Der Streit um die Neugestaltung des Verfassungsschutzes bestimmt die heutige Berichterstattung. Außerdem in der Presseschau: Die SPD will das Betreuungsgeld in Karlsruhe zu Fall bringen, das Bundeskabinett berät über den Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe. Die Franzosen obduzieren Arafats Leiche und Junge Liberale wollen Bayerns Tankstellen stürmen.
Verfassungsschutz im Streit: Bundesinnenminister Friedrich habe sich mit seinem Konzept für eine Reform des Verfassungsschutzes nicht durchsetzen können, berichtet die SZ (Susanne Höll). Sein Plan, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Zentralstellenfunktion zuzuweisen, sei am Widerstand der Bundesländer gescheitert. Auch Friedrichs kurzfristig vorgestelltes Vorhaben, das BfV könne generell die Beobachtung von Extremisten übernehmen, stehe im Moment nicht zur Debatte, so spiegel.de (Philipp Wittrock).
In einem Gastbeitrag vergleicht das Vorstandsmitglied der Bundestagsfraktion Die Linke Wolfgang Neskovic (FAZ) den Verfassungsschutz mit einem vernachlässigten Oldtimer: "Es fehlt ihm das Navigationssystem. Er verfährt sich politisch und rechtlich." Ziel könne trotzdem nicht die Abschaffung, sondern müsse eine zeitgemäße Reform sein, effektive Kontrolle eingeschlossen.
Heribert Prantl (SZ) vergleicht den Verfassungsschutz mit einem Gewerbebetrieb, der wegen schwerer Mängel schon längst hätte geschlossen werden müssen. Der geplante Machtzuwachs sei sinnlos, erforderlich sei eine Totalreform verbunden mit viel mehr Kontrolle. Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) sieht in der Verlegung des BfV von Köln nach Berlin verbunden mit einer Verkleinerung und Verjüngung die einzige Rettung.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sterbehilfe im Kabinett: Der umstrittene Entwurf zum Sterbehilfegesetz aus dem Bundesjustizministerium geht unverändert zur Beratung ins Kabinett, berichtet die FAZ (Reinhard Müller). Strafbar mache sich derjenige, der jemandem beim Suizid helfe und damit Geld verdiene.
Reinhard Müller (FAZ) meint, auch Angehörige, die laut Gesetzesentwurf von einer Bestrafung ausgenommen seien, hätten bisweilen sehr eigennützige Motive bei der Sterbehilfe. Diese pauschal auszuschließen, gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei.
Klage gegen Betreuungsgeld: Laut einem Gutachten des Rechtswissenschaftlers Joachim Wieland ist das geplante Betreuungsgeld ("Herdprämie") verfassungswidrig, berichtet die taz (Simone Schmollack). Die SPD-Fraktion plane eine Verfassungsklage, benötige dazu aber noch Unterstützung von anderen Parteien.
Laut spiegel.de (jls) hat die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Wieland das Betreuungsgesetz als "Lex Seehofer" bezeichnet, das der CSU helfen soll, die Landtagswahlen zu gewinnen.
Familiensplitting: Eine Expertenkommission empfiehlt Angela Merkel die Einführung des so genannten Familiensplittings, berichtet die taz (Richard Rother). Dabei solle bei der Berechnung der Einkommensteuer das Familieneinkommen durch die Zahl der Familienangehörigen geteilt werden.
Leistungsschutzrecht: Die SZ (Heribert Prantl) berichtet auf ihrer Titelseite, Blogger sollen bei der Neugestaltung der Leistungsschutzrechte im Internet von Zahlungen an Verlage befreit werden. Lediglich Betreiber von Suchmaschinen und ähnlichen Diensten würden zur Kasse gebeten. Thomas Stadler (internet-law.de) gibt einen Überblick über den neuen, dritten Gesetzesentwurf, der auch wieder durch die Hände vieler Lobbyisten gegangen sei.
Grunderwerbsteuer und Lebenspartnerschaften: Die SZ (Guido Rohsem) berichtet in ihrem Wirtschaftsteil über Wolfgang Schäubles Plan, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften bei der Grunderwerbsteuer auch rückwirkend gleich zu stellen, um damit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen. Beim Ehegattensplitting zögere das Bundesfinanzministerium noch.
Wahlrechtsreform: Um das Problem der Überhangmandate im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu lösen, beabsichtigen die Parlamentarier den neuen Bundestag um etwa fünfzig Sitze aufzustocken, berichtet zeit.de (Albert Funk).
Professor Eberhard Lopau und Rechtsanwalt Gerrit Lopau (lto.de) schlagen in einem Gastbeitrag vor, sichere Mandate bei den Erststimmen nur noch bei Erhalt der absoluten Mehrheit zu vergeben. Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis lediglich eine relative Mehrheit erhielten, seien nur insoweit zu berücksichtigen, als es dem Gesamtanteil der Partei bei den Sitzen auf Grundlage der Zweitstimmen entspreche. Damit werde eine Aufblähung des Bundestags durch Ausgleichsmandate vermieden.
Weitere Themen – Justiz
Abmahnung für Facebook: Wie André Meister (netzpolitik.org) mitteilt, hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen erneut Facebook abgemahnt. Die Internetplattform habe ohne Einwilligung persönliche Daten von Facebook-Mitgliedern an die Entwickler von Serviceprogrammen, so genannter Apps, weitergegeben. Binnen einer Woche hätten die Betreiber des sozialen Netzwerks eine Unterlassungserklärung abzugeben.
LG Dresden – Leipziger Wasserwerke: Der Prozess gegen den früheren Geschäftsführer der Leipziger Wasserwerke, Klaus Heininger, ist nach Verlesung der Anklageschrift vor dem Landgericht (LG) Dresden bis zum 3. September vertagt worden, berichtet die FAZ (Peter Schilder). Bis dahin werde geprüft, ob Heininger trotz seines Augenleidens verhandlungsfähig sei. Durch Spekulationen des ehemaligen Geschäftsführers sei der Stadt Leipzig ein Schaden von bis zu 300 Millionen Euro entstanden. Ein erstes Urteil des LG auf der Grundlage einer Absprache war vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden.
BGH – Betriebsfortführung in der Insolvenz: Rechtsanwalt Hendrik Boss (blog.handelsblatt.com) stellt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vor, das sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Leasingfahrzeuge durch den Insolvenzverwalter weiter genutzt werden können und wer für Beschädigungen der Fahrzeuge während des vorläufigen Insolvenzverfahrens aufzukommen habe.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Belgien – Dutroux-Komplizin frei: Michelle Martin, die Ex-Ehefrau und Komplizin des mehrfachen Kindermörders und Sexualstraftäters Marc Dutroux, ist auf freien Fuß gesetzt worden, berichtet spiegel.de (Fabienne Hurst). Die 52-Jährige werde in einem Klarissinnen-Kloster leben. Angehörige beabsichtigten, gegen die Entscheidung der Justizvollzugsbehörden rechtliche Schritte einzuleiten. In Belgien sei eine vorzeitige Entlassung beim Vorliegen eines Resozialisierungsplanes auch bei schweren Gewalttaten möglich.
Die SZ (Marc-Felix Serrao) spricht mit der katholischen Theologin und Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz über das Böse und die Reue, Recht und Vergebung.
Ruth Reichstein (taz) fordert eine Reform des belgischen Strafvollzugsrechts, das den Angehörigen der Opfer Rechtsmittel gegen die Freilassung verwehre.
EGMR –Ukraine – Timoschenko: Die SZ (Wolfgang Janisch) und taz.de (Christian Rath) berichten von der mündlichen Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht über die Klage der Ex-Ministerpräsidenten Julia Timoschenko gegen die Ukraine. Es geht um den möglicherweise politischen Charakter von Untersuchungshaft, die Behandlung ihrer Rückenprobleme, Videoüberwachung in der Zelle und den Vorwurf, dass sie geschlagen worden sei.
Frankreich – Arafat wird obduziert: spiegel.de (Fabian Reinbold) berichtet über den Auftakt der Ermittlungen der französischen Justiz hinsichtlich einer möglichen Ermordung von Jassir Arafat. An persönlichen Habseligkeiten des früheren Palästinenserpräsidenten seien Spuren von Polonium-210 gefunden worden, eine vorsätzliche Vergiftung sei nicht auszuschließen. Experten aus Lausanne würden ins Westjordanland reisen, um die Leiche Arafats zu untersuchen.
Das Letzte zum Schluss
Das Recht aufs eigene Bier: Seit dem 1. Juni gilt ein neues Ladenschlussgesetz, das den Verkauf von Alkoholika an Tankstellen nach 20 Uhr nur noch an Menschen gestattet, die ein Kraftfahrzeug führen. Für das Recht aufs eigene Bier wollen die Jungen Liberalen in Bayern jetzt mit Flashmobs Druck machen, berichtet die taz (Leonie Geiger). Am Samstag sollen viele Menschen gleichzeitig in Tankstellen auftauchen. Verliere der Tankwart den Überblick, wer mit dem KfZ da sei, werde er Bier an alle verkaufen, so der Plan.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. August 2012: Verfassungsschutz im Streit – Sterbehilfe im Kabinett – Dutroux-Komplizin in Freiheit . In: Legal Tribune Online, 29.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6947/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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