"Blinde Kuh" auf der Innenministerkonferenz? Die Länder einigen sich auf einen Austausch über V-Leute – aber nur mit Tarnnamen. Außerdem in der Presseschau: Zwanzig Jahre Abschaffung des Asyl-Grundrechts, anwaltlicher Rat im Kartellrecht, "Absolut Wodka" und "Absolut Radio" streiten um Namensrechte und wie kalifornische Sexfilmproduzenten die Kondompflicht verhindern.
Innenministerkonferenz: Auf der Innenministerkonferenz in Hannover ging es insbesondere um die Neuordnung des Verfassungsschutzes. Wie taz.de (Christian Rath) berichtet, einigten sich die Länder zwar auf einen besseren Informationsaustausch, für Unmut habe jedoch ein Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Friedrich gesorgt, wonach das Bundesamt für Verfassungsschutz die Möglichkeit erhalten sollte, künftig auch ohne Zustimmung der jeweiligen Landesämter in den Bundesländern tätig zu werden.
Heribert Prantl (Montags-SZ) kritisiert, die Abrede der Länder sei "wie ein Witz", weil lediglich Tarnnamen verzeichnet würden – die Behörden könnten ebenso gut "Blinde Kuh" spielen. Um die Reform des Verfassungschutzes geht es auch in einem Hintergrundbericht im Spiegel (Thomas Darnstädt). Im Kampf gegen den Terror seien sich Bund und Länder, Bundenachrichtendienst, Verfassungsschutz und Polizei in die Quere gekommen, nun müssten die Aufgaben neu verteilt werden.
Einen Überblick auch über die weiteren Themen der IMK – darunter einheitliche Grenzen für straflosen Cannabis-Konsum, strengere Alkoholverbote für Radfahrer und die Ausweisung von religiösen Extremisten – gibt die Samstags-FAZ (Robert von Lucius).
Weitere Themen – Rechtspolitik
Europäische Integration: In einem Gastbeitrag für den Focus kritisiert der Staatsrechtler Rupert Scholz die "überzogenen Kompetenzansprüche" der Europäischen Union und die fehlende demokratische Legitimation. Das europäische Parlament müsse gestärkt, der Rat demokratisiert und das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden.
Grundrecht auf Asyl: Anlässlich des 20. Jahrestages widmet sich Heribert Prantl (Samstags-SZ) der Änderung des Grundrechts auf Asyl, das damit "faktisch abgeschafft" wurde. Er erinnert an die Stimmungsmache gegen Asylsuchende zu Beginn der neunziger Jahre und kritisiert: "Aus der Asylgarantie wurde eine Abschiebungsgarantie". Die deutsche Regelung sei schließlich zum Muster für das europäische Asylregime geworden.
Steuerhinterziehung: Wie die Welt am Sonntag (Jan Dams/Karsten Seibel) berichtet, rechnen Steuerexperten mit einer Flut von Selbstanzeigen für den Fall, dass die EU das Bankgeheimnis zum Jahresende abschafft. Die Behörden würden dann mit der Bearbeitung von Altfällen überfordert – deshalb wird teilweise eine Amnestie, teilweise eine pauschale Besteuerung vorgeschlagen.
Prostitution: Der Spiegel (Cordula Meyer/Conny Neumann/Fidelius Schmid/Petra Truckendanner/Steffen Winter) widmet das Titelthema der Frage von Prostitution und Menschenhandel. Die Legalisierung durch das Prostitutionsgesetz habe ihr Ziel verfehlt, die Rechte von Prostituierten zu stärken, und fördere Menschenhandel, anstatt ihn zu verhindern. Dagegen hätten andere europäische Länder, insbesondere Schweden, schärfere Gesetze.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG und Europa: Die Montags-Welt (Jochen Gaugele/Thorsten Jungholt) erläutert die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Teil eines "Rechtsprechungsdreiecks" mit dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Kritik am Bundesverfassungsgericht aus der Politik, wie zuletzt etwa in der Debatte um die Gleichstellung homosexueller Paare mit Ehepartnern, treffe daher den falschen Adressaten. Auch das NPD-Verbot werde nicht allein in Karlsruhe entschieden.
EuGH – Rechtsrat im Kartellrecht: Können sich Unternehmen gegenüber der Kartellbehörde darauf berufen, dass sie auf anwaltlichen Rechtsrat vertraut hätten? Diese Frage muss der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des österreichischen Obersten Gerichtshofes klären. Der Rechtsanwalt Thorsten Mäger erläutert auf dem Handelsblatt Rechtsboard die Schlussanträge der Generalanwältin. Die darin an einen schuldausschließenden Verbotsirrtum aufgestellten Anforderungen seien jedoch teilweise zu streng.
BVerfG zu Antiterrordatei: Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei grundsätzliche Anforderungen an die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten formuliert hat, fragt die Montags-taz (Christian Rath), ob damit auch die gemeinsamen Terrorabwehrzentren von Polizei und Verfassungsschutz verfassungswidrig sind. Der Jurist Robert Suermann, der gegen die Antiterrordatei geklagt hatte, gehe davon aus, dass eine gesetzliche Grundlage für die Zusammenarbeit fehlt, Bundesinnenminister Friedrich habe dagegen keine Bedenken.
BGH zu Google-Autocomplete: Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Autocomplete-Funktion von Google liegt nun im Volltext vor. Der BGH hatte entschieden, dass zu dem Namen des Klägers nicht automatisch Suchbegriffe wie "Scientology" und "Betrug" angezeigt werden dürfen, zu denen nachweislich kein Zusammenhang bestand. Die Richter hätten jedoch keine Ausführungen dazu gemacht, wie weit Googles Prüfpflicht in Fällen reiche, in denen tatsächlich Suchtreffer vorhanden seien, die über einen entsprechenden Zusammenhang berichten, so Thomas Stadler (internet-law.de).
