Der Staatseinfluss beim ZDF soll deutlich reduziert werden, doch das Karlsruher Urteil löste keine Euphorie aus. Außerdem in der Presseschau: Justizminister Maas legt Plan für Frauenquoten vor, Grüne für null Alkohol im Verkehr, gerichtliches Facebook-Verbot sorgt für Kontrollprobleme und erotische Mails lösen einen Streit zweier Anwälte aus.
Thema des Tages
BVerfG zu ZDF-Staaatsvertrag: Das Bundesverfassungsgericht hat auf Klage der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg den ZDF-Staatsvertrag für verfassungswidrig erklärt. In den ZDF-Gremien muss künftig der Anteil der Regierungsmitglieder, Abgeordneten und Parteivertreter auf ein Drittel beschränkt sein. Damit und mit weiteren detaillierten Vorgaben soll sichergestellt werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk hinreichend staatsfrei wird. Es berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath). Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler erläutert das Urteil auf lto.de.
Im Interview mit der SZ (Claudia Tieschky) beschreibt der Medienrechtler Dieter Dörr den Einfluss der ZDF-Gremien: "Was die Gremien sagen, wird natürlich von den Programmverantwortlichen ernst genommen. Zumal ja der Fernsehrat den Intendanten wählt." Das Urteil habe auch für ARD-Anstalten Bedeutung. spiegel.de (Dietmar Hipp) geht davon aus, dass das Urteil der Politik "nicht wirklich weh" tut und beruft sich dabei ausführlich auf das Minderheitenvotum von Richter Andreas Paulus.
Die Kommentatoren sind auch enttäuscht: Christian Bommarius (FR) meint sogar, das Verfassungsgericht habe "kapituliert". Das Urteil bringe "keine Staatsferne, sondern nur eine leicht gelockerte Umarmung". Michael Hanfeld (FAZ) meint, das Urteil sei lediglich ein "Etappensieg bei der Entpolitisierung des ZDF, nicht mehr". Zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe das Urteil nur "Hohlformeln" geboten. Christian Rath (taz) hält es für "naiv", mit einer Reduzierung von Staats- und Parteivertreten politische Einflussnahme verhindern zu wollen. Das Urteil stärke aber atmosphärisch die Rundfunkfreiheit.
Rechtspolitik
Frauenquote: Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (beide SPD) haben Leitlinien für die Einführung von Frauenquoten in Aufsichtsräten und anderen Führungspositionen vorgelegt. Dabei soll es unterschiedliche Regeln und Fristen für Großunternehmen, mittlere Unternehmen und Unternehmen mit Staatsbeteiligung geben. Die taz (Simone Schmollack) stellt die Details dar.
Promille-Grenze: Die Grünen wollen noch vor der Sommerpause einen Antrag in den Bundestag einbringen, der eine Null-Promille-Grenze für alle Autofahrer vorsieht, berichtet spiegel.de. Politiker der Linken und der SPD unterstützen das Vorhaben. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt es ab.
Montan-Mitbestimmung: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert der emeritierte Rechtsprofessor Bernd Rüthers den Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die paritätische Montan-Mitbestimmung auf die ganze Wirtschaft auszuweiten. Eine allgemeine Mitbestimmung ohne ein "Übergewicht der Anteilseigner" wäre verfassungswidrig.
Bundeswehr im Ausland: Mit Blick auf die vom Bundestag eingesetzte Kommission zur Reform des Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze der Bundeswehr empfiehlt Rechtsreferendar Oliver Daum auf juwiss.de eine Verfassungsänderung. Erst wenn der vom Bundesverfassungsgericht erfundene Parlamentsvorbehalt im Grundgesetz stehe, könne er auch vom Bundestag näher ausgestaltet werden.
Justiz
BayVerfGH - Rundfunkbeitrag: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verhandelte am gestrigen Dienstag über die Verfassungskonformität des neu eingeführten Rundfunkbeitrags. Über die nur 1,5 Stunden lange Verhandlung, die nichts Neues ergeben habe, berichtet die SZ (Karoline Meta Beisel). Die Argumente der Kläger Ermano Geuer und der Drogeriefirma Rossmann stellt focus.de (Clemens Schömann-Finck) zusammen. Das Urteil soll am 15. Mai verkündet werden.
