Zwei Verwaltungsrichter und Jura-Profs legen einen Entwurf für ein klareres Ausweisungsrecht vor - in den letzten zehn Jahren waren ja alle völlig überfordert. Außerdem in der Presseschau: Gerechte Schiedsgerichte, Max Mosley zu seinem Sieg über Google, Beginn des BayernLB-Prozesses, Anwälte, die mit Anzeigen drohen und Sex-Videos im Gerichtssaal.
Tagesthema
Neues Ausweisungsrecht?: Auf einer Tagung zum Ausländerrecht am vergangenen Wochenende legten der Bundesverwaltungsrichter und Jenaer Juraprofessor Harald Dörig und Jan Bergmann, Verwaltungsrichter und Juraprofessor in Stuttgart, einen Gesetzesentwurf für ein neues Ausweisungsrecht vor, passend auf eine DIN-A4-Seite. Die Montags-SZ (Roland Preuss) berichtet: Anwälte, Verwaltungsrichter und Behörden täten sich schwer mit dem deutschen Ausweisungsrecht für Straftäter aus Nicht-EU-Staaten. Oft würde schon auf Ausweisungen verzichtet, weil die Materie, auch durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes, zu komplex geworden sei. Die europäischen Richter hätten die deutschen Ausweisungsgesetze schon vor zehn Jahren "zertrümmert". Die Vorlage der beiden Richter solle die Materie wieder handhabbar machen, beziehe alle relevanten verfassungsrechtlichen Vorgaben und die europäische Rechtsprechung mit ein und sehe weiterhin eine "ergebnisoffene Einzelfallprüfung" vor. Im Koalitionsvertrag sei eine Neufassung der Materie vorgesehen, so die SZ weiter.
Rechtspolitik
Interview Reding: Im Gespräch mit dem Focus (Michael Franke, Zusammenfassung) spricht die EU-Justizkommissarin Viviane Reding über ihr Vorantreiben der Telekom-Regulierung, ein europäisches Datenschutzgesetz, welches noch in diesem Jahr kommen solle, dass Deutschland beim Netzausbau hinterherhinkt, und warum sie bei den Europawahlen wieder antreten möchte.
Extremismusklausel: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will laut Samstags-SZ (Constanze von Bullion) das von ihrer Vorgängerin eingeführte, umstrittene Bekenntnis der Mitarbeiter von Demokratie-Projekten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die sogenannte Extremismusklausel, wieder abschaffen. Eine Einigung mit dem Bundesinnenministerium zeichne sich bereits ab. Eine Folgeregelung könne etwa ein Begleitschreiben für Projekt-Anträge auf Förderung vorsehen statt der bisher zu leistenden Unterzeichnung eines Bekenntnisses.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) kommentiert: Gut, dass die staatliche Misstrauensklausel weg soll.
Interview Schwesig – Frauenquote: Mit der Welt am Sonntag (M. Hollstein und andere) spricht Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) über ihren Alltag zwischen Berlin und Schwerin, ihren Start als Ministerin, Familienarbeitszeit, Elterngeld und Frauenquoten für Chefetagen. Schwesig wolle ein Gesetz zur Förderung von Frauen in Führungspositionen vorlegen, dass eine verpflichtende 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte börsennotierter und voll mitbestimmungspflichtiger Unternehmen vorsehe. Als Sanktion präferiere sie den "leeren Stuhl". Auch für andere Unternehmen soll es Vorgaben geben, so auch für den öffentlichen Dienst. Weiter geht es um die Quoten-Unterstützung durch den Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und die Abschaffung der Extremismusklausel.
Staatsbürgerschaftsrecht: Zwischen SPD und Union gibt es Unstimmigkeiten in Fragen der (doppelten) Staatsbürgerschaft. Wie die Welt am Sonntag (Manuel Bewarder/Karsten Kammholz) auf dem Titel erläutert, wolle die SPD abrücken vom noch in den Koalitionsvertrag aufgenommenen Kriterium des "Aufwachsens" – neben dem der "Geburt" – in Deutschland für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Schleswig-Holstein plane eine entsprechende Bundesratsinitiative. Auch wolle die SPD den bestehenden Optionszwang abschaffen. Die CDU wolle weiter am Kriterium "aufwachsen" festhalten und dies möglicherweise auch in einem Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium aufnehmen.