OLG Düsseldorf zu Leihmutterschaft: Auch die Samstags-SZ (Thorsten Schmitz) berichtet über den Fall eines homosexuellen Paares, das mit Hilfe einer Eizellenspende und einer Leihmutter in Indien ein Kind zeugte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte entschieden, dass das Standesamt die Vaterschaft des biologischen Vaters eintragen müsse – das deutsche Verbot der Leihmutterschaft stehe dem nicht entgegen. Es genüge der Nachweis, dass die Frau das Kind geboren hatte, unverheiratet ist und die Vaterschaft des Mannes anerkannte.
LG Köln zu Totschlag eines Kleinkindes: Im Fall der zweijährigen Lea-Sophie sind die Mutter und deren Freund vor dem Landgericht Köln zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Der Mann hatte das Kind im Dezember 2012 schwer verprügelt, die Mutter holte keine Hilfe, so dass die Zweijährige einige Tage später starb. Patrik L. erhielt wegen Totschlags eine Freiheitsstrafe von zwölf, Franziska M. wegen Totschlags durch Unterlassen eine von sieben Jahren. Von dem Prozess berichtet spiegel.de (Jörg Diehl).
LG Hamburg – Namensstreit um "absolut": Die schwedische Wodka-Marke "Absolut Wodka" will dem Regensburger Sender "Absolut Radio" verbieten, das Wort "absolut" im Namen zu verwenden – der Sender hat jedoch Widerklage erhoben. Die Samstags-SZ (Charlotte Theile) schildert den Streit, der im Juni vor dem Landgericht Hamburg verhandelt werden soll.
AG Gießen – Befristete Verträge für Lehrer: Die Samstags-FAZ (Corinna Budras/Sven Astheimer) befasst sich im Beruf-und Chance-Teil ausführlich mit befristeten Arbeitsverträgen von Lehrern, denen regelmäßig vor den Sommerferien gekündigt wird, um sie danach wieder einzustellen. Das Arbeitsgericht Gießen hatte einen solchen Fall zuletzt gerügt, die grundlegende Änderung in der Rechtssprechung gehe auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes aus dem vorigen Jahr zurück.
Klage gegen Paypal: Nach Informationen der FR (Daniel Baumann) verklagt der Bundesverband Verbraucherzentralen den Online-Bezahldienst Paypal. Dabei gehe es um intransparente Klauseln in den Nutzungsbedingungen.
Love-Parade-Ermittlungen: Über den Stand der Ermittlungen nach dem Unglück auf der Love Parade in Duisburg im Juli 2010, bei dem 21 Menschen starben, berichtet die Samstags-SZ (Bernd Dörries). Der Gutachter G. Keith Still erhebe schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Stadt und des Veranstalters, in Justizkreisen rechne man mit einer Anklage in diesem Sommer.
Weitere Themen – Recht in der Welt:
Frankreich – Keine Anklage gegen Lagarde: Der französische Gerichtshof der Republik hat die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, verhört, wird jedoch vorerst keine Anklage erheben. Das meldet spiegel.de. Hintergrund ist eine Finanzaffäre um Entschädigungszahlungen an den Geschäftsmann Bernard Tapie während Lagardes Amtszeit als Finanzministerin in Frankreich.
Palästinensische Gebiete – Ehrenmorde: Die FAS (Gil Yaron) berichtet von dem Kampf palästinensischer Frauen gegen sogenannte Ehrenmorde – wenn es um die Familienehre geht, müssten Täter nur mit milden Strafen rechnen. Gegner der Ehrenmorde forderten dagegen die Todesstrafe für die Morde an Frauen und Mädchen.
Debatte um ICTY: Im letzten November hatte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in einem umstrittenen Urteil die kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač freigesprochen. Nun wird die Debatte in den "Südosteuropa-Mitteilungen" wieder aufgegriffen, wie die Samstags-FAZ (Michael Martens) berichtet. In den Beiträgen für das Fachblatt hätten zahlreiche Autoren den Vorwurf zurückgewiesen, das Gericht habe die Aussöhnung auf dem Balkan verhindert – Aufgabe des Gerichts sei es, Recht zu sprechen, nicht Geschichte zu schreiben.
Sonstiges
Rürup-Rente: Die Montags-taz (Gabriele Goettle) protokolliert unter dem Titel "Vor dem Gesetz – Herr Morgan rechnet nach" ein Gespräch mit dem Rentner Horst Morgan, der sich in seiner Freizeit intensiv mit der "typisierenden Betrachtung" im Steuerrecht beschäftigt. Er ist der Ansicht, dass das Bundesverfassungsgericht, die Rürup-Kommission und der Gesetzgeber mit dem Alterseinkünftegesetz schwere Fehler gemacht haben, die zur Altersarmut beitragen.
Insolvenzrecht: Der Rechtsanwalt Patric W. Naumann erklärt im Interview mit lto.de (Tobias Kohl), welche Besonderheiten im Insolvenzfall von Fußballvereinen zu beachten sind.
Das Letzte zum Schluss
Pornomacher gegen Gummi: Kalifornien hat ein Gesetz zurückgezogen, das die Kondompflicht in Pornos einführen sollte – offenbar, weil die wirtschaftsmächtige Sexfilmindustrie damit drohte, sonst künftig in anderen Bundesstaaten zu drehen. Das berichtet die Montags-Welt (Tina Kaiser).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Mai 2013: IMK gegen Klarnamen - Wodka gegen Radio - Pornomacher gegen Kondome . In: Legal Tribune Online, 27.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8804/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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