StA München - Deutsche Bank: Zum dritten Mal schon ließ die Münchener Staatsanwaltschaft Räume der Deutschen Bank durchsuchen. Immer noch geht es um den mutmaßlichen Prozessbetrug der Deutsche Bank-Führung im Fall Kirch. Nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) wurde der Kreis der Verdächtigen erneut erweitert. Bankchef Jürgen Fitschen wollte ein Bußgeld wegen "fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht" nicht akzeptieren und muss jetzt mit einer Anklage wegen "Betrug durch Unterlassen" rechnen.
Klaus Ott (SZ) kommentiert: "Es ist Fitschens gutes Recht, darauf zu beharren, dass er im Fall Kirch keine gravierenden Fehler gemacht habe. Und sich nicht auf einen, wie er es offenbar empfindet, Ablasshandel einzulassen." Holger Steltzner (FAZ) meint: "Klar ist heute nur, dass sich der sehr teure Vergleich der Deutschen Bank mit Kirchs Erben nicht gelohnt hat. Einen Friedensschluss mit den Münchner Staatsanwälten hat sie sich damit jedenfalls nicht erkauft."
LG Wiesbaden zu Ehrenmord: Die FAZ (Uta Rasche) berichtet über ein Urteil des Landgerichts Wiesbaden, das einen Afghanen zu lebenslanger Haft verurteilt, weil dieser seine schwangere Ex-Freundin hinterrücks erstochen hatte. Das Gericht habe keine besondere Schwere der Schuld festgestellt, weil der Mann sich "aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden" habe. Die FAZ wertet das als "kulturellen Rabatt" und stellt im weiteren eine Rechtsanwältin vor, die im Auftrag eines Vereins regelmäßig Ehrenmord-Prozesse beobachtet.
LG Frankfurt zu Gerichtskosten bei Insolvenz: Die allgemeine Obergrenze für den Streitwert von Gerichtsverfahren von 30 Millionen Euro gilt auch für Insolvenzverfahren. Das entschied jetzt das Landgericht Frankfurt laut FAZ.
AG München zu Facebook-Verbot: Die SZ (Johannes Boie) diskutiert die Vorbewährungsauflage des Amtsgerichts München, das einem 21-Jährigen zur Vermeidung einer Jugendstrafe aufgegeben hatte, ein halbes Jahr auf Accounts bei Facebook, Whatsapp und Instagramm zu verzichten. Die Richterin wolle nun persönlich prüfen, ob sich der Verurteilte an die Auflagen hält. Die SZ bezweifelt, ob dies möglich ist: "Ein Täter mit entsprechender Sachkenntnis kann seine Profile in den Sozialen Netzwerken mit ein paar Mausklicks verschleiern." Allerdings seien solche Kontrollprobleme nicht neu. Es gebe sie auch bei Alkoholverboten oder der Auflage, bestimmte Freunde nicht mehr zu treffen.
LG München zu Uli Hoeneß: Anwalt Jürgen Wessing interpretiert in einem Beitrag für die FAZ-Seite "Steuer und Recht" den Hoeneß-Prozess am Landgericht München als einen vom Vorsitzenden Richter Rupert Heindl geschickt eingefädelten Deal jenseits der Prozessordnung. "Eine Terminierung auf vier Tage in einem derartigen Verfahren ist ein deutlicher Hinweis: Es soll kurzer Prozess gemacht werden. Vor dem Hintergrund schwierigster Steuerfragen eine klare Ansage in Richtung eines für den Angeklagten akzeptablen Urteils."
Auf der gleichen FAZ-Seite beschreibt der Anwalt Michael Weber-Blank, dass die Steuerbehörden nun im Fall Hoeneß dessen genaue Steuerschuld berechnen werden. Diese könnte durchaus höher als die im Strafprozess veranschlagten 28,5 Millionen Euro liegen. Auf eine exakte Bezifferung könne aber im Fall einer steuerrechtlichen "tatsächlichen Verständigung" verzichtet werden. Diese sei nach Vorgaben des Bundesfinanzhofs jedoch nur möglich, "wenn der Aufwand, den Sachverhalt aufzuklären, unverhältnismäßig hoch wäre und damit langjährige Streitigkeiten verhindert würden."