Polizei gegen Fußballrowdys: NRW-Vertreter der "Gewerkschaft der Polizei" sowie der "Deutschen Polizeigewerkschaft" forderten eine Verfahrensbeschleunigung bei Hooligans, spezielle Staatsanwälte für Spieltage sowie einen verstärkten Einsatz von Wasserwerfen und Tränengas bei Eskalationen, so der Focus. Anlass seien Krawalle vor einem Testspiel des 1. FC Köln und Schalke 04.
Laut einer Meldung des Spiegel sehe die Gewerkschaft der Polizei den Rechtsstaat in Gefahr und verlange mehr Unterstützung: In einigen deutschen Städten sei es einfach nicht mehr sicher. Die Gewerkschaft und der Deutsche Städte- und Gemeindebund plädierten daher für "verstärkte Videoüberwachung, Alkoholverbote in der Öffentlichkeit und einen besseren Schutz von Sicherheits- und Rettungskräften".
Freihandelsabkommen – "Schiedsgerichte sind gerechter": Im geplanten EU/USA-Freihandelsabkommen ist unter anderem die Einrichtung von Schiedsgerichten für etwaige Unternehmensklagen gegen den jeweiligen Gaststaat vorgesehen. Nach heftiger Kritik liegen entsprechende Gespräche zwischen Brüssel und Washington aber auf Eis. "Heuchlerisch" findet Helene Bubrowski (Samstags-FAZ, Titelseite) die Vorwürfe, die Einrichtung von Schiedsgerichten sei undemokratisch, rechtsstaatsfeindlich und intransparent. Im Gegenteil sei es das einzig neutrale Forum und diene auch der Harmonisierung der Rechtslage in Europa. Deutsche Unternehmen seien auf der Grundlage von bisher immerhin 131 Investitionsabkommen Deutschlands immer wieder vor Schiedsgerichte gezogen, um sich gegen Beeinträchtigungen durch den Gaststaat zu wehren: "Niemand störte sich daran." Dazu auch der Spiegel.
Arbeitsrecht - Leiharbeit: Im Wirtschafts-Teil der FAZ (Corinna Budras) findet sich anlässlich des 1. Deutschen Arbeitsgerichtstages in der vergangenen Woche ein Bericht zu den Koalitionsplänen zur Neuregelung der Leiharbeit. Die zeitliche Höchstgrenze solle auf 18 Monate festgelegt werden. Einige Experten kritisierten die Pläne als unzureichende Regelungen - so sei unklar, ob die Grenze für einzelne Leiharbeiter oder den Arbeitsplatz gelte - sowie fehlende Sanktionsmöglichkeiten.
Arbeitsrecht – Stress am Arbeitsplatz: Nicht jeder Arbeitnehmer kann in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln, wenn der Stress am Arbeitsplatz zu groß wird. Mit möglichen Lösungsansätzen befasst sich Corinna Budras (Samstags-FAZ, Beruf und Chancen-Teil). Die IG-Metall habe der alten Bundesregierung dafür vergangenes Jahr eine Anti-Stress-Verordnung vorgelegt, unter anderem mit klaren Vorgaben zu Arbeitszeiten und -umgebung. Der aktuelle Koalitionsvertrag bleibe dazu aber vage, auch liege der Koalitions-Fokus eher auf der Doppelbelastung "Familie und Beruf". Die sogenannte "Teilzeitfalle" solle aber gesetzlich entschärft werden. Arbeitsrechtler beklagten ein lückenhaftes Arbeitsrecht, etwa mit Blick auf den verstärkten Einsatz von Dienst-Smartphones.
Justiz
BGH-Präsident warnt vor Kollaps: Auf einem Presseempfang beim Bundesgerichtshof hat dessen scheidender Präsident Klaus Tolksdorf eine dramatische Überlastung der Zivilsenate beklagt: Die Geschäftszahlen stiegen in beängstigendem Maße auf über 1.000 Akten mehr pro Jahr. Auslöser sei eine Änderung der Zivilprozessordnung, erläutert die Samstags-FAZ (Joachim Jahn), wonach Verlierer eines Zivilprozesses auch dann Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen könnten, wenn ihnen ein Oberlandesgericht per Beschluss die offensichtliche Ausweglosigkeit ihres Anliegens bescheinigt hätte. Weiter beklage Tolksdorf die "Desavouierung" der Rechtsprechung der Strafsenate durch die Diskussionen um die Beförderung Thomas Fischers sowie um das sogenannte Vier-Augen-Prinzip.
