Neues Bundeswahlgesetz nach dem Karlsruher Urteil: Die absolute Mehrheit und die Auslese der Besten

von Prof. Dr. Eberhard Lopau, Gerrit Lopau

28.08.2012

Am Dienstag beginnen die Verhandlungen der Fraktionen über ein neues Wahlrecht, nachdem das BVerfG das geltende für in Teilen nichtig erklärt hat. Die Zeit bis zur Bundestagswahl drängt, die Politik taktiert. Eberhard und Gerrit Lopau schlagen sichere Mandate für Direktwahlkandidaten nur noch bei absoluter Mehrheit vor. Und bei der Zweitstimmenwahl soll künftig der Beste gewinnen.

Angesichts der Erfahrungen mit der Dauer von Gesetzgebungsverfahren erscheint die Zeit bis zur Bundestagswahl im Herbst 2013 schon etwas knapp, möglichst noch im November sollen die Fraktionsverhandlungen abgeschlossen werden. Eine grundlegende Wahlrechtsreform auf der Basis sorgfältiger Analysen der Wahlsysteme des In- und Auslands ist damit ausgeschlossen. Es kann jetzt nur darum gehen, für die Bundestagswahl 2013 ein Wahlgesetz zu verabschieden, das den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gesetzten Maßstäben gerecht wird, ohne die Perspektive für eine grundlegendere verfassungspolitische Reformdiskussion zu versperren.

Die Reaktionen der Politiker auf die Karlsruher Entscheidungen stimmen wenig hoffnungsvoll und werden insofern den Erwartungen gerecht. Ihre Vorschläge, dem Urteil Rechnung zu tragen, orientieren sich inhaltlich an den Konsequenzen, die sich als Vor- oder Nachteil für ihre jeweilige Partei ergeben. Die Opposition ist guter Dinge, nach ihrem Erfolg in Karlsruhe zügig eine Einigung zu erzielen, da die Regierungsparteien sich weitere Blamagen nicht leisten können. Horst Seehofer (CSU) hat zum Unmut der Kollegen der Schwesterpartei CDU angekündigt, er habe kein Problem damit, künftig alle Überhangmandate auszugleichen.

Auch wenn die Verhandlungen unter dieser Prämisse zügig abgeschlossen werden könnten, verbietet es sich wegen des erheblichen Zeitdrucks, die auch in der Bundesrepublik in fast regelmäßigen zeitlichen Intervallen aufkommenden Grundsatzdiskussionen über das Für und Wider der unterschiedlichen Wahlsysteme, vor allem des Mehrheitswahlrechts einerseits und des Verhältniswahlrechts andererseits, jetzt neu aufzuwerfen, wobei unvergessen ist, dass solche Diskussionen früher oft als Drohkulisse gegen kleinere Koalitionspartner errichtet wurden.

Das in der Bundesrepublik geltende Mischsystem sollte also im Zusammenhang mit dem vom BVerfG erzwungenen Wahlrechtsreformgesetz nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr kann auf seiner Grundlage mit nur wenigen und nicht kapitalen Änderungen schnell eine verfassungskonforme Lösung schnell erreicht werden.

Das Ziel: Begrenzung der Überhangmandate ohne aufgeblähtes Parlament

Karlsruhe hat hauptsächlich eine Begrenzung der Zahl der so genannten Überhangmandate vorgegeben, die entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erhält, als ihr nach den Zweitstimmen an Sitzen zustehen. Man mag diese Einschränkung des BVerfG für problematisch halten, da die Verfassungen anderer europäischer Staaten es gestatten, der in den Wahlen erfolgreichsten Partei einen Bonus von 10 Prozent der Parlamentssitze zu gewähren. Aber das höchste deutsche Gericht hat gesprochen und das neue Wahlrecht muss die Grundstrukturen des geltenden Mischsystems wahren.

Dabei muss das Parlament nicht aufgebläht werden, wie es die Anhänger von Ausgleichsmandaten befürworten. Vor allem die SPD will, wie nach den Wahlgesetzen für die Landtagswahlen teilweise schon üblich, eine Sitzverteilung nach dem Zweitstimmenergebnis dadurch erreichen, dass die Überhangmandate einer Partei durch Ausgleichsmandate der anderen Parteien gewissermaßen neutralisiert werden.

Zum Teil wird vorgeschlagen, zur Begrenzung der Gesamtzahl der Abgeordneten die Normalsitzzahl des Parlaments um 50 Mandate verringern, so dass es etwa nach dem Ergebnis der Bundestagswahl 2009 mit 24 Überhangmandaten und 24 Ausgleichsmandaten bei einer Gesamtabgeordnetenzahl von unter 600 bliebe.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Eberhard Lopau, Gerrit Lopau, Neues Bundeswahlgesetz nach dem Karlsruher Urteil: Die absolute Mehrheit und die Auslese der Besten . In: Legal Tribune Online, 28.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6943/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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