Das neue Leistungsschutzrecht wird von vielen als "Lex Google" kritisiert. Außerdem in der Presseschau: Debattenbeiträge zu Betreuungsgeld und Verfassungsschutzreform, ESM-Rettungsschirm, Elterngeld für Flüchtlinge, Markenschutz bei Presseagenturen, Entführer Gäfgen will eine Entschädigung, und warum Sex mit einem Schaf kein Kavaliersdelikt mehr sein wird.
Google soll bezahlen: Mit der vom Bundeskabinett beschlossenen Änderung des Urheberrechtsgesetzes erhalten Buch- und Presseverlage einen Anspruch gegen die Betreiber von Suchmaschinen, die bereits bestehende Inhalte gewerblich verlinken, berichtet die SZ (Heribert Prantl). Die Betreiber von Blogs, die auf bereits veröffentlichte Inhalte verwiesen, seien von der Zahlungspflicht ausgenommen.
zeit.de (Kai Biermann) zitiert Kritiker, beispielsweise den Verein Digitale Gesellschaft, der das Gesetz für sinnlos hält. spiegel.de (Ole Reißmann) beschäftigt sich mit der Reaktion von Google und zitiert Unternehmenssprecher Kay Oberbeck: "Das ist ein schwarzer Tag für das Internet in Deutschland."
Heribert Prantl (SZ) meint, der Entwurf sei eine Maßnahme gegen den "Primitivkapitalismus". Das Leistungsschutzrecht als "kleines Urheberrecht" müsse allerdings noch nachjustiert werden, um mit dem "großen", dem eigentlichen Urheberrecht, nicht in Konflikt zu geraten. Reinhard Müller (FAZ) schreibt im Leitartikel, wenn es zumindest partiell gelinge, die Macht des Monopolisten Google zu brechen, sei dies "ein guter Tag für die Freiheit". Udo Vetter (lawblog.de) spricht von einem Gesetz zum Schutz "alter, überholter Geschäftsmodelle", das Presseverlegern eine durch nichts zu rechtfertigende Einnahmequelle verschaffe.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Kommentare zur Verfassungsschutzreform: Wolf Schmidt (taz) schreibt, wer Selbstverständlichkeiten wie eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle als Reform ausgebe, gestehe ein, dass die Arbeit der Dienste bisher überhaupt nicht funktioniert habe.
Peter Carstens (FAZ) spricht angesichts der Blockade von Bund und Ländern von der "Reformunfähigkeit eines diskreditierten Behördenkonstrukts".
In seinem Leitartikel plädiert Christian Bommarius (FR) für eine Abschaffung: "Spätestens seitdem klar ist, dass der Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem" der Demokratie komplett ausgefallen war, müsste diese Frage die Debatte beherrschen: Warum gibt es (noch immer) den Verfassungsschutz?"
Betreuungsgeld: In einem Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier / Pia Lorenz) erläutert Professor Joachim Wieland die verfassungsrechtliche Gemengelage beim Betreuungsgeld. Unter anderem sei die Subventionierung einer bestimmten Erziehungsform unzulässig.
Vier ehemalige Bundesministerinnen - Christine Bergmann, Ursula Lehr, Renate Schmidt und Rita Süssmuth (Die Zeit) – aus CDU und SPD sprechen sich gemeinsam gegen das Betreuungsgeld aus. Wichtiger sei der bedarfsgerechte Ausbau von Betreuungsangeboten.
Anwalts- und Gerichtsgebühren: Wie die FAZ (Joachim Jahn) meldet, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf verabschiedet, der höhere Gebührensätze für Anwälte, Notare und Gerichte vorsieht. Mit einer Zustimmung des Bundesrates sei jedoch nur zu rechnen, wenn im Gegenzug die Justizhaushalte der Länder entlastet würden.
Familienunternehmen gegen ESM: Laut Handelsblatt (Thomas Sigmund) hat der Hauptverband "Die Familienunternehmer – ASU" das Bundesverfassungsgericht aufgefordert, den ESM bei seiner Entscheidung über verschiedene Eilanträge am 12. September abzulehnen. Da der ESM die Haushaltssouveränität aushöhle, sei er verfassungswidrig.
Sterbehilfegesetz: Im Zusammenhang mit dem Kabinettsentwurf über eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe zitiert die FR (Mira Gajevic) den Rechtsanwalt des Vereins Dignitas, Dieter Graefe. Es sei absurd zu behaupten, so Graefe, mit der Sterbehilfe würden erhebliche Einkünfte erzielt. Dignitas erziele keine Gewinne, von kommerzieller Sterbehilfe könne daher keine Rede sein. Er kündigte eine Verfassungsbeschwerde an.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG – Elterngeld für Flüchtlinge: Der Ausschluss bestimmter Flüchtlinge vom Elterngeld ist verfassungswidrig, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Die Differenzierung dahingehend, ob der aus humanitären Gründen mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis versehene Flüchtling in den Arbeitsmarkt integriert sei oder nicht, sei unwirksam. Entsprechende Vorschriften habe das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt.
Grundsätzlich, so die taz (Christian Rath), habe der Erste Senat es gebilligt, das Elterngeld auf diejenigen zu beschränken, die voraussichtlich auf Dauer in Deutschland blieben. Die Integration in den Arbeitsmarkt sei allerdings kein sinnvolles Unterscheidungskriterium und diskriminiere zudem Mütter, weil diese im achtwöchigen Mutterschutz gar nicht arbeiten dürften.
LG Hamburg / OLG Frankfurt/Main / BGH – Presseagenturen: Deutsche Presseagenturen gehen immer häufiger gerichtlich gegeneinander vor, berichtet die taz (René Martens) auf ihrer Medienseite Flimmern & Rauschen. Aktuell habe das Landgericht Hamburg eine Markenrechtsklage von dpa gegen dapd wegen Gefahr der klanglichen Verwechslung abgewiesen.
Zuvor hatte der Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde von dapd zurückgewiesen. Damit verlor dapd endgültig einen Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. wegen vermeintlicher Sittenwidrigkeit der Laufzeiten von dpa-Verträgen. Eine 2010 von dapd bei der EU-Kommission eingereichte Wettbewerbsbeschwerde gegen dpa sei noch anhängig.
OLG Frankfurt/Main – Entschädigung Gäfgen: Das Land Hessen hat gegen die Entschädigung für Magnus Gäfgen Berufung eingelegt, berichtet die SZ (Marc Widmann). Die Landesregierung sei nicht bereit gewesen, 3.000 Euro zu bezahlen, die Gäfgen wegen Androhung von Folter zugesprochen worden seien und habe auch einen Vergleichsvorschlag des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main über die Zahlung von 2.000 Euro an eine gemeinnützige Stiftung abgelehnt. Jetzt werde es zu einer erneuten Beweisaufnahme kommen, bei der auch der frühere Polizeipräsident Daschner als Zeuge gehört wird.
BGH – Lehman-Zertifikate: Rechtsanwalt Michael K. Schneider (blog.handelsblatt.com) stellt vier bankenfreundliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vor. Im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Lehman-Zertifikaten habe für die Mitarbeiter von Banken keine Pflicht bestanden, im Beratungsgespräch mit dem Kunden darauf hinzuweisen, dass die Bank von der Emittentin der Zertifikate eine Vertriebsprovision in Höhe von 3,5 Prozent erhält. Eine Verletzung der Beratungspflicht sei nicht feststellbar gewesen. Entsprechende vorinstanzliche Urteile wurden aufgehoben und die Streitigkeiten zur Neuverhandlung zurückverwiesen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ukraine – Timoschenko: Das Oberste ukrainische Berufungsgericht in Kiew hat die siebenjährige Freiheitsstrafe gegen Julia Timoschenko bestätigt, berichtet die taz (Barbara Oertel). Timoschenkos Hoffnungen, so die FTD (Nils Kreimeier), ruhten jetzt auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, der zumindest Haftbedingungen und Versorgung der ehemaligen Ministerpräsidentin überprüfen solle.
spiegel.de (Christoph Sydow) zitiert einen Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, die "selektive Justiz" in der Ukraine müsse aufhören.
USA – Apple vs. Samsung: Alina Fichter (Die Zeit) hält Apple trotz des gerichtlichen Erfolges über den Rivalen Samsung für den Verlierer der juristischen Schlacht. Der Innovationsdruck, der auf Apples Wettbewerbern laste, werde sich mittelfristig als Vorteil erweisen und Apples aggressive Strategie zum Schutz seiner Produkte ins Leere laufen lassen.
Laut Handelsblatt hat ein Gericht in Kalifornien eine Anhörung bis Dezember 2012 ausgesetzt, bei der geprüft werden soll, ob Samsung acht seiner Smartphone-Modelle, darunter auch vier Varianten des Galaxy S2, vom Markt nehmen muss.
Sonstiges
Europäische Verfassung: In einem Meinungsbeitrag beschäftigt sich Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ) mit den Überlegungen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, mittels eines Konvents und umfassender Bürgerbeteiligung auf eine vertiefte europäische Verfassung hinzuarbeiten. Die Krise sei jedoch ein ungeeigneter Zeitpunkt für eine derartige Initiative. Die Interessen der politischen Klasse und der Bevölkerung seien im Moment zu unterschiedlich.
Rüstungsexporte: In einem Gastbeitrag fordert Wolfgang Ischinger (Handelsblatt) eine stärkere Beteiligung des Bundestages bei der Entscheidung über Rüstungsexporte. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz verspricht sich davon "eine Öffnung des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen".
Das Letzte zum Schluss
Sodomie wird Straftat: Im neuen Tierschutzgesetz sollen ab Herbst 2012 sexuelle Handlungen mit Tieren als Straftat geahndet werden, unabhängig davon, ob das Tier dadurch körperlichen oder seelischen Schaden nimmt, berichtet die FAZ (hano). Wie ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums erklärte, solle durch die Verschärfung auch die "organisierte Zoophilie" verfolgt werden. Die Satireseite der taz, Die Wahrheit, titelt: "Sodomie verboten: Tiere atmen auf"
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. August 2012: Google soll bezahlen – Gäfgen will Entschädigung – Provision bei Lehman-Zertifikaten . In: Legal Tribune Online, 30.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6957/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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