Rechtsmediziner kritisieren Familiengerichte: Wie der Focus knapp meldet, kritisierten Rechtsmediziner deutsche Familiengerichte und deren Richter in Fällen möglicher Kindesmisshandlung: Häufig wechselnde Richter und die Überschätzung ihrer Kompetenzen schadeten der Aufklärung. Sibylle Banaschak, Rechtsmedizinerin und Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Rechtsmediziner, meint, es fehlten psychologische und rechtsmedizinische Kenntnisse; auch die Behörden müssten verstärkt tätig werden.
Im Spiegel findet sich ein Essay der Rechtsmedizinerin und Autorin Constanze Niess zum Thema besserer Schutz für misshandelte Kinder.
LG Hamburg zu Mosley-Bildern: Das Landgericht Hamburg hat am vergangen Freitag entschieden, dass sechs heimlich aufgenommene Bilder einer privaten Sex-Party des Ex-Motorsportbosses Max Mosley nicht mehr in den Suchergebnissen bei Google auftauchen dürfen. Die Samstagsausgabe der Badischen Zeitung (Christian Rath) berichtet. Die Bilder zeigten Mosley bei sexuellen Handlungen. Google habe zwar wiederholt auf konkrete Aufforderungen Mosleys bestimmte Websites mit den Fotos aus den Suchergebnisses herausgenommen, eine generelle Filterung aller Seiten mit den Bildern habe Google abgelehnt, man wollte nicht zur "Zensurmaschine" werden und technisch sei dies ohnehin schwer umsetzbar.
lto.de erläutert ausführlich die Hintergründe des Falles – laut Landgericht "juristisches Neuland". IT-Rechtler sähen in der Heranziehung des Prinzips der Störerhaftung einen "Sündenfall", der freie Informationsaustausch gerate in Gefahr. Es berichtet auch zeit.de.
Thomas Heuzeroth (Samstags-Welt) sieht die Entscheidung juristisch auf "dünnem Eis". Zunächst müssten gewichtige offene Frage geklärt werden, wie etwa ob die Vorgabe nur für Bilder oder auch Worte gelten. Thomas Stadler (internet-law.de) schreibt, es gäbe allenfalls einen Löschungsanspruch, aber nur schwerlich einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch gegen Google und verweist auf eine Stellungnahme eines Generalanwaltes am Europäischen Gerichtshof zur Frage der eingeschränkte Verantwortlichkeit von Internetdienstanbietern nach den Grundsätzen der E-Commerce-Richtlinie.
Mit dem Spiegel (Susanne Amann/Isabell Hülsen, Zusammenfassung) spricht Max Mosley ausführlich über seinen gerichtlichen Erfolg gegen Google in Deutschland und Frankreich, warum er nicht in den USA oder Großbritannien geklagt habe und warum er überhaupt gegen Google vorgeht: Das Wesen der Suchmaschine sei es, aus Kleinem, das niemand finden würde, Großes zu machen. Weiter geht es um die moralische (Un)Reife Googles, welche Gerichtsentscheidungen Google künftig umsetzen solle, die Abgrenzung des Privatsphäre-Schutzes von Zensur oder Terror-Abwehr, welchen Nutzen Mosley Siegs für andere hat und welche (persönlichen) Kosten für ihn damit verbunden waren. Sein nächster Schritt werde eine Klage gegen die Autovervollständigen-Funktion der Google-Suche sein, Mosley beruft sich dabei auf den Fall Bettina Wulff. Zur angekündigten Berufung Googles im aktuellen Fall meint Mosley, er gehe zur Not bis zum Bundesgerichtshof.
LG München – Bayern LB: Ab dem heutigen Montag müssen sich sieben Ex-Vorstände der BayernLB vor dem Landgericht München wegen Untreue und Bestechung im Zusammenhang mit dem Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria-Bank verantworten. Laut einer Meldung des Spiegel wollen einige Beschuldigte den Vorwurf der Staatsanwaltschaft angreifen, der Bank-Vorstand habe damals den Verwaltungsrat mit einer "frisierten Tischvorlage" arglistig getäuscht, um die Zustimmung zum Kauf zu erlangen. Dass der Verwaltungsrat - besetzt unter anderem mit "CSU-Granden" - getäuscht worden sei, sei auch Grund für die Staatsanwaltschaft, diesen bei der Anklage außen vor zu lassen.
BVerwG zu Atom-Moratorium: Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Begründung zum Urteil zur Stilllegung des Atomkraftwerkes Biblis durch das hessische Umweltministerium nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima (Japan) im Jahr 2011 vorgelegt. Laut Samstags-FAZ (Joachim Jahn) hätte vor dem Moratorium eine Anhörung der betroffenen Energiekonzerne stattfinden müssen. Zwar vollzögen die Länder das Atomgesetz im Auftrag des Bundes, müssten aber nach außen eigenständig handeln. Eine Anhörung werde nicht durch Statements der Bundeskanzlerin oder Reaktionsmöglichkeit der Unternehmen auf Presseberichte ersetzt. Offen gelassen seien in der Urteilsbegründung indes inhaltliche Fragen, etwa zum "Ermessensausfall" mit Blick auf die Überprüfung der Sicherheit der Kernkraftwerke.
LG Duisburg – Loveparade: Dem im Februar beginnenden Prozess vor dem Landgericht Duisburg zur Loveparade-Katastrophe mit 21 Todesopfern im Jahr 2010 widmet der Spiegel (S. Becker, Zusammenfassung) einen mehrseitigen Hintergrundbericht. Die Staatsanwaltschaft werde voraussichtlich zehn Personen anklagen, vier von der Organisatorin "Lopavent" sowie sechs aus der Duisburger Baubehörde. Laut Spiegel sitzen damit die "Dummen" auf der Anklagebank, die "Schlauen" würden fehlen, darunter der Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland, Rainer Scheller, Lopavent und McFit-Chef, sowie der Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe. In einem der "größten Todesermittlungsverfahren der deutschen Justizgeschichte" habe sich die Staatsanwaltschaft auf das Gutachten eines britischen Forschers gestützt, wonach der entscheidende Zeitpunkt für die Katastrophe die Genehmigung der Veranstaltung sei. Eine Anklage des polizeilichen Einsatzleiters am Tag der Katastrophe sei eher unwahrscheinlich. Der Spiegel zeichnet den Entscheidungsprozess im Rathaus, der Ordnungsbehörde sowie der Baubehörde detailliert nach. Dazu auch spiegel.de.
Selbstjustiz vor LG Frankfurt: Über den "Akt von Selbstjustiz" vor dem Frankfurter Landgericht am vergangenen Freitag, bei dem zwei Männer durch einen Dritten erschossen wurde, berichtet ausführlich die Samstags-FAZ (Katharina Iskandar/ Denise Peikert). Der Schütze habe möglicherweise einen Angriff auf seinen Bruder und seinen Neffen im Jahr 2007 rächen wollen. Die beiden Toten waren wegen des Angriffs, bei welchem der Bruder ums Leben kam, in erster Instanz freigesprochen worden. Vergangene Woche habe das Revisionsverfahren begonnen, möglicherweise wurde ein erneuter Freispruch befürchtet. Dazu auch spiegel.de.
GBA ermittelt wegen Kriegsverbrechen: Wie der Spiegel meldet, ermittelt der deutsche Generalbundesanwalt wegen des Verdachts von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im syrischen Bürgerkrieg gegen Unbekannt. Das sogenannte Strukturverfahren solle Beweise für mögliche Strafverfahren in Deutschland, im Ausland oder vor internationalen Gerichten sichern.
BVG verliert 204-Millionen-Dollar Wette: Die Montags-taz berichtet mit mehreren Beiträgen über eine verlorene Finanzwetter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit einer Tochter der Investmentbank JPMorgan. Laut taz (Sebastian Heiser) wäre die Wette auf Unternehmenspleiten im besten Fall mit 7,8 Millionen US-Dollar Gewinn für die BVG ausgegangen, im – eingetretenen – schlechtesten Fall lag der Verlust bei 204 Millionen US-Dollar. In London habe der Prozess der BVG gegen die Bank begonnen, welche diese unter anderem mit dem Hinweis auf eine Pflichtverletzung der Bank zur umfassenden Beratung abwenden wolle. Der Bank sei wohl auch klar gewesen, dass die BVG – eigenen Aussagen nach – den Deal nicht einmal verstanden habe. Separat schildert die taz-Berlin (Sebastian Heiser), welche Rolle dabei Anwälte der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance spielten. Das Londoner Gericht müsse auch über eine etwaige Schadensersatzpflicht der beauftragten Anwälte befinden, die Kanzlei sei ebenfalls verklagt worden. Diese war von der BVG mit einer rechtlichen Beurteilung der Wette beauftragt worden, habe in Wirklichkeit aber für JPMorgan gearbeitet, so die taz. Dazu werden separat – "Das Protokoll einer Abzocke" – noch Zitate von Clifford Chance, BVG und JPMorgan geliefert.
Anwälte, die mit Anzeigen drohen: Anlässlich eines Editorials des Geschäftsführers der Anwaltskammer Köln, Martin W. Huff, in der Neuen Juristischen Wochenschrift erinnert Heribert Prantl (Samstags-SZ, Titelseite) an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem vergangenen Dezember. Ein Anwalt war wegen versuchter Nötigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, nachdem er für einen "Gewinnspieleintragungsdienst" Mahnschreiben entwarf, die sein Mandant tausendfach versendete. Darin war neben einer Zahlungsaufforderung die Drohung mit einer Strafanzeige enthalten. Das Handeln des Anwaltes habe der Bundesgerichtshof als verwerflich eingestuft, da juristischen Laien mit der "Autorität eines Organs der Rechtspflege" gedroht worden sei, bei ihnen sei der falsche Eindruck entstanden, die zivilrechtlichen Forderungen seien hinreichend geprüft worden. Anwalt und Mandant hätten vorab ausgemacht, dass keine Anzeigen gestellt wurden. Ob ersterem klar war, dass er für einen Betrüger tätig sei, wurde nicht festgestellt. Das Editorial sehe die Karlsruher Entscheidung nun als "sehr bedenklich" an: Die Drohung mit einer Strafanzeige - wenn es keine falsche Verdächtigung sei - sei nicht per se verwerflich. Dazu ebenfalls ausführlich Bernd von Heintschel-Heinegg (BeckBlog.de).
LG Dessau – Tod von Ulf Möller: Eine eindringliche Gerichtsreportage findet sich in der Montags-SZ (Karin Steinberger) über den Fall des im Januar 2012 auf einem Rastplatz überfallenen und totgeprügelten Ulf Möller. Angeklagt vor dem Landgericht Dessau seien fünf Litauer, deren zehn Pflichtverteidiger den seit einem Jahr andauernde Prozess immer wieder durch Anträge behinderten. Die Familie des inzwischen Verstorbenen erhoffte sich eine Erklärung, die Angeklagten lieferten diese indes nicht.
Hoeneß-Whistleblower: Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) findet, der "Hoeneß-Whistleblower", also der Finanzbeamte, der den Steuer-Fall des FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß "an die Presse durchgestochen hat", habe keineswegs das Vertrauen in die Behörden beschädigt. Vielmehr müsse der "amtliche Ungehorsam" hier als Dienst an der Allgemeinheit gesehen werden.
Recht in der Welt
EGMR/Slowenien – Strafverfahrensdauer: Unter dem Titel "Der Strafprozess vom Opfer her gedacht" erläutert der Jura- und Politik-Student Filip Bubenheimer (Verfassungsblog) die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Falle W. / Slowenien vom vergangenen Donnerstag. W. habe über zehn Jahre auf die Verurteilung ihrer Vergewaltiger warten müssen und sei dafür wiederum zu gering entschädigt worden.
USA – Zukunft der Todesstrafe: Die Debatte um die Todesstrafe ist nicht nur in den USA seit der völlig verpfuschten Exekution von Dennis McGuire in Ohio, neu entfacht. Marc Pitzke (spiegel.de) widmet dem einen ausführlichen Beitrag. Immer mehr US-Bundesstaaten schafften die Todesstrafe ab – oder legten sie jedenfalls auf Eis. McGuire war mittels eines nicht getesteten Gift-"Cocktails" hingerichtet worden, sein Todeskampf hatte eine knappe halbe Stunde gedauert. Dazu indes der Vize-Justizminister von Ohio: Niemand habe Anspruch auf eine schmerzfreie Hinrichtung.
USA – Punitive Damages: Andreas Zielcke (Samstags-SZ, Feuilleton) befasst sich mit dem US-amerikanischen "Sonderweg des Schadenersatzes", den "punitive damages", angefangen mit Mc Donald's heißem Kaffee. Das Sensationsinteresse beim "zivilrechtlich-strafenden Zwitter" sei bei "Ausreißern mit ihren Fantasiesummen" zwar groß. Tatsächlich würden punitive damages viel seltener verhängt, als weithin angenommen und die von den Jurys verhängten Strafen würden von den Richtern meist erheblich gesenkt. Weiter erklärt Zielcke die Historie des Instituts sowie US-verfassungsrechtliche und kontinental-europäische Bedenken.
USA – Kritik an NSA: Wie die Samstags-taz meldet, hat die Datenschutzkommission der US-Regierung in einem vergangene Woche vorgelegten 234-seitigen Bericht scharfe Kritik an der Telefonüberwachung durch die NSA in den USA geübt. Diese sei illegal, eine ernsthafte Bedrohung der Privatsphäre und weitgehend nutzlos.
Pakistan – Todesstrafe wegen Blasphemie: spiegel.de (Hasnain Kazim) berichtet ausführlich über die Verurteilung eines in Pakistan lebenden britischen Staatsangehörigen zur Todesstrafe wegen Blasphemie: Er habe sich in Briefen und vor Gericht als Prophet bezeichnet. Seine Anwälte hätten vergeblich versucht, mildernde Umstände wegen einer psychischen Erkrankung geltend zu machen und waren vom Prozess ausgeschlossen worden. Vollstreckt würden Todesurteile, die nach dem in den 1980er Jahren eingeführten Strafgesetz ergangen seien, bisher aber nicht, so spiegel.de weiter.
"Recht schafft Frieden"- Papier zu Afghanistan: In einem Essay für die Samstags-Welt befasst sich Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Bundesverfassungsgerichtspräsident und heute Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit den Überlegungen ebendieser Kammer zur Zukunft Afghanistans. Für den Militär-Einsatz müsse das Leitbild des "Gerechten Friedens" gelten, bei welchem Gewalt nur rechtserhaltend und als ultima ratio dienen dürfe. Darum sei es indes schlecht bestellt.
Ausbildung
Promotionsrecht auch für Fachhochschulen?: Wie spiegel.de meldet, plane das baden-württembergische Bildungsministerium eine "Experimentierklausel" für das Landeshochschulgesetz, mit welchem auch den Fachhochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaften heißen sie in Baden-Württemberg, das Promotionsrecht verliehen werden solle; allerdings zunächst thematisch und zeitlich begrenzt. Auch in Schleswig-Holstein und Hessen gäbe es ähnliche Pläne.
Sonstiges
Polizeirecht – Dauerobservation: Kritisch setzt sich Claudia Kornmeier (lto.de) mit der jüngst in Hamburg geschaffenen gesetzlichen Grundlage für eine polizeiliche Dauerobservation entlassener Sicherungsverwahrter auseinander. Der neue § 12c im Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die entsprechende Gesetzesbegründung seien teilweise floskelhaft und vage formuliert und beantworteten insbesondere nicht die Frage, ob "wir die Polizei zur Dauerobservation entlassener Sexualstraftäter ermächtigen [wollen]".
Scheidungsverfahren: "Es geht immer nur ums Geld, egal, ob viel da ist oder wenig", so die Bilanz von Hermann Messmer, "Deutschlands profiliertester Scheidungsanwalt", im Bild am Sonntag-Ratgeber nach mehr als 5.000 Verfahren. In einem ausführlichen Beitrag befasst er sich mit den Fragen, warum sich Paare trennen, wer den ersten Schritt macht und wie Scheidungsverfahren ablaufen.
Das Letzte zum Schluss
Sex-Video als beste Verteidigung?: In einem Betrugsprozess in den USA, bei dem es unter anderem um den Vorwurf einer Scheinehe geht, will der angeklagte 43-jährige brasilianische Staatsbürger mittels eindeutiger, privater Fotos und Sex-Filme von ihm und seiner Frau die Jury von seiner Unschuld überzeugen, so spiegel.de. Die Vorsitzende Richterin am zuständigen Bundesgericht sei allerdings noch unschlüssig, ob sie dass der Frau und der Jury zumuten wolle. Zum Prozessauftakt habe der Angeklagte aber Fotos aus seiner Rennfahrer-Zeit vorlegen dürfen, die ihn mit vielen leichtbekleideten Frauen zeigten – für ihn der Beweis, dass er eine Scheinehe gar nicht nötig gehabt hätte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Januar 2014: Verwaltungsrichter für neues Ausweisungsrecht – Extremismus-Klausel soll weg – Überforderte Polizei . In: Legal Tribune Online, 27.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10782/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag