einer falschen Aussage an Eides statt gegen den umstrittenen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat das Amtsgericht Hamburg, so die SZ (Matthias Drobinksi), eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung angeregt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hingegen beharre weiter auf dem Erlass eines Strafbefehls. Dazu auch die FR.
BGH zu anwaltlicher Vertretung in Scheidungssachen: Mit den möglichen berufs-, straf- und vergütungsrechtlichen Folgen der anwaltlichen Vertretung beider scheidungswilliger Ehegatten befasst sich vor dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Rechtswissenschaftler Christian Deckenbrock für lto.de. Im konkreten Fall sei es um den Vergütungsanspruch einer Anwältin gegen einen Ehemann gegangen. Der BGH habe sich, bedauert Deckenbrock, jedoch nicht zu den strittigen Fragen zur (Un)Zulässigkeit gemeinsamer Beratungsgespräche und zu den Folgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen geäußert.
LG Memmingen zu erfundener Vergewaltigung: Ein Wiederaufnahmeprozess vor dem Landgericht Memmingen im Falle eines Mannes, der sieben Jahre wegen mehrfacher Vergewaltigung im Gefängnis saß, ist nun, so lawblog.de (Udo Vetter), mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Die Tochter hatte im ersten Prozess 1996 vor dem Landgericht Kempten mehrfachen sexuellen Missbrauch behauptet und dies dann erst Jahre später zurückgenommen.
AG Frankfurt zur Entlastung von Anschlussinhabern: In einem Filesharing-Verfahren hat das Amtsgericht Frankfurt die Klage eines Musiklabels abgewiesen, nachdem der beklagte Anschlussinhaber erklärte, er sei zum fraglichen Zeitpunkt im Ausland gewesen und der Anschluss würde von weiteren Familienmitgliedern genutzt. Wie internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert, verlangten andere Gerichte im Rahmen einer sekundären Darlegungslast weitere Ausführungen.
LG Mainz – CDU-Gelder: Über den vor dem Landgericht Mainz laufenden Untreue- und Betrugsprozess zum rheinland-pfälzischen CDU-Wahlkampf 2006, insbesondere den Zeugen Christian Baldauf (CDU), informiert die FAZ (Thomas Holl) im Politik-Teil. Dabei stellt sie auch den zuständigen Strafrichter Hans E. Lorenz vor, Vorsitzender des DFB-Sportgerichts, der am Montag noch Fußballspieler Stefan Kießling "begrüßte".
Deutsche Bank – Teure Rechtsstreitigkeiten: Wie das Handelsblatt (P. Köhler/M. Maisch/L. De la Motte) auf seinem Titel und in einem separaten Bericht (Laura de la Motte) erläutert, musste die Deutsche Bank laut ihres jüngsten Quartalsberichts noch einmal einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro für "diverse juristische Risiken" zurücklegen. Insgesamt summierten sich die Rückstellungen auf über vier Milliarden Euro. Strafen habe die Bank unter anderem zu erwarten mit Blick auf mögliche Manipulationen der Zinssätze Libor und Euribor sowie im Rechtsstreit mit den Leo Kirch-Erben.
Die FAZ (Markus Frühauf) sieht das "größte Rechtsrisiko" in den USA, wo wegen der Verkäufe von Immobilienkrediten ermittelt würde.
Entlassung aus Sicherungsverwahrung: Carola E., eine von drei Frauen in deutscher Sicherungsverwahrung, könnte nach einer Entscheidung des Landgerichts Ellwangen alsbald aus der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd in die Freiheit entlassen werden. spiegel.de (Julia Jüttner) befasst sich ausführlich mit dem Fall der 47-Jährigen, für die das Landgericht Ravensburg 2008 nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet hatte. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen müsse aber nun erst das Oberlandesgericht Stuttgart entscheiden.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Vietnam – Missbrauch demokratischer Freiheit: Der Bruder eines in Vietnam zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Dissidenten hatte auf Facebook dessen Freilassung gefordert. Daraufhin sei er, wie focus.de informiert, wegen des Missbrauchs demokratischer Freiheiten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Großbritannien – Formel 1-Prozess: Ein ausführlicher Bericht zum am gestrigen Dienstag angelaufenen Schadensersatzprozess der Constantin Medien AG gegen Formel 1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Londoner High Court of Justice findet sich im Wirtschaftsteil der SZ (Björn Finke/Klaus Ott).
Frankreich – Anzeige gegen Karl Lagerfeld: Wie dieStandard.at berichtet, hat eine französische Frauen-Vereinigung Anzeige gegen den Modedesigner Karl Lagerfeld wegen "diffamierender und diskriminierender Äußerungen" erstattet. Grund sei die Aussage Lagerfelds im französischen Fernsehen, niemand wolle "dicke Frauen auf dem Laufsteg sehen".
Sonstiges
Rechtswissenschaftliche Blogs vs. Fachzeitschriften: Anlässlich einer Veranstaltung des Verfassungsblogs zum Thema "Perspektiven der Wissenschaftskommunikation in der Rechtswissenschaft" befasst sich lto.de (Christian Rath) mit der Frage, ob rechtswissenschaftliche Blogs als "Fastfood oder Appetizer" funktionieren. In Deutschland lasse eine weitgehende Verlagerung juristischer Debatten ins Internet jedenfalls noch auf sich warten, in den USA sei man schon viel weiter.
Drohnenpraxis der USA: Rechtswissenschaftler Robert Frau (juwiss.de) analysiert die aktuellen Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch und dem European Center for Constitutional and Human Rights aus Berlin zum Einsatz von Drohnen in Jemen und Pakistan durch die USA und stellt dabei auch den Fall des deutschen Staatsangehörigen Bünyamin E. vor, der bei einem Drohnenangriff in Pakistan 2010 getötet wurde.
Das letzte zum Schluss
Führerschein trotz beleidigtem Vater: Zwei Jahre trug der gemeinsam sorgeberechtigte Vater einem heute 17-Jährigen eine beleidigende SMS nach und verweigerte daraufhin die Zustimmung zur Anmeldung zur Führerscheinprüfung. Wie Hans Otto Burschel (BeckBlog) berichtet, hat das Amtsgericht Hannover der Mutter, die nun auch mit dem Jungen das fahren übt, die Entscheidung übertragen und bald kann er dann zur Prüfung. Das Amtsgericht sah die väterliche Weigerung in sachfremden Erwägungen begründet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Oktober 2013: Freispruch für Dopingsünder – Keine Gewerbesteuer für Anwälte – Geheimdienste machen Welt unsicher . In: Legal Tribune Online, 30.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9919/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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