BGH zu wirtschaftlicher Neugründung: Die Anwältin Anja von Alemann nimmt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Dezember 2013 zum Anlass, die Karlsruher Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung übersichtlich darzustellen. Bei der Wiederbelebung von Gesellschaften, die nur noch eine leere Hülle sind, müsste dem Registergericht eine wirtschaftliche Neugründung angezeigt und die für eine Gründung erforderliche Kapitaldeckung nachgewiesen werden.
OLG München - NSU-Prozess: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe wurden frühere Aussagen des inzwischen nicht mehr aussagebereiten Ex-Kumpanen Max Florian B. verlesen. Dieser habe Zschäpe belastet, weil er ihre gleichberechtigte Rolle in der Gruppe betonte, berichtet spiegel.de.
AG München - Neue Assekuranz-Gewerkschaft: Das Amtsgericht München muss entscheiden, ob die 2010 gegründete Neue Assekuranz-Gewerkschaft (NAG) tatsächlich eine Gewerkschaft mit Streikmacht ist. Geklagt hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die eine Aufsichtsratswahl beim Versicherungsunternehmen Munich Re angreift, bei der die NAG einen Sitz erringen konnte. Über den Konflikt berichtet die SZ (Herbert Fromme).
LVerfG Münster - Inklusion: Der Städte- und Gemeindebund hat laut FAZ angekündigt, die nordrhein-westfälische Landesregierung vor dem Landesverfassungsgericht zu verklagen. Dabei soll geklärt werdne, wer die Zusatzkosten bezahlen muss, die durch den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern (Inklusion) entstehen.
Udo di Fabio: Die FAZ (Reinhard Müller) gratuliert Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio zum 60. Geburtstag.
Recht in der Welt
Ägypten - neuer Massenprozess: In der Stadt Minia findet erneut ein Massenprozess gegen rund 600 Mitglieder der verbotenen Muslimbruderschaft statt, darunter deren ehemaliges Oberhaupt Mohammed Badie. Ihnen wird die Beteiligung an Unruhen vorgeworfen, meldet zeit.de.
Spanien - katalanisches Referendum: Das spanische Verfassungsgericht hat der Region Katalonien untersagt ein Referendum über die Abtrennung von Spanien durchzuführen. Eine Region könne "nicht einseitig ein Referendum zur Selbstbestimmung ansetzen", denn Katalonien sei "kein eigenständiges politisches und juristisches Subjekt", meldet spiegel.de.
Frankreich - Schadensersatz wegen Mietwucher: Ein Pariser Gericht hatte einem Mieter rund 10.000 Euro Schadensersatz zugesprochen, weil er über Jahre hinweg 330 Euro Monatsmiete für eine Dachkammer mit einer Bodenfläche von nur vier Quadratmetern bezahlte. Die taz (Rudolf Balmer) erläutert die Hintergründe.
IGH - Osttimor vs. Australien: Osttimor hat sich beim Internationalen Gerichtshof (IGH) beschwert, weil australische Geheimdienstler Prozessunterlagen Osttimors aus einem anderen Prozess Osttimors gegen Australien beschlagnahmt hatten. Der IGH erließ jetzt eine einstweilige Anordnung zur Sicherung der Rechte Osttimors. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Kulick erläutert die Entscheidung auf juwiss.de.
USA - NSA-Überwachung: US-Präsident Barrack Obama hat vorgeschlagen, dass der Geheimdienst NSA bei Telefonaten von US-Bürgern nicht mehr automatisch die Verbindungsdaten aufzeichnen darf. Stattdessen sollen die Daten bei den Telefonfirmen gespeichert werden und die NSA hierauf nur mit richterlichem Beschluss zugreifen können. zeit.de (Eike Kühl) analysiert diese Entwicklung und bleibt skeptisch.
Das Letzte zum Schluss
Erotische Emails: Ein Ehemann wechselte erotische Emails mit seiner Geliebten, die diese später der Ehefrau des Mannes zukommen ließ. Inzwischen versucht der Ehemann eine weitere Verbreitung der Mails per Abmahnung zu unterbinden. Rechtsanwalt Ralf Möbius schildert auf seinem Blog den Streit mit dem gegnerischen Anwalt über die Frage, ob solche Emails vor Gericht überhaupt als Beweis vorgelegt werden können.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. März 2014: Weniger Staat beim ZDF – Grüne für null Promille – Wer kontrolliert Facebook-Verbot? . In: Legal Tribune Online, 26.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11447/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag